Forschungsoffensive", Teil 1: Das Hilfsprojekt, das vor zehn Jahren begann, regt nach Dissertationen jetzt auch zu einer Habilitation an Seit zehn Jahren engagieren sich Wittener Ärzte und Studierende der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde im westafrikanischen Land Gambia für die Zahngesundheit der Landbevölkerung. Während in den Städten immerhin einige wenige Zahnärzte praktizieren, haben viele Menschen auf dem Land noch nie einen Zahnarzt gesehen. In der Hilfsstation Jahaly Health Center bilden die Wittener daher einheimische Fachkräfte für die Zahnbehandlung aus. In bisher sechs Dissertationen hat die Universität Witten/Herdecke untersucht, wie es um die zahnärztliche Versorgung steht.
Ein Ergebnis: Immer mehr Kinder in Gambia bekommen Karies, in den Städten zweimal mehr als auf dem Land. Damit liegt Gambia im selben Trend wie der Rest Afrikas, Asien oder Südamerika. Die Zahngesundheit bei Kindern und Jugendlichen in der "Dritten Welt" wird schlechter, gleichzeitig wird sie in den "Entwickelten Ländern" besser. Das war vor 20 Jahren noch genau anders herum. Ein Erklärungsansatz der Wittener Forscher: Neben den bakteriellen Ursachen für Karies spielen die immer bessere Pflege und Ernährung im Norden und schlechtere im Süden eine Rolle.
Ein weiteres Beispiel: Die einheimischen Fachkräfte lernen, zerstörtes Zahnhartgewebe mit Handinstrumenten zu entfernen (schließlich fehlt der Strom für den Bohrer) und das Loch mit so genanntem Glas-Ionomer-Zement zu füllen. Wittener Forscher haben nun untersucht, ob es einen Unterschied gibt in der Haltbarkeit der Füllungen von Einheimischen zu denen, die Wittener gelegt haben. Ergebnis: Gibt es nicht. Das Verfahren und die Ausbildung der Fachkräfte verbessern also die Versorgung.
Weitere Dissertationen sind in Arbeit. Hinzu kommt die Habilitation von Andreas Rainer Jordan, der als Student zu den Gründern des Gambia-Projekts gehörte und heute dessen Leiter ist. "Ich möchte Perspektiven aufzeigen, wie eine zahnmedizinische Basisversorgung allgemein in Regionen ohne Infrastruktur etabliert werden kann", sagt der Zahnmediziner, der sich bei seinen Studien auch auf die Erfahrungen in Gambia stützt.
Ein Ansatzpunkt für Länder wie Gambia liegt in der Ausbildung einheimischer Fachkräfte. In Absprache mit der gambischen Regierung gingen bei den Experten der Universität/Witten Herdecke bisher mehr als 20 so genannte Community Oral Health Worker (COHW) "in die Lehre". Für die jeweils dreimonatigen Kurse fliegt ein Team aus Witten in das westafrikanische Land. Die COHWs sollen sich nach und nach über das ganze Land verteilen. Zu ihren Aufgaben gehört neben der zahnmedizinischen Grundbetreuung auch eine Aufklärung über die Notwendigkeit vorbeugender Zahnpflege.
Ein zukünftiger Schwerpunkt einer COHW-Ausbildung, so der Habilitand Andreas Jordan, sollte darin liegen, Veränderungen der Mundschleimhaut frühzeitig zu erkennen. Hier sieht der Zahnmediziner besonders für Länder, in denen AIDS-Tests kaum angeboten werden oder zu teuer sind, einen "ganzheitlich-medizinischen Aspekt". Andreas Jordan: "Es ist bekannt, dass bereits im frühen Infektionsstadium spezifische Veränderungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleisches einen Hinweis auf eine bestehende HIV-Infektion geben können."
Das Hilfsprojekt in Gambia wurde von Wittener Studierenden gegründet. Im Sommer des Jahres 1995 flog das erste Team in das westafrikanische Land. Die Initiative wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützt und kooperiert mit dem Hilfswerk Deutscher Zahnärzte, aus dessen Altgold-Sammelaktionen die Wittener Initiative maßgeblich finanziert wird. Zu den weiteren Förderern gehört die Firma Voco, die auch Glas-Ionomer-Zement für die Karies-Behandlung zur Verfügung stellt. Aus Anlass des 10-jährigen Bestehens des Gambia-Projekts wird die Wittener Fakultät für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde am 9. November 2005 einen "Jubiläumsworkshop" in der Universität veranstalten.
Weitere Infos: Andreas Jordan, , andreas.jordan@uni-wh.de, http://www.uni-wh.de/zmk > Fachschaft Zahnmedizin > ART-Projekt