Neun Tage als Retter kranker Zähne

#1 von carlos , 25.06.2016 10:35

„Nach dem Essen Zähneputzen nicht vergessen!“ Dieser Spruch ist den meisten bekannt und der Griff zur Zahnbürste schon fast ein Reflex. Doch der Oberhausener Zahnarzt Wolfgang Pehl weiß nur zu gut, dass es Länder gibt, in denen es ganz anders ist – mit fatalen Folgen für das Gebiss, insbesondere bei den Kleinsten.
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Im April reiste er ehrenamtlich für die Stiftung „Zahnärzte ohne Grenzen“ auf die kapverdische Insel Santiago vor der westafrikanischen Küste und verlegte für zwei Wochen seine Praxis in das Krankenhaus „Centro de Saude“ in Sao Domingos. Die Reisekosten trägt der Oberhausener selbst – so können Spendengelder in die medizinische Ausstattung fließen.

„Es gibt in der Kleinstadt, die auf der größten der kapverdischen Inseln liegt, keinen einzigen Zahnarzt“, erzählt Pehl über die Situation vor Ort. Bei Beschwerden müssen die Einheimischen bis in die Hauptstadt Praia fahren, knapp 20 Kilometer entfernt. „Für die meisten ist das einfach unmöglich“, sagt der Zahnarzt. Denn viele Inselbewohner verdienten gerade mal 250 Dollar im Monat. Sie würden ihre Schmerzen lieber ertragen, so lange es irgend geht, als einen Arzt aufzusuchen. Kein Wunder also, dass die Patienten jeden Tag vor der Klinik in Sao Domingos Schlange standen.

Nach einer zwölfstündigen Anreise über Lissabon endlich die ersehnte Ankunft in Praia: „Eigentlich sollten wir dort auch behandeln, wurden dann aber kurzfristig in Sao Domingos eingesetzt“, berichtet der Zahnarzt. Nahe dem örtlichen Klinikum waren die Helfer in einem Apartment untergebracht.

Am ersten Arbeitstag konnten die deutschen Ärzte das provisorische Behandlungszimmer einrichten. Zwei mobile Praxis-Sets haben sie aus der Heimat mitgebracht. Inhalt: Bohrer, Absauger und Liege. Das Vorzimmer nutzte das Team als Lagerraum für restliche Materialien und zur Sterilisation der Instrumente. Gearbeitet wurde mit Stirnlampen. „Bei 35 Grad im Raum haben wir unter erschwerten Bedingungen gearbeitet“, berichtet der Zahnarzt.
Täglich fast 30 Zähne gezogen

Neun Tage behandelte Pehl mit seinem Team vom Morgen bis zum frühen Abend täglich etwa 25 Patienten – insgesamt 299 Personen im Alter von zwei bis 80 Jahren, darunter hauptsächlich Kinder. „Erschreckend viele litten unter starkem Karies, Frontalzahn-Traumata oder enormen Zahnstein“, so der Arzt. In dem behelfsmäßig eingerichteten Krankenzimmer zogen die Mediziner 267 Zähne, füllten 144 Zähne auf und entfernten bei 49 Patienten Zahnstein.
Kapverden
Reiseziel und Entwicklungsland

Die Kapverdischen Inseln liegen im Atlantik vor der Küste Westafrikas in Höhe des Senegal. Knapp eine halbe Million Menschen leben auf den 15 Inseln des seit 41 Jahren von Portugal unabhängigen Staates.

Vor der Entdeckung durch die Portugiesen war die Inselgruppe unbewohnt. Aus der Durchmischung der Kulturen europäischer Siedler und afrikanischer Sklaven bildete sich die kreolische Kultur. „Krioulo“ unterscheidet sich stark vom Portugiesischen des Festlandes: Selbst zwischen den einzelnen Inseldialekten kann die Verständigung schwierig werden.

Der Tourismus entwickelt sich als Wirtschaftszweig – neben den Devisen, die viele Auswanderer ihren Familien schicken. Als zweites afrikanisches Land nach Bots­wana wurde Kap Verde vom wenig entwickelten Land zum Land mittlerer Einkommen hochgestuft.

Zwei Jungen wurden ausgeschlagene Zähne wiederhergestellt und drei Operationen durchgeführt. „Es ist erstaunlich, wie ruhig die Kinder die Behandlung über sich ergehen lassen“, sagt Pehl. In der kleinen Klinik nahmen die Zahnärzte Behandlungen im Wert von insgesamt rund 25 000 Euro vor.

Um schon die Kleinsten über die richtige Mundhygiene aufzuklären, besuchte das Ärzteteam am letzten Behandlungstag die Schule „O Meu Futuro“ weit ab der Hauptstadt Praia. 80 Kinder der ersten bis fünften Klasse wurde der richtige Umgang mit der Zahnbürste gezeigt. „Viele haben sowas zum ersten Mal gesehen. Keines der Kinder war vorher schon mal bei einem Zahnarzt – Vorsorge gibt es hier einfach nicht.“

Warum zieht es den Zahnarzt zu einem derartigen Einsatz in einem entlegenen Winkel der Welt? „Die Menschen sind unheimlich dankbar und schon mit kleinen Dingen zufrieden. Außerdem lernt man das Land von einer ganz anderen Seite kennen.“ Und der nächste Einsatz ist bereits ins Auge gefasst: Nach Ecuador oder Peru soll es gehen.

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RE: Neun Tage als Retter kranker Zähne

#2 von carlos , 25.06.2016 10:35

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