Das südafrikanische Land Sambia ist zahnmedizinisch stark unterversorgt. Dr. Doris Koppelhuber aus St. Wolfgang engagierte sich dort im Rahmen der Zahnärzte ohne Grenzen.
Sambia/St. Wolfgang– Im ganzen Land gibt es bloß 70 Zahnärzte, ein Drittel der Bevölkerung ist gar nicht versorgt. Die Rede ist von Sambia, einem 17-Millionen-Einwohner-Land mitten in Afrika. Allein diese Zahlen waren für die St. Wolfgangerin Dr. Doris Koppelhuber Grund genug, dort als Zahnärztin hinzufahren – mit 400 Zahnbürsten im Gepäck.
„An einem Tag kam ein 1,90-Mann zu mir, der Sechser Backenzahn war total zerstört, der musste also raus”, erinnert sich Koppelhuber an einen ganz besonderen Patienten. Doch der Zahn steckte im kräftigen Knochen des Sambiers fest, es fehlte die passende Zange, der provisorische Zahnarztstuhl rutschte permanent zur Seite. „Da hab’ ich eine Stunde lang hingefräst, bis der Zahn endlich raus war“, erzählt die Medizinerin. Anschließend waren sowohl die Zahnärztin als auch der Patient erschöpft, aber gleichzeitig erleichtert.
Zahnpflege ohne Strom, ohne Wasser und auf Gartenstühlen
Es sind extreme Bedingungen, unter denen Koppelhuber arbeitete. Die St. Wolfgangerin war für „Zahnärzte ohne Grenzen” zwei Wochen in Sambia. Gemeinsam mit einem Hamburger Zahnarzt plus einer Helferin und einem Helfer, hat sie in dem südafrikanischen Land rund um den Ort Siavonga kaputte Zähne gezogen, Zahnstein entfernt, Füllungen gemacht und Schulkindern das Zähneputzen näher gebracht. Meist ohne Strom, oft ohne Wasser, gelegentlich auf Gartenstühlen – da hieß es, sich schnell von deutschen Hygienevorschriften zu verabschieden. Und das in einem Land, in dem die HIV-Infektionsrate zu den höchsten weltweit zählt und Malaria ganzjährig ein hohes Risiko darstellt.
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Die Liste der medizinischen Hinweise des Auswärtigen Amts ist lang. „Ich habe mich da schnell darauf eingestellt”, erzählt die Ärztin – sowohl auf professioneller wie auch auf privater Ebene, wenn eben aus der Dusche nur drei Strahlen Wasser kamen. Sie braucht keineswegs das große Beauty-Programm – auch wenn sie gerade top gestylt mit Jeansjacke über der Bluse, Hose mit Blütenapplikationen über ihren ersten Einsatz für „Zahnärzte ohne Grenzen“ spricht.
„Ich wollte schon als Studentin in unterversorgten Ländern helfen“
Schockiert habe sie in Sambia gar nichts. Ähnliches kannte sie bereits aus einem Charity-Projekt in Marokko 2012. Ohnehin ist die St. Wolfgangerin eine unerschrockene Frau. Zu viel über alle möglichen Risiken nachzudenken, davon hält sie nichts. Voller Tatendrang packt sie lieber engagiert an – mit dem Herz am rechten Fleck und den Zahnarzt-Instrumenten in der Hand. „Ich wollte schon als Studentin in unterversorgten Ländern helfen”, sagt Koppelhuber über ihre Motivation. Etwas weitergeben von dem, was sie hat. Jetzt habe sie endlich Zeit dafür.
Mit 60 tritt sie in der eigenen Praxis kürzer, arbeitet dort nur noch einen Tag in der Woche. Die Medizinerin gehört zu einer Zahnarzt-Familie, führt zusammen mit ihrem Mann Gerd die Praxis in St. Wolfgang, die seine Großeltern gegründet hatten. Jetzt übernimmt ihre Tochter Stephanie in vierter Generation, worüber sie sehr glücklich ist. Mehr Zeit für Doris Koppelhuber, Oma zu sein und Gutes zu tun.
Mit 400 Zahnbürsten im Koffer nach Afrika
Und die Ärztin hat nicht nur Zeit, sondern leistet es sich jetzt auch. Denn wer im Namen des Vereins „Zahnärzte ohne Grenzen“ hilft, bezahlt alles von Arzneien über Flug bis Visum selbst. Da kommen durchaus 2000 bis 3000 Euro zusammen. Im Gepäck hatte die Zahnärztin nicht nur medizinische Geräte wie einen Dampfdrucktopf (notwendig für Prothesenherstellung), sondern auch etwa 400 Zahnbürsten und Zahnseide. Denn häufig fehlt es schon am Grundlegenden.
Wer sich in Deutschland in einen hochmodernen Zahnarztstuhl setzt, wird von einem der über 70 000 Zahnärzte schnell in die passende Position gefahren: Kopf nach unten, Beine hoch, die Scheinwerfer beleuchten das Gebiss, und mit sterilen Instrumenten werden Zähne gereinigt, Löcher gestopft. Anschließend spülen die Patienten mit sauberem Wasser aus der Leitung den Mund aus. Ganz anders in Sambia: „Hier kamen wir oft in Schulen oder medizinische Stationen, und da war einfach nichts”, beschreibt Koppelhuber. Manchmal gab es aus Spenden professionelle Zahnarztstühle. Doch ohne Strom war der Komfort beschränkt. „Schaun’ Sie, so schaut des da aus” und ihre Finger mit rot lackierten Nägeln flitzen auf dem iPhone über die Serie aus Fotos.
Muskelkater vom Zähneziehen
Unter diesen Gegebenheiten bauten die Zahnärztin und ihr kleines Team ihr Equipment auf. Die Menschen standen seit dem frühen Morgen Schlange, um sich behandeln zu lassen. Ganz geduldig warteten die Patienten, bis sie an der Reihe waren. Kein Streit, kein Gedrängel. Das hieß manchmal, schlechte Zähne entfernen im Akkord. Einmal ging das sechs Stunden beinahe ohne Pause, 36 Zähne mussten raus. „Da hatte ich zum ersten Mal Muskelkater vom Zähne ziehen”, erzählt die Medizinerin lachend.
Ihre gute Laune hat sie trotz der katastrophalen Zustände in Afrika nicht verloren. Im Gegenteil spornte sie der Einsatz an, erst recht weiterzumachen. „Am meisten hat mich fasziniert, dass alles geklappt hat”, sagt die St. Wolfgangerin. „In vielen Situationen hätte ich daheim meinen Mann dazu geholt oder den Patienten zum Chirurgen geschickt. Es ist toll, was alles möglich ist, wenn es sein muss.”
Als das Wichtigste für die Menschen in Sambia sieht die Ärztin die Prophylaxe. Wenn sie lernten, ihre Zähne sauber zu halten, wäre schon viel für die Zahngesundheit getan. „Es ist ein gutes Gefühl, Menschen zu helfen, denen sonst niemand hilft”, fasst Doris Koppelhuber zusammen. „Mein Traum ist es, mehr zahnärztliche Stationen aufzubauen.”
Ein Drittel der Bevölkerung ist zahnmedizinisch nicht versorgt
Sambia ist dreimal so groß wie Deutschland. Seit 1964 ist Sambia unabhängig vom Vereinigten Königreich und wird jetzt vom sechsten demokratisch gewählten Präsidenten, Edgar Lungu, regiert. Sambia hat gut 17 Millionen Einwohner, davon leben etwa zwei Millionen in der Hauptstadt Lusaka. Es gibt noch sieben weitere große Städte zwischen 150 000 und 300 000 Einwohnern. Das Land hat 72 Volksstämme, also 72 Sprachen. Die Amtssprache ist Englisch.
Ein Drittel der Bevölkerung Sambias ist zahnmedizinisch nicht versorgt. Im ganzen Land gibt es 70 akademische Zahnärzte, davon 50 in Lusaka. Außerdem gibt es 200 dental therapists. Diese durchlaufen eine dezentral organisierte dreijährige Ausbildung, ähnlich einem dualen Studium. Anschließend können sie etwa Prophylaxen mit Fluoridierung und Zahnreinigungen durchführen, ebenso Anästhesien und Extraktionen (Zähne ziehen). Sie sind besonders für die ländliche Bevölkerung die erste Anlaufstelle.
Seit fünf Jahren gibt es Helferinnen-Kurse, in denen die Teilnehmerinnen beispielsweise lernen, Zahnstein zu entfernen oder Zähne zu ziehen. Aktuell sind etwa 50 Helferinnen ausgebildet.
Seit 1969 lebt der Bayer Hermann Striedl in Sambia, seit 1989 gibt es die Lodge Sandy Beach in Siavonga, die „Zahnärzte ohne Grenzen” (Dentists without Limits) als Basis dient. Eine gewisse Grundausstattung bestehend aus Sonden, Spiegeln, Injektionen und Zangen ist vor Ort. Vor sieben Jahren hat Striedl angefangen, mit „Zahnärzte ohne Grenzen” Zahnstationen aufzubauen. Es gibt zwei große und circa zehn kleine Stationen. Striedl betreut drei Bezirke von 76 in Sambia. Seine Vision ist es, diese gut zu versorgen.