Rekordjahr 2011 – Rund 90 000 Euro Spendenerlös aus Edelmetall-Sammlungen in südhessischen Zahnarztpraxen
Mit Zahngold Gutes tun: Südhessische Zahnärzte verkaufen das von Patienten gespendete Material an die Degussa und spenden den Erlös für wohltätige Zwecke im In- und Ausland. Auf unserem Bild drei Mitglieder des Vereins „Zahnärzte helfen“ (von links): Patric Tiemann, Norbert Reiß und Robert Tentscher. Foto: Claus Völker
| Vergrößern | Mit Zahngold Gutes tun: Südhessische Zahnärzte verkaufen das von Patienten gespendete Material an die Degussa und spenden den Erlös für wohltätige Zwecke im In- und Ausland. Auf unserem Bild drei Mitglieder des Vereins „Zahnärzte helfen“ (von links): Patric Tiemann, Norbert Reiß und Robert Tentscher. Foto: Claus Völker
Der Anblick ist gewöhnungsbedürftig. Zahnarzt Norbert Reiß hat Teile seiner Altgoldsammlung mitgebracht – viel Zahn, etwas Prothese, verhältnismäßig wenig Edelmetall. Kaum zu glauben, dass in einer Zahnarztpraxis jährlich rund 100 bis 200 Gramm des Edelmetalls anfallen. Die Patienten können ihren gezogenen Goldzahn oder ein entferntes Inlay (Einlagefüllung) aus Gold zwar nach Hause mitnehmen, aber viele folgen gern der Empfehlung, es für die Aktion „Aus dem Mund in die Dose“ zu spenden.
In Krisenzeiten treibt die Nachfrage der Anleger den Goldpreis in schwindelnde Höhen. Norbert Reiß vom Verein „Zahnärzte helfen“ (Dieburg), Ansprechpartner für über 30 südhessische Zahnarztpraxen, hätte dennoch nie mit dem diesjährigen Rekordergebnis gerechnet: 2011 wurden durch den Verkauf von gespendetem Zahngold an die Degussa rund 90 000 Euro eingenommen. Zum Vergleich: 1993 waren es knapp 6000 Euro. 1998 bekamen die Zahnärzte pro Gramm nur 7,67 Euro, in diesem Jahr sind es 36,86 Euro und zeitweise sogar mehr.
Zu den Vereinsmitgliedern zählen auch die Darmstädter Zahnärzte Robert Tentscher und Patric Tiemann. Sie halten das Projekt „Aus dem Mund in die Dose“ für einen guten Weg, mithilfe des Altmaterials Neues zu schaffen. Gold ist ein vielseitiges Metall und eignet sich nicht nur zur Schmuck- oder Münzherstellung. Es löst im menschlichen Körper keine Allergien aus, der Abrieb entspricht dem des natürlichen Zahnschmelzes, und dank unterschiedlicher Legierungen kann jeder gewünschte Härtegrad erzielt werden.
Dennoch wird es in den Zahnarztpraxen in geringeren Mengen als früher verwendet. Nicht nur, weil es jetzt die Alternative Vollkeramik gibt und Implantate, die Gold enthalten, immer mehr die Brücken, für die wesentlich mehr davon gebraucht wird, verdrängen. Sondern auch, weil die bessere Zahnpflege zum Rückgang von Karies und Zahnverlust beigetragen hat. Reiß zitiert eine internationale Studie, nach der einem zwölfjährigen Deutschen statistisch 0,7 Zahn fehlen, Gleichaltrigen in Peru aber schon sechs Zähne.
Das von den Patienten gespendete Zahngold wird eingesammelt und zur Scheideanstalt Degussa nach Hanau gebracht. Dort wird das Altgold in seine Bestandteile zerlegt, darunter Anteile von Palladium, Silber und Platin. Die Hälfte der Scheidekosten muss der Verein tragen, „aber das ist eine faire Sache“, erklärt Norbert Reiß.
Von den Erlösen wurden bisher – innerhalb von drei Jahren – 125 234,09 Euro an den Verein „Herzen für eine Neue Welt“ überwiesen, der die Lebensbedingungen der Kinder von Cusco (Peru) verbessern will. Zusätzlich spendeten Zahnärzte und Patienten 52 332,55 Euro. Weitere Nutznießer waren vier Hospizgruppen und die Pfarrer Röper-Stiftung in Bingen, die hilfsbedürftige Jugendliche in Deutschland fördert und ausbildet.
In den letzten neunzehn Jahren wurden dank des Projekts „Aus dem Mund in die Dose“ insgesamt 730 652,27 Euro Spendengeld erzielt. Das ist der Erlös von 91,5 Kilo Altgold. Hinzu kamen weitere Geldspenden.
Zahnarzt Patric Tiemann stellt fest, dass zunehmend mehr Patienten ihr Zahngold selbst in klingende Münze umsetzen wollen. Sie bekommen dafür aber, so die Erfahrung von Norbert Reiß, in der Regel nur etwa 20 Prozent des eigentlichen Wertes.