Um den Ärmsten der Armen zu helfen, waren meine Frau und ich Anfang des Jahres für drei Wochen in Kenia. Unser Reisegepäck bestand nicht aus den üblichen Urlaubsutensilien. Es enthielt zweckmäßige Bekleidung, Verbrauchsmaterialien für einen zahnärztlichen Einsatz und kleine Geschenke. Unser Ziel war Nyabondo, ein typisch westafrikanisches Dorf.
Nyabondo liegt abseits der wenigen Hauptstraßen des Landes auf einer Hochebene von etwa 1.500 Metern Höhe im Becken des Victoriasees. Das Umland ist dicht besiedelt. Die Mehrheit der Einwohner dieser Gegend sind Luo, die drittgrößte ethnische Gruppe in Kenia. Das feuchtwarme Klima sorgt für eine üppige Vegetation und ist Grundlage für intensiven Ackerbau - Kenia ist der fünftgrößte Teeproduzent der Welt.
Draht zum amerikanischen Präsidenten
Von Nairobi gelangen wir per Flugzeug nach Kisumu, mit 390.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Kenias. In der Nähe dieser Stadt lebt übrigens eine Dame mit einem prominenten Enkel: die Großmutter von Barack Obama.
Während des Fluges erschloss sich unter uns die Schönheit des Landes aus der Vogelperspektive: Wir überquerten den ostafrikanischen Grabenbruch - Rift Valley -, streiften den Victoriasee - drittgrößter Binnensee der Welt - und landeten in einer wunderschönen grünen Landschaft. Von da aus mussten wir noch etwa 50 Kilometer mit dem Auto zurücklegen.
In Kenia fährt man links. Die Hauptverbindungsstraßen sind asphaltiert, doch häufig muss man Schlaglöchern ausweichen oder die Straße verlassen, um einen Crash mit dem Gegenverkehr zu vermeiden.
Unzählige Menschen sind täglich unterwegs. Es ist ein farbenfrohes Treiben. Da sind die vielen Frauen, die mit Wasser gefüllte Eimer und andere Lasten auf dem Kopf transportieren. Die meisten Leute leben in Lehmhütten - ohne Strom und Wasser.
Dann mussten wir stoppen, eine Kuhherde überquerte die Straße. In einer großen Pfütze vom letzten Regen wurden Fahrräder, Motorräder und sogar Autos gewaschen.
Über eine staubige Buckelpiste legten wir noch etwa zehn Kilometer bis zum Ziel zurück. Am Straßenrand fielen unzählige Kieshaufen auf, Männer zerstießen per Hand größere Steine mit einem Hammer zu Schotter. Dabei dachte ich an meinen Heimatort, wo gerade eine alte Fabrik abgerissen wird. Den Bauschutt schreddert man dort allerdings komplett mit einer Maschine.
Ankunft im "St. Joseph`s Hopital"
Im St. Joseph`s Hopital empfing uns Schwester Lawrencia mit einem freundlichen "Karibu" - das bedeutet soviel wie herzlich willkommen. Sie betreut das zahnärztliche Projekt. Das Krankenhaus ist eine Einrichtung der Franziskaner und versorgt ein Einzugsgebiet von etwa 150.000 Menschen.
In einem abgegrenzten Territorium befinden sich mehrere Flachbauten, die zum Krankenhausbetrieb gehören. Gleichzeitig gibt es dort Häuschen, in denen die Angestellten wohnen. Zum Krankenhaus gehören ebenfalls eine Apotheke und eine Berufsschule, in der Krankenpfleger, Schwestern und Pharmazieassistenten ausgebildet werden. Wir selbst waren im Auftrag der Arzt- und Zahnarzthilfe Kenya e.V. tätig. Dieses Projekt gibt es inzwischen seit zehn Jahren. Ins Leben gerufen hat es 1999 mein Thüringer Studienkollege, Dr. Hans-Joachim Schinkel. Aus eigenen Mitteln hat er einen ersten zahnärztlichen Arbeitsplatz eingerichtet.
Das Projekt ist gewachsen. Inzwischen sind an verschiedenen Stellen des Landes neun zahnärztliche Stellen entstanden. Dabei steht unsere Arbeit in Afrika unter dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe".
Es wird angestrebt, einheimisches Personal einzuarbeiten. Inzwischen studieren zwei Franziskaner Schwestern Zahnmedizin in Uganda. Gesponsert werden sie vom Verein.
In Nyabondo selbst gibt es zwei zahnärztliche Behandlungsplätze. Die Einheiten stammen aus Brasilien und sind luftgesteuert. Ben, der Techniker vor Ort, ist zuständig für kleine Reparaturen. Er wird regelmäßig einmal im Jahr von einem deutschen Dentaltechniker in Nyabondo geschult. Verbrauchsmaterialien, Instrumente und die restliche Technik kommen aus Deutschland.
Schnell hatte sich herumgesprochen, dass nach dem Jahreswechsel wieder ein Zahnarzt da ist. Die Verständigung mit Englisch klappte gut. In Kenia wird Kisuaheli und Englisch gesprochen. Es gibt noch etwa 60 andere Sprachvarianten. Meine kenianische Kollegin war Florence. Sie hat vor acht Monaten eine dreijährige zahnmedizinische Ausbildung in Kenia zum Oral Health Officer absolviert. Wir haben gemeinsam das Legen von adhäsiven Füllungen geübt.
Nicht ohne Risiko
Unsere Tätigkeit war nicht ganz risikolos. Der Impfschutz sollte stimmen.
Wir behandelten mit doppelten Handschuhen, denn sieben bis acht Prozent der 15 bis 50jährigen sind HIV positiv. Nachts schliefen wir unter Moskitonetzen. Bei ca. 60 bis 70 Prozent Luftfeuchtigkeit und 30 Grad kam man auch schnell ins Schwitzen.
Die Patienten mussten auch ein geringes Entgelt zur Deckung der Praxiskosten zahlen. Nicht jeder hat umgerechnet drei Euro für die Extraktion von zwei Zähnen. Das ist für die Menschen bei einem durchschnittlichen Monatseinkommens von etwa 40 Euro viel Geld. So zieht man eben mitunter einmal zwei Zähne zum halben Preis.
Schulbesuch
Wir führten auch Reihenuntersuchungen in abgelegenen Schulen durch. Schon die Anfahrt off road dort hin war ein Erlebnis. Die Schule erkannte man bereits aus der Ferne. Ich hatte zunächst den Eindruck eines verlassenen unbesetzten Gebäudes. Das änderte sich, als wir auf den Hof einfuhren. Plötzlich wurden wir mit einem "Hallo" von etwa 200 Kindern begrüßt. Die Lehrer erzählten uns von der Spannung der Kinder. Die Mzungos (Weißen) kommen, wie wird sich wohl deren Haut anfühlen?
Zunächst war Gesundheitserziehung angesagt. Wir lehrten den Kindern gesunde Ernährung und die richtige Zahnputztechnik.
Anschließend fand im Freien unter schattigen Bäumen die Untersuchung statt. Stolz nahmen die Kinder als kleines Geschenk Zahnbürste und Bleistift entgegen. Seifenblasen sorgten für eine gute Stimmung.
Die Behandlung lief locker ab. Durch die offenen Fenster gab es reichlich Zuschauer. Das Hallo war groß, als ich in Abständen mit der Unispritze eine "Erfrischung" hinaus sendete.
Vielfältige Hilfe
Das Aufgabengebiet des Vereins ist sehr vielfältig. Da ist zum einen das Witwenprojekt. Es gibt im Gebiet Nyabondo etwa 1.000 Witwen. Sie kämpfen mit ihren Kindern um das bloße Überleben. Das Witwendorf St. Monica mit Kinderbetreuung, Schneiderei und Frauenhäusern ist eine Zufluchtsstätte und wird durch Spenden unterhalten.
Den augenärztlichen Arbeitsplatz hat der Verein ebenfalls eingerichtet.
Dann gibt es auch noch das Patenschaftsprojekt für Waisenkinder. Bedingt durch HIV- Erkrankungen gibt es in Kenia sehr viele Waisenkinder, die in Not sind. Gesucht werden Paten, die für lebensnotwendige Ausgaben wie Schulgeld und Krankenversicherung aufkommen. Der jährliche Beitrag liegt bei etwa 370 Euro.
Wenn auch Sie helfen wollen, wenden Sie sich an die AZHK.e.V. unter:
www.azhk.de oder an mich! Die Spende kommt garantiert an.
Während unseres Einsatzes planten wir natürlich auch etwas Zeit zum kennen lernen für das schöne Land Kenia ein. Am Wochenende haben wir 40 Waisenkindern einen Ausflug gesponsert. Wir fuhren zum 50 km entfernten Victoriasee, machten mit ihnen eine Bootsfahrt, waren zusammen essen und besuchten einen Tierpark. Bei Spielen wie "Blinde Kuh" oder "Eierlaufen" kam gute Stimmung auf. Die Kinder sind noch nie aus ihrem Dorf herausgekommen. Es war für alle ein bleibendes Erlebnis.
Die Zeit ist wie im Fluge vergangen. Nach drei Wochen kehren wir in das winterlich kalte Deutschland zurück. Dabei haben wir nur sehr wenig Gepäck. Aber in uns tragen wir jede Menge neue Erfahrungen und das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben.
Dr. med. Dietmar Jolie
Eppendorf/Sachsen
http://www.zahnarzt-dr-jolie.de/aktuell.htm