Arzt Zahnarzt und Priester

#1 von carlos , 03.06.2011 15:36

Der Rosenheimer Sebastian Obermaier ist einer der außergewöhnlichsten Pfarrer der Welt. Er hat in Bolivien schon als Arzt, Zahnarzt oder Geburtshelfer zugepackt. Und jetzt ist der Seelsorger drauf und dran, Boliviens größte Verkehrsprobleme aus der Welt zu schaffen.

Im Bürgerkrieg hat Obermaier mit einer improvisierten Mini-Ambulanz Verwundete aus Schützengräben geholt. Im ewigen Eis des Huayna Potos hat er in 5200 Metern die wohl höchste christliche Bergmesse der Welt zelebriert. Und jetzt ist der Seelsorger drauf und dran, Boliviens größte Verkehrsprobleme aus der Welt zu schaffen. "Man schaut auf uns", sagt Obermaier. "Wenn es in El Alto ruhig ist, atmet ganz Bolivien auf. Wenn El Alto rebelliert, ist das ganze Land in Unordnung." Auf den Verkehr bezogen, heißt das: Wenn in El Alto nichts mehr voran geht, steht ganz Bolivien im Stau.

Kein Wunder also, dass die großen bolivianischen Tageszeitungen dem Entwurf einer "autopista elevada", also einer höher gelegten Autobahn auf Trägern, seitengroße Artikel widmen. Die Idee stammt aber weder von Evo Morales, Boliviens von der westlichen Welt so kritisch beäugten Staatschef, noch vom Verkehrsminister.

Die Schlagzeilen gehören - wieder einmal - dem "Padre", wie Obermaier in den Anden genannt wird. Die "autopista elevada" ist sein Entwurf, im Kleinformat ist die Autobahn auch schon fertig: Öffentlichkeitswirksam präsentiert der Seelsorger ein Modell der Trasse, das auf den ersten Blick einer Carrera-Bahn ähnelt. Nur die Autos fehlen.

Eine Geschichte, die typisch ist für die zupackende Art Obermaiers und seine lebensnahe Sicht der Dinge: Wer stundenlang im Stau steht, hat vielleicht keine Zeit mehr für die Familie oder den Kirchgang. So gesehen ist Verkehrsplanung für den Padre auch ein soziales und religiöses Thema.

Um Weichenstellungen anderer Art geht es bei Obermaiers aktuellem Heimatbesuch. Seit ein paar Tagen hält sich der 76-Jährige in Rosenheim und Umgebung auf. "Meine Sozialarbeit in El Alto muss auch nach meinem Tod weitergehen", bringt er den Grund der Mission auf den Punkt. Das Ziel: Die Strukturen und Rahmenbedingungen so verändern, dass Obermaiers Aymara-Indianer, die ihm so viel zu verdanken haben, nicht im Regen stehen, wenn es den Pfarrer Obermaier nicht mehr geben sollte. Und so sitzt er derzeit in Oberbayern mit Kirchenvertretern, Notaren und Gönnern am Tisch, um Satzungen und Stiftungen eine nachhaltige Form zu geben.

Vor Monaten wäre es fast so weit gewesen, als den Padre am Steuer der Sekundenschlaf übermannte (wir berichteten). Aber Obermaier kletterte unverletzt aus dem Jeep, der sich auf der Landstraße mehrmals überschlagen hatte. Für den Seelsorger ein Wink Gottes mit klarem Auftrag: "Sebastian, ich brauche dich noch einige Zeit, um in Bolivien zu arbeiten!"

Und so wirbt der Priester in seiner Rosenheimer Heimat weiter um Unterstützung für seine Sozialprojekte, die eng mit der Seelsorge verwoben sind. Bei der Vermittlung christlicher Werte spielt sein mehrfach ausgezeichneter Fernsehsender "Canal 57" eine Schlüsselrolle. Die Einschaltquoten sind beeindruckend. 800.000 Menschen erreicht der Padre mit seinen Ansprachen - jeden Tag sind es acht. "Doch unsere Sendestation schwächelt, wir brauchen bald eine neue", sagt Obermaier sorgenvoll. Über 300.000 Euro wird eine neue Anlage kosten, haben ihm Techniker vorgerechnet.

Viel Luft nach oben gibt es noch beim neuen Seniorenzentrum "San Martn". Im Parterre wird bereits alles dafür getan, um alten Menschen einen würdigen Lebensabend zu schenken. Die Stahlträger, die weit in den Himmel ragen, sind aber für sieben Stockwerke angelegt. Sobald Geld da ist, wird weiter gebaut. "Mit dem ersten Stock wollen wir bald anfangen", so Obermaier, dessen Herz natürlich auch für die Jüngeren schlägt: Gesundheits- und Jugendzentren, Kinderhäuser und spezielle Schulen geben der Jugend die Chance, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen - was kaum irgendwo so schwer ist wie in El Alto: Das unkontrollierte Wachstum hat Gewalt, Straßenkriminalität, Drogen und Arbeitslosigkeit gebracht - und natürlich viel Verkehr.

Oben liegt die Millionenstadt El Alto auf einem Niveau von 4000 Metern, unten im Talkessel die Hauptstadt La Paz, deren Einwohner in 3600 Meter Höhe auch noch eine sehr dünne Luft atmen. Dazwischen stecken täglich tausende Kleinbusse fest - und damit auch die Pendler, weil die "microbuses" in Bolivien 90 Prozent des Personennahverkehrs abwickeln.

Was die Baubehörden bisher zur Bekämpfung der Misere vorschlagen, erscheint dem Padre nicht effektiv genug. Und so präsentierte er jetzt der verblüfften Öffentlichkeit sein eigenes Modell: die zweistöckige "autopista elevada", die Stadt- und Fernverkehr trennt - ein 160-Millionen-Euro-Projekt.

"Ein guter Vorschlag, wir werden uns eingehend damit befassen", sagt dazu das Verkehrsministerium. Für Rückfragen steht Obermaier in einer Woche wieder zur Verfügung. Am 7. Juni steigt er in München in die Maschine und fliegt zurück in eine andere Welt, in der es für ihn noch viel zu tun gibt.

Padre Obermaier, Spendenkonto: Katholische Kirchenstiftung St. Nikolaus, "Bolivienhilfe P. Obermaier", Hypo-Vereinsbank Rosenheim, Konto 6 210 109 682, Bankleitzahl 711 200 77, Kontakt: Hans Obermaier, Zeisigweg 30, 83026 Rosenheim, Tel. 08031 / 30 43 632.

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