Kenia auf den Zahn gefühlt

#1 von carlos , 02.11.2011 22:30

Mittweidaer kümmert sich um medizinische Betreuung von Menschen in armen Gebieten

Mittweida. Da stand er nun. Mit einem Koffer, voll gepackt mit medizinischen Handschuhen, Zahnarztutensilien, Medikamenten, den wenigen Habseligkeiten, von denen er meinte, er könne sie in der Fremde gebrauchen und einem großen Beutel mit kleinen Geschenken. Ja, er hatte sich gut vorbereitet. Hatte bei Kollegen und Freunden gefragt, was man für so einen Einsatz als Zahnarzt in Kenia braucht. Dr. Bernd Benedix aus Mittweida wusste alles - nur eines nicht: Wie um Himmels Willen begrüßt man eine Nonne? Denn von eben solch einer sollte er am Flughafen in Kisumu, der drittgrößten Stadt Kenias, abgeholt werden. Minuten wurden zu Stunden. Dann die Erlösung: Lawrencia, die Nonne eines Franziskanerordens, sprang aus dem Auto und umarmte ihn. So also grüßt man eine Nonne!

Helfer aus ganz Deutschland

Noch heute muss der Mediziner schmunzeln, wenn er an die erste Begegnung in Afrika denkt. Die liegt nun schon zwei Jahre zurück. Inzwischen war er das zweite Mal in Kenia, in diesem Sommer. Und er hat sich infiziert! Nein, nicht mit einer Krankheit. Er hat sich das "Afrikavirus' eingefangen", soll heißen, er wird wohl immer wieder fahren.

So wie ihm geht es vielen, die mit dem Verein "Dentists for Africa" - zu deutsch: "Zahnärzte für Afrika" - in Kenia waren. Und das waren bisher etwa 500 Zahnärzte, Ärzte, Assistenten, Krankenschwestern und Zahntechniker. Hans-Joachim Schinkel, Thüringer Zahnarzt und Gründer des Vereins, war bereits fünfzehn Mal vor Ort. Es sei immer wieder aufregend. "Sicher, der Wille, helfen zu wollen, treibt mich an. Aber es ist letztlich auch das Interesse an fremden Kulturen", gibt der 54-Jährige zu. Schinkel hat mit seinem Elan viele angesteckt - in ganz Deutschland. Bernd Benedix aus Mittweida ist 2009 auf den Verein gestoßen. "Ich war damals auf der Suche, wollte Menschen in armen Regionen der Welt helfen." Doch einfach so an Spendenaktionen teilnehmen? Nein, das war es nicht. "Ich wollte verfolgen können, wo und wie meine Hilfe ankommt." Bei seinen Recherchen fand er den Ärzte-Verein. "Das war es! Helfen vor Ort und das auch noch mit dem eigenen Beruf."

Der Arzt sitzt in seiner Praxis im Mittelsächsischen und blättert in einem Fotoalbum. Klar, er könnte auch den Computer "aufschlagen", doch sein Gegenüber ist froh über die althergebrachte Bilderschau. "Hier, das ist die zahnärztliche Station, die der Verein im Jahr 2000 im Hospital in Nyabondo, unserem Basiscamp, eingerichtet hat." Und da lächelt dann auch Lawrencia, jene Nonne vom Franziskanerorden "The Franciscan Sisters of St. Joseph", der das Hospital führt, von einem der Fotos. "Das ist es, was mich stets aufs Neue berührt. Die Kenianer sind bitter arm, aber trotzdem immer freundlich und aufgeschlossen", sagt Benedix. "Sie haben Stolz."

Ein paar Fotoalben-Seiten weiter zeigt er, was er meint: Ein Patient hat sich für den Zahnarztbesuch fein gemacht. Er trägt ein grünes Sakko, am Revers eine große Brosche, Schlips und Hut. Bendix lächelt: "Auch wenn die Kleidung sicher ewig kein Wasser gesehen hat, für diesen Mann ist sie der ,Sonntagsstaat'."

carlos  
carlos
Beiträge: 2.784
Registriert am: 08.06.2010


RE: Kenia auf den Zahn gefühlt

#2 von carlos , 02.11.2011 22:31

Ein Arbeitsplatz im Freien

Oft fahren die Ärzte mit ihren kenianischen Helfern zu Patienten aufs Land. Der Arbeitsplatz im Freien: ein Baum, ein Stoffdach zwischen den Ästen, ein Holzstuhl, ein Eimer zum Spucken. Manchmal etwas komfortabler: ein Podest, ein Blechdach, ein Stuhl, ein Eimer. Wohl wissend, dass oft der Strom weg ist, hat das weiße Auto mit der Aufschrift "Dentists for Africa" stets einen Generator an Bord. Improvisieren gehört zum Alltag. "Wir mussten einem Mann eine Wurzel ziehen. Nur womit? Es fehlten die nötigen medizinischen Geräte." Doch wie war das? Improvisation ist alles: Aus einem medizinischen Hebel wurde ein Meißel, aus einer Zange ein Hammer. Eine Stunde hat es gedauert. Der Mann war tapfer.

Mittlerweile fühlen die Mediziner aus Deutschland in neun "Vereins-Praxen" gemeinsam mit den Helfern vor Ort Kenianern auf den Zahn. "Die zehnte Praxis entsteht gerade im Slum von Nakuru", berichtet Hans-Joachim Schinkel. "Die Behandlungseinheit - also der Stuhl mit allem Drum und Dran - hat die Missionszentrale der Franziskaner in Bonn bezahlt. Weitere Geräte und Materialien sind schon vor Ort. Erste Behandlungen hat Julian, die verantwortliche Franziskanerin, bereits organisiert." In zwei Ambulanzen arbeiten die angelernten Kräfte bereits selbstständig, in den anderen unterstützen sie die Mediziner des Vereins. Ziel ist es, dass alle Einrichtungen einmal von Kenianer übernommen werden. Deshalb kümmert sich der Verein auch um die Ausbildung. Gegenwärtig finanziert er das Zahnmedizinstudium einer Franziskanerin. "Sie wird später in unseren Praxen arbeiten und bei der Ausbildung ihrer Landsleute helfen", sagt Schinkel. Prophylaxe, Aufklärung ist gefragt, damit es den Kindern einmal nicht so geht wie den Erwachsenen heute. "Bei ihnen hilft meistens nur noch das Ziehen der Zähne", so Benedix.

carlos  
carlos
Beiträge: 2.784
Registriert am: 08.06.2010


RE: Kenia auf den Zahn gefühlt Vater auf Zeit

#3 von carlos , 02.11.2011 22:32

Doch die Ärzte fühlen Kenia auch sonst auf den Zahn. Sie sehen das Leben, jenes Unheil, das zum Beispiel Aids über Afrika gebracht hat. Rund 17 Prozent der Bevölkerung leidet unter der Immunschwäche, die inzwischen tausende Waisenkinder zurückgelassen hat. Der Verein hat ein Patenschaftsprojekt für die Mädchen und Jungen auf den Weg gebracht. "Wir sind ständig auf der Suche nach Paten", sagt Schinkel. Bernd Benedix ist Pate. Er kümmert sich um die 12-jährige Mercy Cherotich Korgoren. "Ihr Vater ist an Aids gestorben, die Mutter ist krank. Die Verwandten, bei denen sie untergekommen ist, haben selbst nichts. Schon gar kein Schulgeld."

Der Doktor hält ein Foto in den Händen. Das ist Mercy. Wenn ich sie anschaue, weiß ich, die Arbeit lohnt sich", sagt er nachdenklich. 380 Euro spendet der Mittweidaer im Jahr. So kann Mercy eine Schule mit Internat besuchen. "Das ist wichtig. Denn wenn sie nach dem Unterricht nachhause gehen würde, müsste sie arbeiten. Da hätte sie keine Zeit zum Lernen." Doch Mercy lernt. Und gut! Das weiß Bernd Benedix aus den Briefchen, die er behutsam aufbewahrt. Es sind nur ein paar Zeilen, ein paar Worte in Englisch, manchmal auch Französisch, die von guten Lernergebnissen erzählen. Und dann sagt der Arzt etwas verlegen: "Sie schreibt, dass sie froh ist, wieder einen Vater zu haben."

Wie gesagt, das "Afrikavirus" hält den Arzt auf Trab. Und so wird Bernd Benedix 2012 in seinem Urlaub wieder auf Reisen gehen. Und dann wird er Mercy besuchen, zu Hause bei ihrer Großfamilie.

carlos  
carlos
Beiträge: 2.784
Registriert am: 08.06.2010


RE: Kenia auf den Zahn gefühlt Vater auf Zeit

#4 von carlos , 02.11.2011 22:32

Stichwort: Dentists for Africa

Gründung: 1999 wurde der Verein als "Arzt und Zahnarzthilfe Kenia" von Thüringer Zahnärzten gegründet. Ziel ist es, die kenianische Bevölkerung in zahnärztlicher, medizinischer und sozialer Hinsicht zu unterstützen, um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. 2010 wurde der Namen des Vereins in "Dentists for Africa" geändert.

Die Projekte: Neben dem Zahnarztprojekt für mittellose Kenianer, eine Krankenversicherung gibt es nicht, betreibt der Verein noch ein Patenschaftsprojekt. Ein ehrenamtliches Team von Franziskaner-Nonnen und einheimischen Witwen wählt nach gemeinsam erstellten Kriterien Waisenkinder aus, die eine Förderung erhalten. Sie sorgen auch dafür, dass zwischen dem Paten und dem Patenkind ein persönlicher Briefkontakt entsteht. Darüber hinaus gibt es das Witwendorf St. Monica: Ein Zusammenschluss von etwa 700 Witwen, die nach dem Tod ihrer Lebenspartner aufgrund der durch Tradition geprägten Stammesgemeinschaft keine Zukunftsperspektive mehr haben. Im Dorf gibt es etwa eine Leihbücherei, einen Petroleumladen, eine Schneiderei und eine Gaststätte.

Finanzierung: Sie erfolgt ausschließlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Zudem hilft eine Edelmetallsammelaktion. Zahnärzte und alle, die Schmuck- oder Zahngold spenden möchten, sind gefragt. Die nächste Jahreshauptversammlung des Vereins findet am 5. November in Leipzig statt. www.azhk.de

carlos  
carlos
Beiträge: 2.784
Registriert am: 08.06.2010


   

Famulaturbericht Kenia
KaVo unterstützt Arzt- und Zahnarzthilfe Kenya e.V.

Xobor Einfach ein eigenes Xobor Forum erstellen
Datenschutz