Famulieren in Deutschland und im Ausland

#1 von carlos , 22.07.2010 11:38

Für die Humanmedizin gilt: 4 Monate soll ein Medizinstudent nach dem Physikum im Krankenhaus oder in einer Arztpraxis im Rahmen von Famulaturen praktische Erfahrungen sammeln. Wie lange die Famulatur mindestens dauern muss und welche Institutionen bzw. Länder anerkannt sind, bestimmt das jeweilige Landesprüfungsamt.

Für die Zahnmediziner ist (bislang) die Famulatur (noch) freiwillig. Dennoch wollen wir einige Tips mit auf den Weg geben. Die unten angeführten Tips gelten für Humanmediziner in erster Linie, können aber sehr gut als Anhaltspunkt herangezogen werden:

Meine erste Famulatur war traumhaft", erzählt Wulf Breuel, Medizinstudent im zehnten Semester aus Berlin. Wulf hatte sich eine kleine, konfessionelle Klinik am Berliner Stadtrand ausgesucht und wurde gleich am ersten Tag von einer fürsorglichen Krankenschwester mit Kaffee versorgt. Auf "seiner" internistischen Station zapfte er den Patienten jeden Morgen Blut ab, nahm neue Patienten auf und assistierte dem Stationsarzt bei Gastro- und Rektoskopien. "Ich habe zwar außer Blutabnehmen nicht viel selbstständig gemacht, aber überall zugeguckt und gefragt", meint Wulf. "Ich bin jeden Morgen wieder gern in die Klinik gegangen."

Top oder Flop? Nach oben hoch

Weniger Glück hatte Manuela Wild, die im sechsten Semester Medizin in München studiert: "Meine erste Famulatur war anfangs ein echter Flop. Ich saß oft im Arztzimmer herum, denn nach der Visite verschwanden die Ärzte irgendwohin oder waren mit Arztbriefe-schreiben beschäftigt." Die Ärzte auf der neurologischen Station des Städtischen Krankenhauses waren völlig überlastet, weil Kollegen krank oder im Urlaub waren - keiner hatte Zeit oder Lust, der Famulantin die komplexen neurologischen Krankheitsbilder zu erklären. Doch so leicht ließ sich Manuela nicht frustrieren: Ihren Klopfkurs hatte sie im Block in einem bayerischen Landkrankenhaus gemacht und war dort hervorragend betreut worden. "Deshalb wusste ich, dass nicht alle Ärzte so sind." Beim Mittagessen ergab sich die Gelegenheit, mit einer Stationsärztin über die unerfreuliche Situation zu sprechen. Noch am gleichen Nachmittag bekam Manuela gezeigt, wie man einen Reflexstatus erhebt. "Richtig gut wurde die Famulatur aber erst in der letzten Woche, als zwei AiPler aus dem Urlaub kamen, die sich Zeit nahmen und mir viel erklärten."

Ob die erste Famulatur zum Traum oder Albtraum wird, ist also häufig Glückssache. Dennoch gibt es einige Dinge, die man schon im Vorfeld beachten kann, damit der Start in die "echte Medizin" nicht mit einer Bauchlandung endet. Bevor man dem ersten Patienten "face to face" gegenübersteht, will die Famulatur erst einmal organisiert sein. Wo darf man überhaupt famulieren? Keineswegs nur im Krankenhaus! Die Approbationsordnung legt fest, dass Medizinstudierende in der unterrichtsfreien Zeit zwischen Physikum und zweitem Staatsexamen insgesamt vier Monate - das entspricht hundertzwanzig Kalendertagen - famulieren müssen. Zwei Monate davon sollen sie in einem Krankenhaus absolvieren, einen Monat in einer ärztlichen Praxis, und für den vierten Monat haben sie die freie Wahl zwischen Klinik und Praxis. Was kaum einer weiß: "Ärztliche Praxis" bedeutet laut Approbationsordnung (ÄAppO §7) auch die Arbeit unter ärztlicher Leitung in

einer Dienststelle des öffentlichen Gesundheitsdienstes, der Jugendhilfe oder Sozialhilfe, der Arbeits- und Versorgungsverwaltung oder der Gewerbeaufsicht. Auch Einrichtungen für die Rehabilitation Behinderter oder die ärztliche Begutachtung einschließlich des vertrauensärztlichen Dienstes gehören dazu sowie Justizvollzugsanstalten, werks- oder betriebsärztliche Einrichtungen und die truppenärztlichen Einrichtungen der Bundeswehr.

Wer also keine Lust hat, dem Hausarzt über die Schulter zu schauen, hat genug Alternativen: Wann hat man schon die Gelegenheit, im Gefängnis, beim "Bund" oder im Gesundheitsamt hinter die Kulissen zu blicken? In manchen Bundesländern - zum Beispiel Bayern - kann man die Praxisfamulatur durch Famulaturen in der Gerichtsmedizin oder Pathologie ersetzen. Anders als im PJ darf man auch in Kliniken arbeiten, die nicht zur Universität gehören. Theoretisch ist es möglich, alle vier Monate im Ausland zu absolvieren - allerdings sollte man vor der Abreise mit dem Landesprüfungsamt (LPA) klären, ob die ausländische Einrichtung anerkannt wird und sich dies schriftlich bestätigen lassen. Bei Krankenhäusern gibt es damit in der Regel keine Probleme. Wer seine Praxisfamulatur im Ausland machen will, muss jedoch aufpassen: In den USA zum Beispiel heißen viele größere Praxen "Clinic", was so manchen LPA-Sachbearbeiter überfordern könnte.

Brief und Siegel

Eine Famulatur muss mindestens 15 Tage dauern, Wochenenden und Feiertage eingeschlossen. Ein Monat Famulatur entspricht 30 Kalendertagen, zwei Monate 60. Man sollte mindestens 30 Tage machen, denn manche LPAs sehen 15-Tages-Famulaturen nicht gerne. Achtung: Bei 29 bestätigten Tagen erkennen manche Prüfungsämtern nur 15 Tage an! Dann fehlen zwei Wochen Famulatur! Erfährt man das erst kurz vor dem zweiten Staatsexamen, ist die Hektik groß! Deshalb sollte man sorgfältig darauf achten, dass die Daten auf dem Famulaturzeugnis genau 15, 30, 45 oder 60 Tagen entsprechen. Apropos Zeugnis: Es gibt Vordrucke - für Famulaturen im Ausland auch in Englisch -, die man bei der Fachschaft oder im Dekanat bekommt und in die man nur noch Fachgebiet, Datum, Unterschrift und Stempel der Einrichtung eintragen muss. Besonders wichtig ist der Stempel: Ohne ihn läuft nichts; deshalb besser gleich darum kümmern, als ihm kurz vor dem Endspurt zum Examen hinterherzujagen. Es kann außerdem nie schaden, sich zusätzlich ein richtiges Arbeitszeugnis ausstellen zu lassen, das die Aufgaben des Famulanten detailliert schildert und Charakter, Arbeitsweise, Belastbarkeit etc. gebührend lobt. Das gibt Pluspunkte für die Bewerbung um eine AiP-Stelle, denn viele Chefärzte legen auf das Urteil von Kollegen mehr Wert als auf brillante Noten.

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