"Zur Prophylaxe kommt da keiner"
Marcus Schifferdecker war schon immer Afrika-Fan. Als Kind bestaunte er im Familienurlaub Elefanten und Nashörner, als Student lebte er einige Monate in Kapstadt. Heute engagiert sich der Emmendinger für die Hilfsorganisation Zahnärzte ohne Grenzen – und behandelt in seiner Freizeit im Hinterland von Namibia Zähne, die noch nie zuvor behandelt worden sind. "Zur Prophylaxe", sagt Schifferdecker, "kommt da keiner."
Die ersten Patienten sind bei Sonnenaufgang da. Vor der Klinik stehen sie Schlange, Dutzende von Menschen mit Schmerzen – mit tiefen schwarzen Löchern in den Zähnen, mit eitrigen Zysten im Mund. "So viel Leid gibt es bei uns nicht", erzählt Schifferdecker. "Der Unterschied ist verheerend. Es gibt Leute, die machen den Mund auf und es ist alles kaputt – du kannst da eigentlich nur noch Zähne ziehen."
Der 44-jährige Emmendinger engagiert sich seit zwei Jahren für Zahnärzte ohne Grenzen. Für diese Stiftung war er bisher dreimal in Namibia unterwegs. Weitere Touren sind fest geplant – und er versucht, Kollegen für das Bohren in der Savanne zu begeistern. "Man arbeitet in Teams, wo man die Leute vorher gar nicht kennt – und jeder fliegt hinterher nach Hause zurück und hat eine Riesenfreude, das gemacht zu haben."
Der unbezahlte Ferienjob ist nichts für jeden. Ein Zahnarzt, der in seiner Freizeit in der Steppe arbeiten will, muss vor allem eines sein: gesund. Er muss mit der trockenen Hitze klarkommen, mit langen Arbeitszeiten, mit holprigen Fahrten im Geländewagen. Er darf keine Angst vor Schlangen und der Tsetsefliege haben und muss wissen, wie man sich vor Malaria, Gelbfieber oder Tuberkulose schützt. Er darf sich nicht ärgern, wenn mal für zwei Stunden der Strom ausfällt – oder wenn lokale Bürokraten spontan entscheiden, den Ausländern mal eben die Arbeitserlaubnis zu verweigern. "LMAAA", sagt der Zahnarzt. "Lächle mehr als alle anderen."
Schifferdecker engagiert sich nicht nur als Zahnarzt in Namibia, er ist auch als Projektmanager der Stiftung für die Region zuständig und für Verhandlungen mit der Regierung zuständig. Seine Frau hilft ihm bei dieser Arbeit von Emmendingen aus, in den Einsatz begleitet sie ihn nicht. "Wir hängen in der Woche da schon 15 Stunden Arbeit rein."
Für ihn, sagt Schifferdecker, seien die Einsätze in Afrika wie Urlaub. "Das ist kein Stress, das ist absolute Erholung für mich", sagt er. Die Arbeit ist abwechslungsreich: Die Zahnärzte ohne Grenzen behandeln nicht nur, sie verschenken auch Zahnbürsten an Kinder und stehen mit Plastikgebissen vor Schulklassen, um zu erklären, wie man sich die Zähne richtig putzt. Und sie planen immer auch einige freie Tage rein. "Zweieinhalb Wochen arbeiten, vier Tage reisen", sagt Schifferdecker. "Zwei Drittel der Leute wollen hinterher nochmal runter."
Der Job in Afrika, sagt er, verändere die eigene Sichtweise – nach Einsätzen brauche er zwei Wochen, um wieder zu Hause anzukommen. "In Afrika sind wir nicht, um Schönheitssachen zu machen", sagt er. "Die Menschen dort gehen erst dann zum Zahnarzt, wenn es überhaupt nicht mehr anders geht."
Er ist viel unterwegs. "Ich bin schon mehr weg als 28 oder 30 Werktage", sagt er – auch der Urlaub mit seinen drei Kindern soll nicht zu kurz kommen. "Meine Patienten honorieren das", sagt er. "Die wissen, dass ich einen Afrikatick habe."