Die Unterstützung deutscher Zahnmedizinstudenten ist eine feste Größe im Südsee-Inselstaat Tonga. Die Studenten helfen gerne - u

#1 von carlos , 14.08.2010 22:26

Zähne ziehen in der Südsee

Die Unterstützung deutscher Zahnmedizinstudenten ist eine feste Größe im Südsee-Inselstaat Tonga. Die Studenten helfen gerne - und freuen sich über die Praxiserfahrung

Zieht ein Tongaer die Augenbrauen hoch, signalisiert das Zustimmung. "Für einen Zahnarzt ist das gut zu wissen", sagt Bernhard Klingler, "schließlich können die Patienten nicht sprechen, wenn man die Hände in ihrem Mund hat." Es dauerte jedoch einige Zeit, bis der 26-Jährige die Bedeutung dieser Geste entziffern lernte. "Am Anfang dachte ich immer, sie hätten meine Frage nicht verstanden und würden die Augenbrauen hochziehen, weil sie wollen, dass ich die Frage wiederhole. Ich habe sie dann oft fünfmal hintereinander gefragt, ob es ihnen wehtut. Die müssen echt gedacht haben, ich hab sie nicht mehr alle."
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Bernhard studiert Zahnmedizin in Rostock und ging für seine Famulatur für zwei Monate in den Südsee-Inselstaat Tonga. Die hochgezogenen Augenbrauen waren nicht das einzige Verständigungsproblem, auf das er dort stieß. "Die kleinen Kinder hatten immer große Angst vor Weißen, manche sind sogar schreiend weggelaufen."

Anne-Kathrin Bliedtner, die von Februar bis März 2009 zur Famulatur auf Tonga war, hat das auch erlebt. "Die ängstlichen Kinder zu beruhigen war nicht gerade einfach, zumal wenn man die Sprache nicht beherrscht", sagt die 27-Jährige. "Glücklicherweise sprechen aber die meisten Tongaer Englisch und nach kurzer Zeit konnte ich auch ein paar wichtige Wörter wie ‚Schmerzen", ‚ausspucken’ oder ‚Mund aufmachen’ auf Tongaisch. Das hat mir die Kommunikation erheblich erleichtert."

Tonga liegt von Deutschland aus gesehen auf der anderen Seite des Erdballs – rund 20.000 Kilometer oder 30 Flugstunden entfernt. Trotzdem sind Anne-Kathrin Bliedtner und Bernhard Klingler nicht die einzigen deutschen Zahnmedizinstudenten, die eine Famulatur in dem Südsee-Staat absolviert haben – aber sie gehören einer Minderheit an. Nur etwas mehr als ein Prozent aller deutschen Zahnmedizinstudenten machen nach Informationen des Zahnmedizinischen Austauschdienstes (ZAD) überhaupt eine Famulatur im Ausland. "Anders als bei Medizinstudenten ist die Famulatur bei Zahnmedizinstudenten eine freiwillige Angelegenheit, für die in dem sehr verschulten Studiumsplan nur ein sehr kleines Zeitfenster bleibt", erklärt ZAD-Geschäftsführer Thomas Walber.

In Tonga ist die Arbeit der deutschen Studenten gut angesehen. "Wir beschäftigen sie hier gerne, denn sie können schon sehr viel und arbeiten selbstständig", sagt der zuständige Chefarzt der Zahnklinik, Amanaki Fakakovikaetau. "Ich höre von vielen Leuten, dass sie gute Arbeit machen", bestätigt auch Weena Ghahramani, die die Pension "Ali Baba’s Guest House" in der Hauptstadt Nuku’alofa betreibt, in der viele der Studenten unterkommen. "Fast jeder hier auf Tonga kennt die ‚german dental students’ – sie sind schon so etwas wie eine Institution."

Die meisten der deutschen Zahnmedizinstudenten stoßen im Internet auf die Möglichkeit einer Famulatur in Tonga. Über die online veröffentlichten Erfahrungsberichte früherer Famulanten hat sich auch eine Besonderheit der Arbeit in Tonga verbreitet: Hier geht es vor allem darum, Zähne zu ziehen. "Das ist der Hauptgrund, weshalb viele Zahnmedizinstudenten dorthin gehen", sagt Anne-Kathrin Bliedtner. "Man kann jeden Tag selbstständig Zähne ziehen." In Deutschland müsse wegen der guten medizinischen Bedingungen nur noch äußerst selten ein Zahn gezogen werden, sagt Meike Rahmsdorf. Die Zahnärztin war 2002 zur Famulatur auf Tonga. "Während meines gesamten Studiums in Deutschland habe ich vielleicht acht bis zehn Zähne gezogen – in Tonga innerhalb von zehn Wochen 900."

Was für die deutschen Zahnmedizinstudenten wertvolle Arbeitserfahrung bedeutet, ist gleichzeitig Ausdruck des desolaten Zustands der medizinischen Versorgung auf Tonga. "Viele der Zähne sind eigentlich erhaltungswürdig", sagt Bliedtner, "aber wegen des fehlenden Materials und weil die Patienten oft mit so großen Schmerzen kommen, ist die Extraktion dann das Therapiemittel der Wahl. Das ist schlimm." Den Menschen auf Tonga sei das aber meistens egal. "Sie sorgen sich nicht um ihre Zähne. Hauptsache die Schmerzen sind weg, auch wenn der Zahn dafür gezogen werden muss." Besonders bei Kindern und Jugendlichen sei ihr das schwer gefallen, sagt Meike Rahmsdorf. "Es war keine Seltenheit, dass ich jungen Mädchen die oberen Schneidezähne gezogen habe – mit dem Wissen, dass es auf Tonga keinen Ersatz in Form von Prothesen oder ähnlichem gibt. In Deutschland hätten diese Zähne erhalten werden können."

Zähne ziehen in der Südsee

Hinzu komme ein völlig anderes Schönheitsideal, so Rahmsdorf. "Es wird als hübsch empfunden, sich Gold-Inlays auf die Vorderzähne machen zu lassen. Häufig ist dies ein gut gemeintes Geburtstagsgeschenk für junge Mädchen. Die Menschen lassen dafür ihren Goldschmuck einschmelzen. Um das Gold einsetzen zu können, müssen oft gesunde Zähne angebohrt werden. Die Haltbarkeit dieser Inlays ist aber sehr begrenzt und das erneute Anbringen zu teuer. Deswegen sind die Vorderzähne vieler junger Menschen schon früh zerstört."
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Gewöhnen mussten sich die deutschen Zahnmedizinstudenten auch an die hygienischen Umstände in der einzigen Zahnklinik in Nuku’alofa, wo alle 100.000 Einwohner des Landes versorgt werden müssen. "Hygiene ist dort ein Fremdwort", sagt Rahmsdorf. "Es gibt nur eine einzige Toilette, die alle gemeinsam benutzen: Patienten, Gäste, Ärzte und Schwestern." Gereinigt werde einmal pro Tag. "Dazu gibt es ein einziges Stofftuch, an dem sich alle Ärzte und Schwestern zwischen den Behandlungen die Hände abtrocknen und mit dem dann abends sämtliche Oberflächen und Fußböden abgewischt werden. In der ganzen Zeit, in der ich dort war, wurde dieses Handtuch nicht einmal ausgetauscht."

Um die Situation ein wenig zu verbessern, bringen die deutschen Studenten Spenden mit nach Tonga – manche bis zu 70 Kilogramm Handschuhe, Mundschutz, Tupfer, Anästhetika, Füllungsmaterial, Desinfektionsmaterial, Zahnbürsten und Zahnpasta. "Die Organisation war einfach", sagt Bernhard Klingler, "wir haben Mails an ungefähr 100 Firmen geschrieben und die haben uns das Material geschickt." Die Freude im Krankenhaus ist immer groß. "Sie sind auf die Spenden angewiesen. Nur deswegen lassen sie wohl überhaupt so viele Studenten dort Famulatur machen."

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RE: Die Unterstützung deutscher Zahnmedizinstudenten ist eine feste Größe im Südsee-Inselstaat Tonga. Die Studenten helfen gerne - u

#2 von Driller , 18.08.2010 22:53

gut!

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