Wie die gute Absicht in Kenia scheitert
Von Horand Knaup und Laura Koch
Entwicklungshilfe: Wildwest in Kenia
Fotos
Eckart Enkemann
Die Idee war vorbildlich: Deutsche Spender bringen viel Geld auf und bauen ein Gymnasium in Nairobi. Leider unterschätzen sie die Macht der Korruption in Kenia - die Schule wird zweimal komplett zerstört. Der Fall zeigt, wie gut gemeinte Entwicklungshilfe missglücken kann.
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Entwicklungshilfe kann so schön sein: Anfang 2009 wird im Stadtteil Donholm im Osten Nairobis ein Fest gefeiert. Die Nachbarschaft hat sich versammelt, um ein neues Schulgebäude einzuweihen. In den gelösten Gesichtern spiegelt sich die Hoffnung auf ein besonderes Gut - Bildung.
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Unter den Gästen ist auch der Deutsche Eckart Enkemann, 78. Es war nicht leicht, die 80.000 Euro für den Bau eines Gymnasiums im fernen Kenia aufzutreiben. 260 Schüler sollen in der Schule unterkommen. Etliche Stunden unbezahlter Arbeit liegen hinter Enkemann, Wochen und Monate voller Telefonate, Vorträge und Sammelaktionen. Enkemann ist Mitglied im Bürgerkomitee für Entwicklungszusammenarbeit in Steinhagen bei Bielefeld und verantwortlich für das Projekt in Kenia.
Bei der "Mother of Mercy"-Schule in Nairobi waren sich die Steinhagener sicher: Mit den Spenden würden sie den Kindern aus den angrenzenden Slums eine Zukunftschance eröffnen können. Auch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) war angetan und ließ seine Unterorganisation "Inwent" 10.000 Euro für Schulbänke beisteuern.
Entwicklungshilfe kann so grausam sein: Ein Jahr nach der Eröffnung, am 20. März 2010, liegt das Schulgebäude zu großen Teilen in Trümmern. Die Helferidylle wurde durch einen rabiaten Überfall jäh zerstört: Kurz nach Mitternacht hatten Dutzende von Jugendlichen das Gelände gestürmt, ein Bulldozer hatte Mauern und Dächer eingerissen, die Hälfte des Schulgebäudes war in sich zusammengestürzt. Zwei Dutzend Schülerinnen, die in dem Komplex schliefen und wohnten, konnten sich gerade noch ins Freie retten.
Die Polizei nimmt zwanzig junge Männer fest
Die Polizei taucht erst Stunden nach dem Überfall auf - obwohl der nächste Polizeiposten nur zwei Kilometer entfernt liegt. Immerhin, sie verhaftet rund 20 junge Männer aus der Umgebung. Zwei Monate später, Anfang Mai 2010, schlagen die Täter erneut zu, reißen weitere Wände und den Sanitärtrakt ein. Dieses Mal bleibt die Polizei erfolglos. Doch der Schulbetrieb geht weiter, Lehrer und Schüler trotzen ihrer Angst.
Und dann, vor wenigen Tagen in der Nacht vom 20. auf den 21. April, der finale Akt: Wieder stürmen mitten in der Nacht Dutzende von Männern auf das Gelände. Diesmal bringen sie nicht nur einen Bulldozer auf einem Tieflader mit, sondern auch mehrere Dutzend Polizisten, die ihr Tun absichern. Diesmal machen sie Tabula rasa, sie reißen alles nieder, was noch irgendwie Bestand hat. Der vormalige Ort der Bildung und Erziehung - danach ist er eine Trümmerwüste.
Wieder einmal wollten reiche Europäer armen Afrikanern helfen. Sie wollten weniger Privilegierten unter die Arme greifen, einen Ausgleich schaffen und den Fortschritt auf dem ärmsten der Kontinente vorantreiben. Und sie wollten nicht zuletzt etwas fürs eigene Gewissen tun.
Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht
Aber Hilfe ist eine komplexe Sache, und gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Denn so sehr sich die einen engagieren, und so sehr sich die anderen Hilfe wünschen - das Scheitern ist nur zu oft Teil des Programms.
Vor Ort treffen die Helfer auf Probleme, Bräuche und Konflikte, von denen sie zu Hause nicht die geringste Ahnung hatten. Denn kaum treten sie auf den Plan, verändert sich alles: Die Erwartungen der Empfänger explodieren, die Preise auch, für Mieten und Grundstücke genauso wie für Ersatzteile und Löhne. Mal sind die Baumaterialien von miserabler Qualität, mal die Arbeitsleistungen. Hier sind Landkonflikte ungelöst, dort streiten an frisch gebohrten Brunnen Menschen und Tiere ums Wasser, und auch schicke, neue Schulen nützen wenig, wenn es keine Schulbücher gibt und die Lehrer keinen regelmäßigen Lohn erhalten.
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Nicht selten versickert das Spendengeld auf undurchsichtige Weise. Dann kommt es vor, dass hartnäckige Nachforschungen durch ein plötzliches Feuer im Büro mit der Vernichtung sämtlicher Unterlagen enden. Auch Pop-Ikone Madonna, die in Malawi ein Schulhaus für Mädchen erstellen wollte, zahlte bitteres Lehrgeld: Knapp vier Millionen Dollar, so stellte sich kürzlich heraus, soll ihr Verwalter unterschlagen haben, Madonna hat das Projekt eingestellt.
In der Deutschen Botschaft in Nairobi haben die Diplomaten alle Hände voll zu tun, um hilfswillige Philanthropen auf mögliche Risiken und Tücken ihres Engagements hinzuweisen. Auch dort ist der Fall der "Mother-of-Mercy-Schule" bekannt. "So weit wir wissen, ist die Landfrage nicht geklärt", sagt ein Diplomat.
Aber den wildwest-reifen Umtrieben wirklich auf den Grund gehen will niemand. In der Polizeistation von Buruburu, zuständig für Donholm, soll sich das Criminal Investigation Department um den Fall kümmern. Angesiedelt ist das C.I.D. im Erdgeschoss, Zimmer 21. Wenn man eintritt, schreckt man drei Beamte beim Zeitunglesen auf. Ja, durchaus, der Fall sei bekannt, sagt einer. Ja, einige Täter seien verhaftet worden. Aber, leider, leider, sei es ein laufendes Verfahren, und deshalb könne man überhaupt keine Auskunft geben. Dann widmet sich das wackere Trio wieder der Lektüre.