Nur noch wenige Tage weilt die Münstertälerin Anneliese Gutmann in ihrer (alten) Heimat, wohin sie zum 80. Geburtstag ihrer Mutter gekommen war. Längst ist der Marktflecken Méyer in den Bergen der Karibik-Insel Haiti zur eigentlichen Heimat geworden. Dort ist sie seit nunmehr 18 Jahren als Entwicklungshelferin tätig und managt als Verwaltungsfachfrau, Architektin und Gesundheitsberaterin eine von ihr aufgebaute Missions-Schule mit inzwischen 800 Kindern.
Wenn sie vor Weihnachten zu "ihren Kindern" zurückgeht, dann hofft sie, nicht mit leeren Händen dort anzukommen. Für ihre Aktion "Kinderspeisung" ist sie derzeit fast rund um die Uhr unterwegs. Morgen, Mittwoch, spricht sie bei einem Info-Abend in der Aula der Abt-Columban-Schule und schildert das beschwerliche (Schul-)Leben auf Haiti. 40 Schüler pro Klasse sind normal, es können aber auch 60 sein. Erstmals wurde im vergangenen Jahr an "ihrer" Schule das Abitur abgenommen. Fast 70 Prozent haben die staatliche Prüfung bestanden, berichtet Anneliese Gutmann nicht ohne Stolz, während im Landesdurchschnitt die Erfolgsquote unter 20 Prozent gelegen habe. Unter den 38 Lehr- und Hilfskräften an ihrer Schule (fast alle Einheimische) seien bereits einige ihrer ehemaligen Schüler, die inzwischen studiert haben. Schlimm auf Haiti seien nicht nur das soziale und wirtschaftliche Umfeld (bei 80 Prozent Arbeitslosigkeit), sondern auch die Naturbedingungen in der Karibik unter dem 18 Breitengrad. Extreme Dürre- und Trockenperioden, Hurrikane und Überschwemmungen vernichten ganze Vegetations- und Ernteperioden. Da fällt es den Familien schwer, für Schuluniform (in Haiti Pflicht) und Schulgeld 25 Euro pro Kind und Jahr aufzubringen.
Bei ihrem letztjährigen Besuch schilderte Anneliese Gutmann, dass mit der Unterstützung aus Deutschland in der Schulpause an jedes Kind ein Brötchen verteilt werde, denn die meisten Kinder kommen ohne Frühstück an, oft nach einem zweistündigen Schulweg. Inzwischen ist kein Geld mehr da, die Not größer als zuvor. Die Situation ist nach wie vor "schlimm, traurig, katastrophal" , wiederholt Anneliese Gutmann jene Worte, die sie vor genau einem Jahr der BZ gegenüber äußerte. Elektrischen Strom kennen die Kinder nur vom Besuch in den Städten. Ein "Küchenherd" zum Zubereiten warmer Mahlzeiten besteht aus drei Steinen mit etwas Holz dazwischen, schildert Anneliese Gutmann den für uns Europäer unvorstellbaren Zustand. In gedanklicher Planung habe sie die Anschaffung von Gasflaschen — auch um den Raubbau an Brennholz einzudämmen. Mit Vehemenz hat sich Anneliese Gutmann nunmehr der Aktion "Kinderspeisung" verschrieben. Ihr Ziel ist es, die finanziellen Mittel zusammen zu bekommen, damit jedem Kind am Tag eine kleine warme Mahlzeit ("Reis mit Bohnen" ) zugeteilt werden kann. Deshalb wendet sie sich primär an die Einwohner ihrer Heimatgemeinde Münstertal mit der Bitte, ihr Vorhaben zu unterstützen. "Pro Monat brauchen wir rund 1000 Euro, um jedem der 800 Kinder täglich eine warme Mahlzeit zu geben" , sagt Anneliese Gutmann. Mit rund 15 Euro könne also ein Schulkind ein ganzes Jahr lang mit einem Reis-Bohnen-Gericht versorgt werden.
"So sehr wir uns über einmalige Spenden freuen", sagt Anneliese Gutmann, "so schön wäre es, wenn durch regelmäßige, monatliche Spenden eine bessere Planung des eigenen Schuletats ermöglicht wird." Material- und Sachspenden, haben den großen Nachteil, dass deren Transportkosten bis Haiti praktisch unerschwinglich seien, weiß die Entwicklungshelferin aus Erfahrung. Inzwischen hat sich im Münstertal ein Kreis "Freunde für Haiti" zusammengetan und einen Spendenaufruf im Mitteilungsblatt der Gemeinde veröffentlicht. Für den morgigen Mittwochabend, 15. November, 20 Uhr, ist in der Schul-Aula mit Unterstützung der Schulleitung und mehrerer Lehrkräfte ein Film- und Dia-Abend anberaumt, bei welchem Anneliese Gutmann aktuelle Informationen aus erster Hand über ihr Projekt in Haiti geben wird. Am 25. November ist Anneliese Gutmanns Jahresurlaub in der alten Heimat beendet und sie fliegt über Straßburg, Paris nach Port-au-Prince in ihre neue Heimat zurück. Ihre Schüler, Lehrer und Freunde werden sie sehnsüchtig erwarten, was sie wohl aus Europa und Germany mitgebracht hat. Es ist zu wünschen, dass sie die Augen "ihrer" Kinder — mit Spenden aus Deutschland — zum Strahlen bringt.
Spendenkonto: "Foundation e. V. humanitäre Hilfe" in Kornwestheim, 2063454 LBBW Stuttgart, BLZ 60050101, Stichwort "Kinderspeisung Haiti" .