Zähne ziehen fernab der Zivilisation
Elizabeth Siswanto-Hartmann aus Unterstall hat als „Zahnärztin ohne Grenzen“ vier Wochen lang Patienten in Nepal versorgt. Ein Gespräch über Diagnosen und Dankbarkeit Von Daniela Fischer
Die Behandlungszimmer seien ausgesprochen gut ausgestattet gewesen, wie Elizabeth Siswanto-Hartmann nach ihrer Rückkehr erzählt.
Bergheim-Unterstall/Kathmandu Die Bilder aus Nepal hat Elizabeth Siswanto-Hartmann noch genau vor Augen. Kinder mit Verbrennungen im Gesicht, junge Männer und Frauen mit Tumoren im Kieferbereich – zum Teil größer als ein Tennisball. Doch auch an harmlosere Eingriffe wie das Ziehen eines faulen Zahnes erinnert sich die Zahnärztin aus Unterstall noch genau zurück. „Du musst flexibel sein und dich einfach auf die Situation einlassen“, sagt die 66-Jährige, während sie Fotos aus der Zeit in Kathmandu zeigt. Im Juli arbeitete Elizabeth Siswanto-Hartmann, die in Neuburg gemeinsam mit ihrer Tochter eine Praxis hat, vier Wochen lang ehrenamtlich in einem nepalesischen Krankenhaus.
So wie Allgemeinmediziner bei der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ weltweit Patienten versorgen, gibt es ein passendes, jedoch weitaus weniger bekanntes Pendant für Zahnmediziner. Etwa 1200 Mitglieder zählt die Stiftung „Zahnärzte ohne Grenzen“, die sich laut Elizabeth Siswanto-Hartmann überwiegend über Spenden finanziert.
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Auf den ersten Blick wirken die Bilder, die die zierliche Frau aus Unterstall auf der Couch in ihrem Wohnzimmer zeigt, erschreckend. Vor allem Verbrennungsopfer haben die Expertin häufig aufgesucht. „In Nepal gibt es auf jedem Hof, in jeder Küche noch offenes Feuer“, erzählt sie. Für kleine Kinder, die die Eltern während der Arbeit häufig alleine lassen müssten, sei dies natürlich gefährlich.
Auf den zweiten Blick jedoch lässt sich auch etwas Zufriedenes, Dankbares auf den Fotos erkennen. Die dunklen Augen der Buben und Mädchen strahlen trotz Narben im Gesicht. „Das hat mich sehr beeindruckt: Die Leute dort jammern kaum und wirken trotz allem so glücklich“, erzählt Elizabeth Siswanto-Hartmann. „Und sehen die Mädchen nicht trotzdem richtig hübsch aus?“
Es sind genau diese Momente, als sie das Foto zeigt, auf dem die Zahnärztin von fünf kleinen Kindern und deren Müttern umringt ist, für die Elizabeth Siswanto-Hartmann die Reise nach Nepal unternommen hat. Während andere im Sommer in den Strandurlaub fahren, hat sich die 66-Jährige entschieden zu helfen. Dieser Entschluss hänge auch mit ihrem persönlichen Hintergrund zusammen, wie sie erklärt.
Auch die Zahnärztin stammt aus einem armen Land
Ursprünglich stammt Elizabeth Siswanto-Hartmann aus Indonesien. Dort studierte sie Zahnmedizin, bevor sie Anfang der 70er Jahre nach Deutschland kam. „Wenn man selbst aus einem armen Land stammt, fühlt man sich den Menschen gleich viel näher“, sagt sie. „Es ist mir wirklich ein Bedürfnis, diesen Menschen zu helfen.“
Für diejenigen, die die Hilfe von Elizabeth Siswanto-Hartmann benötigten, war es meist ein langer Weg. Das Sushma Koirala Memorial Hospital im Nordosten des Kathmandu-Tales liegt fernab der Zivilisation. Etwa drei bis vier Stunden Fußmarsch nahmen viele der Patienten auf sich, um sich von der Zahnärztin aus Deutschland behandeln zu lassen. „Dort angekommen haben sie dann ganz geduldig gewartet, bis sie an der Reihe sind.“ Dabei war die Tür zum Behandlungszimmer stets offen. „Wer wollte, konnte dann schon einmal gucken, was auf ihn zukommt“, erzählt die Zahnärztin mit einem freundlichen Lachen.
Kleinere Behandlungen wie eine Füllung oder eine Krone müssen laut Elizabeth Siswanto-Hartmann von den Patienten selbst bezahlt werden. Das Ziehen eines Zahnes etwa koste rund 120 Rupien, was einem Gegenwert von zwei Kilogramm Reis entspricht. „Das ist für die Leute viel Geld – da wird schon einmal diskutiert, ob nur ein oder gleich zwei Zähne gezogen werden.“ Größere Eingriffe hingegen würden über Spenden finanziert.
Positiv blickt Elizabeth Siswanto-Hartmann auch auf die Zusammenarbeit mit den Kollegen vor Ort zurück. Teil des Projekts „Zahnärzte ohne Grenzen“ ist es nicht nur, die Patienten im Ausland zu versorgen, sondern die Kollegen vor Ort mit auszubilden. Doch auch für Elizabeth Siswanto-Hartmann ist die Zeit in Nepal eine gute Lehre gewesen: „Sich zurückzubesinnen, mit wie wenig man zufrieden sein kann, ist wichtig und schön.“ »Kommentar