Genau ein Jahr ist es her, dass wir uns überlegten in diesen Semesterferien eine Famulatur im Ausland zu wagen. Nachdem wir etwa 15 Länder auserkoren und Bewerbungen losgeschickt hatten (per Fax und zur Sicherheit noch mal auf dem Postweg) warteten wir auf irgendeine Form von Antwort.
Das Ministery of Health des Königreiches Tonga schickte uns die schnellste positive Resonanz mit gleichzeitiger Bitte uns doch möglichst an die Dentalfirmen zu wenden und viele Spenden mitzubringen. Den geforderten Sprachtest konnten wir netterweise noch in den Ferien in der Universität absolvieren, so dass wir fast sofort mit dem Ausfüllen der Unterlagen für den ZAD beginnen konnten. Die von uns angeschriebenen Dentalfirmen haben uns großzügig mit vielen Kilos brauchbaren Materialien bedacht, so dass unsere Zimmer immer mehr Postlagern glichen, je näher der Abflugtermin rückte. Als Impfprophylaxe hatten wir neben der Auffrischung der Standardimpfungen (Diphtherie, Tetanus, Masern, Mumps, Hepatitis A+B) uns noch gegen Typhus immunisieren lassen.
Wir haben die Flugroute: Frankfurt - Los Angeles - (Samoa -) Tonga gewählt, da wir so 64 Kilogramm Gepäck mitnehmen konnten. Leider fliegt nur die Air New Zealand Tonga an, startet aber nicht mehr in Deutschland so dass wir nach Tonga nur mit verschiedenen Fluggesellschaften (Lufthansa, Air New Zealand) kommen konnten, deshalb war es unmöglich Übergepäck frei transportiert zu bekommen. So wurde das Kofferpacken zum absoluten Geduldspiel: Wir haben fast alles aus den Originalverpackungen entfernt und so klein und leicht wie möglich versucht zu verstauen.
Mit genau 64 Kilogramm Gepäck starteten wir unsere Reise in Frankfurt. Nach über 36 Stunden Reise landeten wir morgens gegen 5.30 Uhr auf dem Internationalen Flughafen von Tonga. Mit uns stiegen etwa 40 Einheimische aus, die wir gut beobachten konnten, als die ersten Gepäckstücke ausgeladen wurden. Die Tonganer - ein sonst wirklich sehr friedliches und höfliches Völkchen, das fast immer lächelt - prügelten sich fast um das ankommende Gepäck. Sehr viel später erfuhren wir von Einheimischen, dass Tonganer aus dem Ausland immer große Fresspakete mitbringen, diese sehr gerne geklaut werden und deshalb am Gepäckband des Flughafens immer großes Gedränge herrscht. Nachdem wir schlussendlich unsere Koffer vollzählig in Empfang genommen hatten, verließen wir das Flughafengebäude und hielten Ausschau nach unserem Fahrer von dem aus Deutschland vorgebuchten Guesthouse. Aber da wir in Tonga gelandet waren, wurden wir natürlich nicht abgeholt und erfuhren so von einem sehr netten Taxifahrer, dass es das Guesthouse das wir gebucht hatten gar nicht mehr in der Stadt gebe.
Aber der Taxifahrer meinte er würde ein nettes anderes Guesthouse kennen, das direkt in der Stadt liegen würde. Uns war mittlerweile fast alles egal und so brachte uns der Taxifahrer nach einer sehr langsamen (in Tonga darf innerhalb der Stadt nur 30 km/h und außerhalb 40-50 km/h gefahren werden), aber sehr informativen Fahrt (die Fahrt kostete 15 Tonga-Dollar, Amerikanische US-Dollar lassen sich auch morgens um 5.30 Uhr an einem kleinen Schalter am Flughafen in tonganisches Bargeld umtauschen), zu Misas Guesthouse. Misas Guesthouse war die letzten 11 Jahre Tonis Guesthouse, da Misa mit seiner Familie in Australien lebte um seinen Kindern eine bessere Schulbildung zu ermöglichen.
Tonis Guesthouse, was wir eigentlich gebucht hatten, musste das Haus räumen und ist nun irgendwo weit draußen im Busch. Also nicht gerade sehr vorteilhaft für uns, wenn wir jeden Tag in der Klinik arbeiten wollten. So waren wir im Nachhinein glücklich, dass wir an den netten Taxifahrer geraten waren, der uns in dem noch etwas provisorisch, aber dennoch schon eröffneten Misas Guesthouse absetzte. Unser Zimmer war klein, aber relativ sauber. Die Nacht sollte hier 12.50Tonga Dollar kosten (wenn wir länger als eine Woche blieben gäbe es Rabatt). Am Ende unsres Aufenthaltes war eine Warmwasserdusche installiert worden (wenn man Glück hatte heizte das Wasser auf 42°C auf) und noch große weitere Verbesserungen (Kühlschrank, Fernseher und Radio) waren in Planung, so dass geplant ist, die Übernachtungsgebühr auf 15 T$ zu erhöhen. Da Valu ,die Frau von Misa, die super Englisch spricht und versteht, herzensgut ist, kann man mit ihr bestimmt auch dann über Vergünstigungen verhandeln. Kochmöglichkeiten waren vorhanden und dadurch dass dieses Guesthouse wirklich sehr zentral liegt : der Markt, die Bäckerei und die Supermärkte mit Neuseeländischen Importwaren (Reis und Nudeln und vieles mehr) in guter erreichbarer Nähe lag, war es für uns von großem Vorteil hier zu leben. Wir sind so jeden Tag mit dem Bus, fährt direkt vor dem Guesthouse vorbei und musste nur von uns angehalten werden (einfach mit dem ausgestreckten Arm hoch und runter wedeln), für 40 Tonga Cent pro Person und Fahrt zum Vaiola Hospital gefahren. Der Klinikalltag fing um 8.30Uhr an. Nachdem wir allerdings 2 Mal pünktlich waren und vor noch verschlossenen Türen standen gewöhnten wir uns die Tonga-Time an, dass heißt auf alle von Tonganern ausgemachte Zeiten, erstmal mindestens 30- 60 Minuten dazurechnen und man ist immer noch pünktlich.
Die Zahnklinik besteht aus 2 Haupträumen, einem kleinen extra Behandlungsraum, einem Labor dem Büro des Dental Chef Dr Latu und dem Wartebereich. Nachdem der Patient sich an der Anmeldung bemerkbar gemacht hat, wird seine Karte in den Aufnahme- und Extraktionsraum gegeben. Er wird dann von einer der Schwestern dort aufgerufen (in Tonga werden alle Leute nur mit Vornamen aufgerufen, da sie sowieso alle miteinander verwandt sind und viele den gleichen Nachnamen haben) und betritt den Raum. Hier wird gefragt, wo und was Schmerzen bereitet und darüber entschieden was mit dem Zahn geschieht. Da in Tonga der Patient aber sehr ungern zum Zahnarzt geht, ist das häufigste Hilfsmittel nur noch die Extraktionszange. Das Ästhetikempfinden für Zähne ist in Tonga auch völlig anders als in Deutschland, so wird es als besonders hübsch empfunden sich Goldinlays auf die Vestibulärflächen der Frontzähne machen zu lassen. Da dies eine reine Privatleistung ist, wird sie nicht in der Klinik angeboten, sondern von Zahnärzten in Privatpraxen. Die Patienten lassen dort ihren Goldschmuck einschmelzen und für viel Geld auf den Frontzähne befestigen (sehr oft werden völlig intakte Vestibulärflächen angebohrt um Retentionsmöglichkeiten zu schaffen), häufig sind diese Art der Inlays gut gemeinte Geburtstagsgeschenke der Verwandtschaft an junge Mädchen. Leider ist die Haltbarkeit von dieser Art Inlay häufig nur begrenzt, das erneute Anbringen aber zu teuer, so dass gerade sehr viele Fontzähne in jungen Jahren so zerstört sind, dass in Tonga nur die Extraktionszange bleibt. Da andererseits es aber völlig normal ist, auch junge Menschen mit großen Zahnlücken im Straßenbild zu sehen, sind Prothesen sehr selten. Brücken, Kronen oder Implantate haben wir während unseres ganzen Aufenthaltes nicht einmal in Tonga zu sehen bekommen, da die Möglichkeiten der Herstellung einfach nicht gegeben sind. Ist ein Zahn wider Erwarten doch noch nicht so stark zerstört und der Patient nach Überreden bereit, wird versucht, den Zahn konservativ zu retten. Der Patient nimmt dazu erneut im Wartebereich Platz und wird von den Kollegen aus dem Füllungsraum aufgerufen. Hier wird versucht die Karies zu exkavieren, entweder mit der Turbine oder mit dem Löffelexkavator, um anschließend eine Zink-Oxid-Füllung zu legen. Da das Amalgam nur sehr begrenzt vorhanden ist, wird die Amalgamfüllung erst in der nächsten Sitzung gemacht, wenn man davon ausgehen kann, dass der Zahn ruhig bleibt und das Amalgam nicht verschwendet wird an einen Zahn, der die Behandlung nicht überlebt.