Kritikerinnen und Kritiker stören sich vor allem daran, dass der plakative Begriff einen differenzierten Blick auf die Partnerschaft verstellen kann. „Im Zeitalter des Internets setzten sich heute Etiketten für bestimmte Phänomene sehr viel schneller durch als früher“, sagt der Persönlichkeitspsychologe Philipp Yorck Herzberg. „Der Begriff ‚toxisch‘ ist dafür ein Beispiel.“ Der Beziehung ein Label zu verpassen, sei aber nicht hilfreich: „Wichtig ist es, im Detail zu beschreiben, wo genau es hapert und was im Gegenteil auch gut läuft. Nur so kommt man zu einer differenzierten Stärken-Schwächen-Analyse, mit der man arbeiten kann.“
Wer eine Beziehung als toxisch bezeichnet, stempelt sie damit also ein Stück weit ab: Die Partnerschaft ist schädlich, Punkt. Was giftig ist, kann nie gesund werden. Tatsächlich können die Partner aber lernen, ihre Beziehung zu verbessern – konstruktiver zu kommunizieren, anders mit Konflikten umzugehen, sich in die Position des anderen zu versetzen. Das Etikett „toxisch“ blendet dieses Entwicklungspotenzial ein Stück weit aus. Solche festen Zuschreibungen können Konfliktlösungen verhindern, zeigt die Forschung. Diesen Effekt sollte man zumindest im Blick behalten, wenn man den Begriff verwendet.
Viele Menschen leben jahrelang in einer toxischen Beziehung, bevor in ihnen der Entschluss reift, sie zu beenden. Und selbst dann schaffen sie es häufig nicht auf Anhieb, sich von ihrer Partnerin oder ihrem Partner zu lösen. Das liegt auch an der speziellen Dynamik, die solchen Beziehungen meist innewohnt: Sobald sich der eine lösen möchte (oder tatsächlich erfolgreich getrennt hat), wird er vom anderen wieder mit Liebesbekundungen überhäuft. Dafür gibt es sogar einen plakativen Begriff: Hoovering (von engl. to hoover = staubsaugen). Die Ex-Partnerin wird wieder in die Beziehung gesaugt, weil sie das Gefühl hat, der Andere kämpfe aufrichtig um sie. Sie schenkt seinen Beteuerungen, er werde sich ändern, Glauben. Doch häufig sind diese Liebesschwüre nichts als eine weitere Manipulationstechnik.
Auch entwickeln die Opfer in toxischen Partnerschaften häufig Selbstwert-Probleme. Sie fühlen sich nicht länger liebenswert. Das erschwert es ihnen zusätzlich, die Beziehung zu beenden: Wer will mich denn noch haben, wenn diese Partnerschaft in die Brüche geht?
Erkennen Sie typische Beziehungsmuster
Führen Sie sich das Grundmuster Ihrer Beziehung vor Augen, beispielsweise: Immer wenn Sie sich daraus befreien möchten, kommt entweder eine aggressive Reaktion („Ohne mich bist du nichts“, „Du wirst es ohne mich nicht schaffen“) oder – wenn das nicht fruchtet – eine Überhäufung mit Liebesbeweisen (Lovebombing). Wenn Sie dann in die Beziehung zurückkehren, werden Sie aber bald wieder genauso schlecht behandelt wie zuvor. „Revue passieren zu lassen, welche Muster immer wieder auftauchen, ist ein ganz wichtiger Erkenntnisschritt“, sagt Herzberg.
Durchschauen Sie manipulative Techniken
Wer die immer wiederkehrenden Abläufe in der Partnerschaft erkennt, dem gelingt es meist auch leichter, manipulative Taktiken in der Beziehung zu durchschauen. Die Einsicht, von der Partnerin oder vom Partner gezielt beeinflusst und gesteuert zu werden, müsse in den Betroffenen selbst wachsen, meint Herzberg: „Es hilft in der Regel wenig, wenn eine Freundin oder ein Freund sagt: ‚Vorsicht, dein Partner nutzt dich emotional aus.‘“
Ziehen Sie Bilanz und schauen Sie in die Zukunft
Schreiben Sie auf, wer von Ihnen wieviel in die Beziehung investiert: Zahlen Sie immer drauf? Oder bekommen Sie auch etwas zurück? Und wenn ja: Reicht Ihnen das?
Überlegen Sie sich, wie die Beziehung in drei Jahren aussehen wird: Wie wird sie sich entwickeln? Werden sich die Probleme von selbst lösen? Was kann ich tun, dass es besser wird? Wie realistisch ist, dass das hilft? In der systemischen Therapie nennt man diesen imaginativen Blick in die Zukunft auch „future pacing“.
Reden Sie darüber
Wer in einer toxischen Beziehung steckt, zweifelt oft am eigenen Urteilsvermögen. Es ist daher hilfreich, sich mit Freunden über die Partnerschaft auszutauschen. Durch ihr Feedback kann man das Verhalten der Partnerin oder des Partners besser einordnen. Man merkt so, dass man nicht einfach überempfindlich ist oder sich alles nur einbildet, sondern dass die Probleme real und schwerwiegend sind.
Erkennen Sie sich selbst
Wir alle tragen Verhaltensprogramme mit uns herum, die wir seit unserer Kindheit verinnerlicht haben. Sie steuern nicht nur, wie wir uns in Beziehungskonflikten verhalten, sondern sorgen auch dafür, dass wir uns immer wieder zum selben Partner-Typus hingezogen fühlen – vielleicht sogar gerade zu jenen Menschen, die uns ganz und gar nicht guttun. Um gegensteuern zu können, muss man diese unbewussten Programme zunächst einmal identifizieren.
Kritik am Konzept der toxischen Beziehung
Kritikerinnen und Kritiker stören sich vor allem daran, dass der plakative Begriff einen differenzierten Blick auf die Partnerschaft verstellen kann. „Im Zeitalter des Internets setzten sich heute Etiketten für bestimmte Phänomene sehr viel schneller durch als früher“, sagt der Persönlichkeitspsychologe Philipp Yorck Herzberg. „Der Begriff ‚toxisch‘ ist dafür ein Beispiel.“ Der Beziehung ein Label zu verpassen, sei aber nicht hilfreich: „Wichtig ist es, im Detail zu beschreiben, wo genau es hapert und was im Gegenteil auch gut läuft. Nur so kommt man zu einer differenzierten Stärken-Schwächen-Analyse, mit der man arbeiten kann.“
Wer eine Beziehung als toxisch bezeichnet, stempelt sie damit also ein Stück weit ab: Die Partnerschaft ist schädlich, Punkt. Was giftig ist, kann nie gesund werden. Tatsächlich können die Partner aber lernen, ihre Beziehung zu verbessern – konstruktiver zu kommunizieren, anders mit Konflikten umzugehen, sich in die Position des anderen zu versetzen. Das Etikett „toxisch“ blendet dieses Entwicklungspotenzial ein Stück weit aus. Solche festen Zuschreibungen können Konfliktlösungen verhindern, zeigt die Forschung. Diesen Effekt sollte man zumindest im Blick behalten, wenn man den Begriff verwendet.
Quellen
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Daniela Voigt: Gesunder Umgang mit toxischen Menschen. Wiley, 2024
Dass toxische Beziehungen nicht guttun, steckt schon in ihrer Bezeichnung. Studien zeigen etwa, dass Lebensgefährtinnen und -gefährten von Narzissten häufiger unter Angstzuständen und depressiven Verstimmungen leiden. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass häufige Streitigkeiten in der Partnerschaft die Immunabwehr beeinträchtigen können. Unglückliche Ehen gelten darüber hinaus als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen. Ursache ist vermutlich der erhebliche Stress, den Konflikte mit sich bringen.
Ständige Anfeindungen und Manipulationen können zudem zu Scham, Schuldgefühlen, Selbstzweifeln und einem niedrigen Selbstwertgefühl führen. Diese Konsequenzen erschweren es Betroffenen oft zusätzlich, die Beziehung zu beenden. Wenn sie es dann doch tun, so oft mit bleibenden Narben, die für die danach folgenden Partnerschaften eine hohe Hypothek darstellen.
„Nach einer dysfunktionalen Partnerschaft können Sie nicht einfach den Reset-Knopf drücken“, sagt Philipp Yorck Herzberg. „Sie haben spezielle Verhaltensweisen und Abwehrmechanismen entwickelt, die Sie nur schwer wieder ablegen können. Das ist der langfristige Preis, den Sie dafür zahlen.“
Toxische Beziehungen: Wer ist stärker betroffen – Männer oder Frauen?
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat 2014 eine Studie zu Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen veröffentlicht. Das waren die Antworten von den mehr als 6000 Teilnehmerinnen:
Knapp fünf Prozent gaben an, an allem die Schuld zugewiesen zu bekommen.
Fünf Prozent klagten über Beschimpfungen und Beleidigungen.
Gut drei Prozent litten darunter, von ihrem Partner vor anderen heruntergemacht zu werden.
Sehr häufig genannt wurden zudem Eifersucht (acht Prozent).
Kontrolle war ein weiteres häufig genanntes Thema und zwar in finanziellen Dingen (sieben Prozent) oder der Sozialkontakte (neun Prozent).
Eine Neuauflage der Studie liegt bislang nicht vor, weshalb diese Daten weiterhin als die beste verfügbare Grundlage für diese Fragestellung gelten.
Aktuellere Zahlen bietet die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2023: Demnach wurden insgesamt 167.865 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt. In knapp vier von fünf Fällen war das Opfer eine Frau. Bei psychischer Gewalt – etwa Bedrohung, Stalking oder Nötigung – gab es 38.227 registrierte Fälle.
Zu psychischer Gewalt gegenüber Männern gibt es weniger Daten; eine Pilotstudie des Ministeriums aus dem Jahr 2004 kam jedoch bei vielen der eben genannten Kategorien zu ähnlichen oder gar höheren Werten. Aufgrund der geringen Fallzahl – es nahmen gerade einmal 199 Männer teil – sind diese Ergebnisse aber mit Vorsicht zu genießen. Auch neuere Studien zur Gewalt in Partnerschaften verzeichnen hier starke Schwankungen und können keine eindeutigen Ergebnisse liefern.
Der Persönlichkeitspsychologe Philipp Yorck Herzberg nimmt an, dass Männer öfter ein „toxisches“ Verhalten an den Tag legen als Frauen – einfach, weil sie häufiger narzisstisch, machiavellistisch oder psychopathisch veranlagt sind. Forschende vermuten dafür evolutionäre Gründe: Dunkle Charakterzüge gehen mit größerer sexueller Untreue und instabileren Beziehungen einher. Für Frauen waren diese Eigenschaften noch problematischer als für Männer. Denn wenn eine Partnerschaft zerbrach, waren es meist die Frauen, die sich um die Kinder kümmerten. „Frauen leiden zudem stärker, wenn die Beziehung nicht in Ordnung ist“, sagt er.
Homosexuelle Paare scheinen Studien zufolge übrigens im Schnitt etwas zufriedener mit ihrer Beziehung zu sein als heterosexuelle. Allerdings ist emotionale Gewalt auch in homosexuellen Beziehungen keineswegs selten.
Manche Menschen verlieben sich immer wieder in „den Falschen“ oder „die Falsche“. Sie gehen regelmäßig Beziehungen ein, die von Lieblosigkeit geprägt sind oder in denen sie herabgewürdigt und gedemütigt werden. Dafür gibt es mehrere Gründe. So beginnen toxische Beziehungen oft mit einem Übermaß an Liebesbekundungen; die negative Dynamik entwickelt sich erst später. In den ersten Wochen oder Monaten schweben viele Betroffene dagegen auf Wolke sieben und haben das Gefühl, die Partnerin fürs Leben gefunden zu haben. Wer oft an jemanden gerät, der ihm oder ihr nicht guttut, sucht eventuell unbewusst gerade nach einem Gegenpart, der sich auf diese Weise benimmt: „Wir bevorzugen Partnerinnen oder Partner, die sich so verhalten, wie wir es aus der Kindheit kennen – einfach weil uns das vertraut ist“, erklärt Herzberg. „Das erscheint uns angenehmer, als mit einer Person zusammen zu sein, die wir nicht einschätzen können. Kinder, bei denen ein Elternteil alkohol- oder drogenabhängig war, gehen zum Beispiel oft Beziehungen zu Menschen ein, die ebenfalls abhängig sind – so paradox das auch klingt.“ Unsere Vorerfahrungen legen uns also ein Stück weit auf ein bestimmtes Schema bei der Partnersuche fest, auch wenn uns dieser Mechanismus oft gar nicht bewusst wird.
Das ist nicht nur eine Frage der Gewohnheit – verantwortlich ist Studien zufolge auch ein psychologischer Effekt, der in der Fachwelt als „self verification“ bekannt ist: Wir alle haben eine Vorstellung davon, wie wir sind. Und wir mögen es nicht, wenn jemand dieses Selbstkonzept infrage stellt. Wer sich für wenig liebenswert hält, der kann schlecht damit umgehen, wenn ihm jemand Liebe entgegenbringt. Wir neigen daher dazu, Partnerinnen und Partner zu bevorzugen, die unser Selbstbild bestätigen – und sei es, indem sie uns schlecht behandeln, weil wir es ja schließlich verdient haben.
Zudem haben wir bestimmte unbewusste Erwartungen an romantische Beziehungen, die meist ebenfalls aus Kindheitserfahrungen herrühren. Personen mit einem besitzergreifenden Beziehungsstil etwa haben Angst davor, verlassen zu werden. Paradoxerweise scheinen gerade sie sich besonders oft Partnerinnen und Partner mit einem abweisenden Beziehungsstil auszusuchen. Letzteren wird es in der Partnerschaft schnell zu eng; sie befürchten, dass ihnen die Beziehung nicht genügend Luft zum Leben lässt. Diese Konstellation sorgt also dafür, dass sich die Erwartungen beider Parteien erfüllen. Unumstritten ist diese „Komplementaritäts-Hypothese“ aber nicht.
Die Gründe für einen toxischen Beziehungsstil liegen oft tief in der Vergangenheit. In der Kindheit lernen wir, ob wir uns auf unsere Bezugspersonen verlassen können oder nicht. Die Erfahrungen, die wir in dieser Zeit sammeln, prägen bis ins höhere Alter unser Verhalten in Freundschaften und romantischen Beziehungen. Wer etwa in jungen Jahren auf nichts als Desinteresse und böse Worte seitens der Eltern oder anderer Bezugspersonen stößt, der neigt in späteren Beziehungen vermehrt zu Aggressivität. Das macht es für die Opfer nicht einfacher: Sie wissen um die schwierige Vergangenheit – und sind oft entsprechend nachsichtig mit dem Gegenüber.
Dieser Zusammenhang findet sich auch für die dunkle Triade. So deuten Studien darauf hin, dass die Wurzeln zu psychopathischen oder machiavellistischen Tendenzen zumindest teilweise in den Erziehungserfahrungen liegen: Kinder, die von den Eltern vor allem Zurückweisung und Strafe erfahren haben, weisen als Jugendliche häufig höhere Werte in entsprechenden psychologischen Tests auf. Ein warmherziger Erziehungsstil wirkt hingegen in die entgegengesetzte Richtung.
Auch Narzissten sind oft Opfer eines degradierenden Erziehungsstils: Sie haben früh vermittelt bekommen, wenig wert zu sein (oder nur dann wertvoll zu sein, wenn sie besonders gute Leistungen erbringen). „Ursache von Narzissmus sind häufig dysfunktionale Erziehungsmuster, also hohe Ansprüche bei gleichzeitiger Abwertung“, erklärt Philipp Yorck Herzberg. Die Betroffenen streben dann als Erwachsene mit allen Mitteln nach Anerkennung.
Partnerinnen und Partner dienen ihnen deshalb häufig vor allem als Trophäen; wirkliche Intimität ist ihnen weniger wichtig. Sie neigen zudem dazu, sich mit allen Mitteln auf Kosten anderer zu profilieren – auch dadurch, dass sie ihren Gegenpart zunächst mit viel Charme an sich binden und von sich abhängig machen, um ihn danach zu entwerten. Diese Muster werden oft an die nächste Generation weitergegeben: „Häufig haben narzisstische Eltern auch narzisstische Kinder“, sagt Herzberg. Zumindest Psychopathie und Narzissmus haben auch einen genetischen Anteil. Die Erblichkeit der beiden Wesenszüge beträgt Studien zufolge 30 bis 40 Prozent.
Woran erkenne ich, dass ich in einer toxischen Beziehung bin?
Ein zentrales Merkmal toxischer Beziehungen sind Demütigungen und Manipulationen. Oft beginnen sie aber ganz anders, nämlich auf Wolke sieben. Diese Anzeichen und Merkmale einer toxischen Beziehung sollten Sie kennen: Sechs Anzeichen und Merkmale einer toxischen Beziehung
Love Bombing
Von „Love Bombing“ spricht man, wenn einer der beiden Beteiligten den anderen zu Beginn der Beziehung mit teuren Geschenken, Komplimenten und Aufmerksamkeit geradezu überhäuft. Laut Philipp Yorck Herzberg ist das eine Strategie, die gerade Narzisstinnen und Narzissten häufig anwenden: Sie präsentieren sich als ausgesprochen liebenswert und tragen ihre eroberte Person auf Händen, um sie so an sich zu binden. Es kann also ein Alarmsignal sein, wenn ich das Gefühl habe, die neue Freundin bemüht sich so extrem um mich, dass es etwas zu viel ist.
Stimmungsschwankungen
Irgendwann ist die rosarote Phase vorbei und die Beziehung etabliert. Und dann kippt die Stimmung ganz plötzlich ins andere Extrem: Der anfangs so liebevolle Partner wird plötzlich kühl und abweisend. Statt Komplimenten hagelt es Kritik. Sogar vor Anderen wird der Freund oder die Freundin heruntergemacht.
„Für die Betroffenen ist dieses plötzliche Umschalten ein Schock“, sagt Herzberg. Vor allem für narzisstisch veranlagte Menschen sei dieses Verhalten aber ganz typisch: Sobald sie den Partner für sich gewonnen haben, beginnen sie damit, ihn abzuwerten, um so ihr Ego zu stärken. In einer Studie aus Australien, in der Lebensgefährtinnen und -gefährten von Narzissten interviewt wurden, berichteten 31 Prozent der Befragten von solchen Erfahrungen.
Das Pendel kann für kurze Phasen auch wieder zurückschwingen. Gerade Narzissten sind allerdings sehr leicht kränkbar. Sie wollen bewundert werden, nicht kritisiert. Eine einzige falsche Bemerkung kann daher einen schönen Abend zunichtemachen. Oft sind es Kleinigkeiten, die zu einem massiven Wutausbruch führen können.
Manipulationen
In toxischen Beziehungen verhält sich eine Person oft sehr manipulativ. Sie suggeriert, dass die Partnerin oder der Partner daran schuld sei, wenn es momentan nicht so gut laufe.
Zu den häufigen Strategien gehört zum Beispiel tagelanges Schweigen. „Mit Schweigen kann man in anderen Menschen viel auslösen: Gefühle des schlechten Gewissens, der Schuld, der Demut, des nichts-wert-Seins“, sagt der österreichische Psychiater Reinhard Haller in der Interview-Sammlung „Genug ist genug“. Darin geht es um die Entstehung und Beendigung toxischer Beziehungen. Schweigen vermittelt dem Anderen das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben.
Eine besonders perfide Form der Manipulation ist das sogenannte Gaslighting. Dabei wird dem Opfer das Gefühl vermittelt, es könne seinen Sinnen und Erinnerungen nicht trauen. „Das bildest du dir doch nur ein“, „Das habe ich nie gesagt“, „Du hast ja psychische Probleme“, „Du reagierst völlig hysterisch“: Wer bei Konflikten dauernd Sprüche wie diese zu hören bekommt, zweifelt mit der Zeit an sich und seinem Urteilsvermögen. Das Ergebnis ist ein Netz aus Lügen, welches das Opfer in einem Zustand ständiger Verwirrung gefangen hält
Machtspiele
Besonders manipulativ verhalten sich Menschen mit ausgeprägten „dunklen“ Charakterzügen. Letztlich geht es ihnen dabei immer um Macht: Jemand möchte den anderen unter seine Kontrolle bringen. Dem Partner zu drohen („Ich nehme dir die Kinder weg“, „Ich zerstöre dich“), die Ehefrau herunterzumachen („Du bist faul und hässlich“) oder sogar manche Liebesschwüre („Ich kann ohne dich nicht leben“, „Ich bringe mich um, wenn du mich verlässt“) dienen letztlich ebenfalls diesem Zweck. Gerade Narzissten neigen zudem dazu, ihre Partnerinnen und Partner über die Tiefe der Gefühle im Unklaren zu lassen, die sie für sie empfinden. Auch die Liebe ist für sie also eine Art Machtspiel. Sie sind zudem häufiger untreu.
Rückzug
Ein typisches Muster toxischer Beziehungen ist es, dass sich eine Partnerin oder ein Partner zeitweise völlig zurückzieht. Bei dem Anderen sorgt dieses auch als Ghosting bezeichnete Verhalten oft für große Verunsicherung: Gestern waren wir uns doch noch so nah und heute antwortet er nicht einmal kurz auf meine Sprachnachrichten! Ursache sind häufig tief verwurzelte Bindungsängste aufgrund frühkindlicher Erfahrungen.
Der Journalist und Psychologe Ernst-Marcus Thomas beschreibt das Hin und Her zwischen Liebesbekundungen und emotionalem Rückzug in seinem Buch „Beziehungs-Tango“ als eine Art Tanz: Eine Partnerin wünscht sich nichts mehr als eine tiefe emotionale Beziehung. Sobald dieser Wunsch jedoch in Erfüllung gegangen ist, hat sie Angst, dem Angebeteten nicht zu genügen. Sie läuft weg, bevor sie selbst verlassen wird. Oft läuft der andere hinterher und verstärkt diesen Fluchtreflex noch.
Oder ihm reicht es und er versucht, sich aus der Bindung zu lösen. Als Folge wendet sich ihm die Partnerin wieder zu – sie will ihren Lebensgefährten schließlich nicht verlieren. Auch Narzisstinnen und Narzissten verhalten sich oft nach diesem Muster. Wenn eine Beziehung dann tatsächlich endet, geht das meist von ihnen aus: Mit ihnen wird nicht Schluss gemacht – sie sind es, die Schluss machen.
Physische Gewalt
Das „Gift“ toxischer Beziehungen wirkt primär auf der emotionalen Ebene. Doch dabei muss es nicht bleiben. „Auch bei verbalen Auseinandersetzungen besteht immer die Gefahr, dass sie zu physischer Gewalt eskalieren“, erklärt Philipp Yorck Herzberg. In der oben genannten australischen Studie berichteten 17 Prozent der Befragten, von ihrem narzisstischen Partner oder ihrer narzisstischen Partnerin schon einmal körperlich misshandelt worden zu sein.
Am häufigsten tendieren Studien zufolge allerdings Menschen mit ausgeprägten psychopathischen Persönlichkeitszügen zu physischer Gewalt in ihren Beziehungen. Umgekehrt kommt es aber auch vor, dass die Opfer sich physisch zur Wehr setzen.
Die Verhaltensmuster, die sich hinter diesen drei Begriffen verbergen, sind sich in vielen Punkten ähnlich; viele Forschende postulieren sogar einen gemeinsamen Kern, den sogenannten „D-Faktor“. Menschen mit diesem Faktor verhalten sich oft antisozial: Sie versuchen, ihre Interessen durchzusetzen, auch wenn das zu Lasten ihrer Mitmenschen geht. Außerdem haben sie im Allgemeinen ein gutes Gespür dafür, wie sie andere behandeln müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Gerade Machiavellisten gelten als Meister der Manipulation. Dabei gehen sie häufig strategisch und mit kühlem Kopf vor. Psychopathen sind dagegen in der Regel impulsiver; für sie charakteristisch ist zudem ein ausgesprochener Mangel an Empathiefähigkeit und Schuldbewusstsein. Narzisstische Menschen suchen sich oft einen Gegenpart, dem sie sich überlegen fühlen können, um so ihr grandioses aber fragiles Selbstbild zu stärken. Dabei nutzen sie wunde Punkte und Schwachstellen aus. Gerade Beziehungen mit Narzissten sind daher besonders häufig von emotionalem Missbrauch geprägt.
Die meisten Menschen sind hin und wieder selbstverliebt, wenig einfühlsam oder manipulativ. Fast jede oder jeder hat Charakterzüge aus der „Dunklen Triade“. Nur wenn diese ausgesprochen dominant sind, spricht man in der Psychologie von einer Persönlichkeitsstörung. In solchen Fällen ist eine funktionierende Partnerschaft nahezu unmöglich. Ansonsten gilt jedoch: Die Dosis macht das Gift.
Je ausgeprägter machiavellistische, psychopathische oder narzisstische Eigenschaften bei einer Person sind, desto schwieriger wird es, mit ihr zusammenzuleben und eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen, in der beide Beteiligte nicht nur nehmen, sondern auch geben. So neigen Menschen mit deutlichen „dunklen“ Charakterzügen dazu, ihre Partnerin oder ihren Partner herunterzumachen. Sie haben zudem häufiger Affären und sind weniger an einer ernsthaften Beziehung interessiert.
Paradoxerweise gibt es dennoch Personen, die sich bevorzugt in solche Partnerschaften begeben (siehe auch „Warum sind toxische Beziehungen so anziehend?“) – zu einer Beziehung gehören eben immer mindestens zwei.
Generell hat das Adjektiv „toxisch“ in jüngerer Zeit einen Bedeutungswandel erfahren. Es stammt ursprünglich vom Wort toxon, der griechischen Bezeichnung für einen Bogen, ab. In der Antike versahen Kämpfer die Spitzen ihrer Pfeile nämlich oft mit einem tödlichen Gift. Später bezeichnete man daher gesundheitsschädigende Substanzen als toxisch.
Heute wird das Adjektiv oft auch in einem übertragenen Sinn verwendet, etwa für riskante Geldanlagen („toxische Wertpapiere“) oder für Verhaltensmuster, von denen eine Gefahr ausgeht („toxische Männlichkeit“, „toxisches Arbeitsklima“). Es ist damit zu einer plakativen Metapher für alles Gefährliche und (potenziell) Schädliche geworden.
Vermutlich spiegelt sich in den vielen Suchanfragen auch eine gewisse Unsicherheit, was damit überhaupt gemeint ist. In der Ratgeber-Literatur werden Paarbeziehungen – aber auch Freundschaften — in der Regel dann als toxisch bezeichnet, wenn sie von massiver emotionaler Gewalt gekennzeichnet sind. Dazu zählen beispielsweise bissige Bemerkungen, das Bloßstellen vor anderen Personen oder auch subtil formulierte Drohungen und Erpressungen.
Für viele Menschen gehören solche Übergriffe zum Alltag; das Etikett „toxische Beziehung“ gibt ihren Erfahrungen einen eingängigen Namen. Aus diesem Grund wird im nachfolgenden Text weiterhin von toxischen Beziehungen gesprochen, obwohl das Konzept durchaus umstritten ist.
Wie entstehen toxische Beziehungen?
Typische Elemente von toxischen Beziehungen sind Manipulation und Kontrolle. Doch wie entstehen solche Beziehungen? Toxische Beziehungen haben ihre Grundlage meist in bestimmten Veranlagungen einer Partnerin oder eines Partners. „Besonders wichtig sind hierbei negative Wesenszüge, die wir als Dunkle Triade bezeichnen“, erklärt Persönlichkeitspsychologe Philipp Yorck Herzberg, Professor an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg. „Darunter fassen wir die Persönlichkeitseigenschaften Machiavellismus, Psychopathie und Narzissmus.“
In den vergangenen Jahren ist es zunehmend populär geworden, Beziehungen als „toxisch“ zu bezeichnen. Dass sich das Begriffspaar „toxische Beziehung“ seit einigen Jahren einer zunehmenden Popularität erfreut, zeigt auch ein Blick auf die Suchanfragen bei Google: Google Trends zufolge gibt erst seit 2017 ein nennenswertes Interesse an diesem Begriff. Seit etwa 2020 bewegen sich die monatlichen Suchanfragen auf einem stabilen Niveau.
Der Begriff ist aber recht schwammig – es ist nicht klar definiert, was unter einer toxischen Beziehung zu verstehen ist. In der wissenschaftlichen Literatur taucht er so gut wie gar nicht auf; Psychologinnen und Psychologen sprechen eher von dysfunktionalen Beziehungen.
Was ist eine toxische Beziehung? Wie entstehen toxische Beziehungen? Woran erkenne ich, dass ich in einer toxischen Beziehung bin? Sechs Anzeichen und Merkmale einer toxischen Beziehung Selbsttest: Ist meine Beziehung toxisch? Warum verhalten sich Menschen toxisch? Warum sind toxische Beziehungen so anziehend? Toxische Beziehungen: Wer ist stärker betroffen – Männer oder Frauen? Folgen einer toxischen Beziehung Kann eine Paartherapie helfen? Wann ist es an der Zeit, eine toxische Beziehung zu beenden? Fünf Tipps, um eine toxische Beziehung zu beenden
Liebesbeziehung werden zunehmend als toxisch bezeichnet. Psychologinnen sprechen eher von dysfunktionalen Beziehungen. Doch was heißt das überhaupt? Von Frank Luerweg
Reportage Narzisstischer Missbrauch: Ein Name für das Leid Es ist eine populäre Diagnose: narzisstischer Missbrauch. Doch was ist dran an dem Phänomen? Und welche Angebote helfen wirklich? Eine Spurensuche. https://www.psychologie-heute.de/serien/reportage.html
Psychologie nach Zahlen Das müssen wir zu zweit schaffen! Psychologie nach Zahlen: 4 bedauerliche Mythen, die in einer Beziehungskrise von einer Paartherapie abschrecken.
Wir wissen ja, wie gut es uns tun kann, bestimmte Glaubenssätze, Dinge und auch Menschen loszulassen. Aber warum ist das so verdammt schwierig? Eine Spurensuche.
Du erkennst dich und dein Verhalten in einem oder mehreren dieser Warnzeichen wieder? Zögere nicht, dir therapeutische oder ärztliche Hilfe zu suchen, damit aus der emotionalen Vergiftung keine ernsthafte psychische Erkrankung wird.
Du kannst einfach nicht mehr? Geistige Erschöpfung kann auch ein Anzeichen für eine emotionale Vergiftung sein. Denn wir kennen das vermutlich alle: Gefühle können wahnsinnig anstrengend sein – zumindest wenn wir sie wirklich zulassen und fühlen. Und das sollten wir unbedingt tun, denn Verdrängen bringt uns nicht weiter. Aber es kostet viel Kraft, all die schmerzhaften Emotionen zu durchleben.
Das kann zu einer gewissen Lethargie führen, wenn wir irgendwann keine Energie mehr für andere Dinge haben. Vorsicht: Dieser oft schleichende Prozess kann in einer Depression enden. Hier solltest du also besonders wachsam sein, wenn du merkst, dass du dich ständig kraftlos, matt und müde fühlst.
Loslassen fällt den meisten von uns ohnehin alles andere als leicht – schon in den besten Zeiten. Aber wenn du gerade unter einer emotionalen Vergiftung leidest, ist es dir vermutlich praktisch unmöglich, Menschen und Beziehungen, aber auch Konflikte, Situationen oder sogar Materielles ziehen zu lassen.Weil du sowieso das Gefühl hast, kaum mehr Kontrolle über irgendetwas zu haben, blockierst du hier unbewusst und möchtest nicht noch mehr Kontrolle abgeben. Das ist natürlich eine Illusion, den wirklich kontrollieren können wir die wenigsten Dinge auf der Welt. Aber wenn deine Gefühle durch Verletzungen und andere Belastungen so stark vergiftet sind, wird es umso schwerer, mit offenem Herzen durch die Welt zu gehen und das gehen zu lassen, was dir nicht (mehr) guttut.
2. Dir fällt es schwer, die Dinge rational zu betrachten
Wenn du emotional stark belastet bist, kann es leicht passieren, dass dein Blick auf die Welt vernebelt wird. Du schaffst es nicht mehr, auf etwas anderes als dich selbst zu schauen – deine Gedanken kreisen nur noch um deine Probleme. Das macht es dir schwer, deine Umgebung rational zu betrachten.
Natürlich sehen wir die Realität immer durch unsere ganz persönliche Brille, geprägt durch die Summe unserer Erfahrungen und individuellen Glaubenssätze. Aber in diesem Fall könnte die emotionale Vergiftung diesen Umstand auf die Spitze treiben und dafür sorgen, dass es dir extrem schwerfällt, objektiv auf Personen und Situationen zu blicken, weil du so sehr mit dir selbst beschäftigt bist.