Bargteheiderin engagiert sich
Leonore Munoz-Jimenez stürzte beim Klettern und überlebte nur mit Glück. Ein schwerer Unfall, der sie zur Helferin machte.
Bargteheide. „Zehn Meter freier Fall und nur ein Gedanke: Gleich bist du tot.“ An einem Punkt, wo das Leben der Bargteheiderin Leonore Munoz-Jimenez hätte enden können, fing ihre Geschichte erst an. Die 53 Jahre alte Zahntechnikerin hat das einschneidende Erlebnis eines Kletterunfalls genutzt, um langgehegte Wünsche zu realisieren. Ganz oben auf der To-do-Liste stand ihr Traum, sich für Menschen in Afrika zu engagieren. Diesen hat sie nun mit der Organisation „Zahnärzte ohne Grenzen“ umgesetzt.
„Ich habe den Gedanken lange vor mir hergeschoben uns immer zahlreiche Gründe gefunden, warum es gerade nicht klappt“, sagt Leonore Munoz-Jimenez. Die Renovierung des Hauses, ihre Hunde – irgendetwas sei immer wichtiger gewesen. Bis zu einem Tag im August letzten Jahres: Wie so oft sei sie klettern gewesen, als plötzlich der oberste Sicherungshaken nicht hielt. Munoz-Jimenez fällt zehn Meter tief, rauscht mit hoher Geschwindigkeit ins Seil. „Normalerweise überlebt man den enormen Aufprall nicht“, sagt die erfahrene Kletterin. „Doch ich hatte sehr viel Glück und bin mit einer Wirbelsäulenprellung davongekommen.“
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Von da an habe sie nur noch einen Gedanken gehabt: Nicht lange reden, sondern einfach machen. Eine Liste mit persönlichen Zielen entsteht, darauf der Wunsch, Wale in Kanada zu beobachten – und mit einer Hilfsorganisation nach Afrika zu fahren. Die gelernte Zahntechnikerin bewirbt sich bei „Zahnärzte ohne Grenzen“ und wird für einen Einsatz in Sambia eingeteilt. Die persönlichen Kosten: knapp 4000 Euro und zweieinhalb Wochen vom Jahresurlaub.
Ob es nicht auch in Deutschland genug Möglichkeiten gebe, um sich zu engagieren? „Sicherlich“, gibt Leonore Munoz-Jimenez zu. Was sie in die Ferne treibe, sei jedoch die Abscheu vor der westlichen Luxus-Gesellschaft, die ihrem Handy mehr Beachtung schenke, als dem Gegenüber. „Es ist für mich unvorstellbar, wie sich Menschen am Elend und Unglück anderer ergötzen können“, sagt die gelernte Zahntechnikerin. „Dabei sollte es selbstverständlich sein, bei einem Unfall zu helfen, statt die Opfer auch noch zu filmen.“
Das Ärzte-Team startete im April
Das Team – eine Gruppe bestehend aus drei Zahnärzten, einer Zahnarzthelferin und zwei Zahntechnikern – startete im April. Über Dubai ging es mit dem Flugzeug nach Lusaka, Hauptstadt von Sambia, und von dort vier Stunden über Land in die Kleinstadt Siavonga.
Durch das Ende der Regenzeit seien die Straßen noch von Schlaglöchern übersäht gewesen, sagt Munoz-Jimenez. „Das letzte Stück Fahrt war eine holprige Angelegenheit und wir sind völlig fertig angekommen.“
Zwei Tage später startete der Einsatz und von da an ging es Schlag auf Schlag. Während die Ärzte vor allem Zähne ziehen mussten, konzentrierten sich die Zahntechniker darauf, Prothesen für die Frontzähne herzustellen. Dabei ging es vor allem darum, das Schlimmste zu verhindern. Doch für weiterführende Arbeiten sei die Ausstattung in Krankenhaus und Labor nicht ausreichend gewesen. Viele Menschen kämen zu Fuß aus bis zu 30 Kilometern entfernten Dörfern in die Stadt, andere würden mit mobilen Einheiten direkt vor Ort behandelt – auf einem Gartenstuhl bei 40 Grad im Schatten.
Zähne sind wichtig für Zukunft der Mädchen
„Bei jungen Mädchen sind die Frontzähne entscheidend“, sagt die Zahntechnikerin. „Sie haben dadurch wesentlich bessere Chancen auf dem Heiratsmarkt und eine Perspektive für ihre Zukunft.“ Die Arbeit sei zunächst der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Vor allem in den Ortschaften entlang der Hauptstraßen sei Karies mittlerweile weit verbreitet, da Touristen an die Kinder gerne Süßigkeiten verteilten. Doch das Projekt sei nicht nur als Hilfsmaßnahme gedacht, sondern soll auf lange Sicht die Strukturen im Land aufbauen. Einheimische Zahnärzte und Helferinnen werden bereits ausgebildet. Munoz-Jimenez hoffe, dass bald auch eine Ausbildung zum Zahntechniker dazukommt und sagt: „Das Gefühl der Ohnmacht ist teilweise groß und es scheint zunächst so, als ob man wenig bewirken kann.“ Der erste Schritt sei jedoch gemacht.
Wider Erwarten sei der Zuspruch in Deutschland für das Hilfsprojekt groß gewesen. Ein Umstand, der die Bargteheiderin mit ihrer Heimat versöhnt und für ihre schlechten Erfahrungen entschädigt habe. Wenigstens zum Teil.
Viele Bekannte, so erzielt sie, hätten sie für ihren Mut gelobt. Es kamen zahlreiche Sachspenden zusammen und ihr Arbeitgeber habe sogar Urlaub beigesteuert. „Ich diskutieren viel mit Freunden und versuche, eine Inspiration für alle zu sein, die sich ebenfalls engagieren wollen“, sagt Munoz-Jimenez. „Jeder kann etwas verändern. Und sei es nur im eigenen, kleinen Umfeld.“
Info: Das ist der Verein „Zahnärzte ohne Grenzen“
Der Verein „Zahnärzte ohne Grenzen“ verfolgt das Ziel, hilfsbereiten Zahnärzten und ihren Helfern den bürokratischen Aufwand abzunehmen, damit sie sich ausschließlich auf ihre Hilfsprojekte konzentrieren können. Die gemeinnützige Stiftung versteht sich als Servicestelle für Einsatzteams vor Ort, stellt mobile Behandlungseinheiten zur Verfügung und organisiert feste Behandlungsstationen, zahnmedizinische Werkzeuge und deren Transport in die Einsatzgebiete in Namibia, Togo, Sambia oder auf den Kapverden. Die Stiftung ist auf Sach- und Geldspenden angewiesen: Zahnärzte ohne Grenzen e.V., Evangelische Bank, BAN: DE16 5206 0410 0005 0161 69