Michael Drechsel und Stephanie Fleischer aus Hormersdorf haben als Zahnärzte ohne Grenzen Waisenkindern geholfen
Hormersdorf/Dharmapuri. Normalerweise empfängt Michael Drechsel seine Patienten in seiner Praxis in Hormersdorf. Doch in diesem März war der Zahnarzt nicht dort anzutreffen - sondern im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu. Beim "Arbeitsurlaub", den der 52-Jährige mit seiner Mitarbeiterin Stephanie Fleischer (21), Zahnmedizinische Fachangestellte, in einem Kinderdorf in Dharmapuri verbrachte.
Dort leben 180 Waisen und Halbwaisen zwischen fünf und 18 Jahren. Rund 120 von ihnen haben die Erzgebirger behandelt. "Am ersten Tag haben wir in Massen Zahnstein entfernt", so Drechsel. "Viele Kinder haben Braunverfärbungen durch den hohen Fluoridgehalt im Wasser", ergänzt er. Daraus kann Karies entstehen - auch diese entdeckte er oft. Manche Kinder erhielten gleich mehrere Füllungen, auch das Zähneziehen blieb ihnen nicht erspart. Zudem gab es Tipps zum richtigen Putzen. Eine indische Krankenschwester assistierte und übersetzte. "Die Mädchen und Jungen haben alles tapfer über sich ergehen lassen. Auch wenn mal eine Träne geflossen ist, haben sie sich danach mit einem Lächeln bedankt. Ein Mädchen schrieb sogar einen Dankesbrief", sagt Michael Drechsel.
Aufmerksam auf den Einsatz wurde der Hormersdorfer durch eine Fachzeitschrift, in der er einen Erlebnisbericht über einen Einsatz der Zahnärzte ohne Grenzen in Indien las. So wurde der Gedanke, sich zu engagieren, konkret. Schon bei Urlaubsreisen in die Bundesstaaten Goa und Kerala hatte er Indien kennengelernt. "Mich hat gereizt, Menschen in einem Land zu helfen, wo es wirklich notwendig ist", erklärt Stephanie Fleischer, warum sie beschloss, ihren Chef zu begleiten. Beide besorgten sich einen Ausweis der Dentists without Limits Foundation, so der englische Name der Stiftung Zahnärzte ohne Grenzen.
Zunächst gingen die zwei davon aus, dass es für sie in die Stadt Coonoor geht. Dort, in 1800 Meter Höhe, befindet sich der Hauptsitz des Christian Mission Service (CMS) India. Der Christliche Missionsdienst unterhält in Indien 74 Einrichtungen, in denen 6500 Kinder betreut werden. Dem CMS gehören in Coonoor eine feste und eine mobile Zahnarzteinheit. Da letztere betagt ist, spendete die evangelisch-lutherische Kirchgemeinde Hormersdorf Geld für eine neue. 3900 Euro kamen zum Erntedankfest 2010 zusammen, weitere 700 Euro spendeten Patienten der Praxis.
Aus der geplanten mobilen Einheit wurde schließlich eine feste im sieben Autostunden entfernten Dharmapuri. Und daher bildete Coonoor nur eine Zwischenstation für die Erzgebirger, die über Chennai und Coimbatore in die Stadt gelangten. Im Gepäck hatten sie Füllmaterial, Anästhetika, Handschuhe, Mundschutz, Zange, Spritzen, Bohrer, aber auch Kugelschreiber, Bleistifte und Luftballons als Geschenk für die Kinder nach der Behandlung. Angekommen in Dharmapuri kauften die zwei erst einmal Plastikboxen, um die Instrumente und das Zubehör ordnen zu können. Dann konnten die Behandlungen auf dem Patientenstuhl in einem speziellen Raum beginnen. Auch ein Röntgen- und ein Gerät zum Sterilisieren der Instrumente standen bereit.
Pro Tag ließen sich 20 bis 30 Kinder von den Erzgebirgern in den Mund schauen. Geschlaucht habe die Arbeit schon, so mussten die zwei die ganze Zeit stehen, arbeiteten täglich außer sonntags an die acht Stunden, bei schlechten Lichtverhältnissen und Temperaturen über 30 Grad. Dennoch hat Michael Drechsel bereits die nächste Reise als Zahnarzt ohne Grenzen nach Dharmapuri im kommenden Jahr im Kopf. Stephanie Fleischer ist ebenfalls nicht abgeneigt: "Ich habe die Erfahrung mitgenommen, wie Menschen sich mit kleinen Dingen zufriedengeben und wie dankbar sie sein können." Übrigens: Auf Tamil, das vor Ort gesprochen wird, kennen die beiden zwei Wörter: "Aufmachen" und "Zumachen".
Von ihrem Einsatz in Indien berichten die beiden am 25. Mai, 19.30 Uhr bei einem Diavortrag auf dem Pfarrboden der Kirchgemeinde in Hormersdorf.