Das Lachen zurückgeben
In Leipzig hilft der Zahntechniker Uwe Hempel den sozial Schwachen – der Zulauf ist groß
Das gibt es sonst nirgends, ein Dentallabor, das sich der Versorgung von mittellosen Patienten verschrieben hat. Die Zahn-Manufaktur in der Leipziger Eisenbahnstraße versorgt Menschen, für die jede medizinische Behandlung ein Problem ist.
Die Idee kam Uwe Hempel, dem Chef der »Manufaktur für sozialen und ganzheitlichen Zahnersatz«, aus der eigenen Not heraus – er war als Zahntechniker mit einer eigenen Firma in Dresden insolvent gegangen. Der Markt ist knallhart: Dentallabore sind auf Aufträge von Zahnärzten angewiesen, doch es gehen immer weniger Patienten zur Behandlung. Viele glauben, sich diese nicht leisten zu können.
»Es gab Reformen, und die Leute denken, sie müssen hunderte Euro dazubezahlen«, sagt Hempel. Die Folge: Vor allem die, die wenig oder gar kein Geld haben, bleiben dem Zahnarzt fern. Dabei kommen die Krankenkassen für die Grundversorgung der Ärmsten auf. Niemand muss mit fehlendem Schneidezahn und schwarzen Zahnstummeln herumlaufen. Dass es dennoch mancher tut, liegt an der großen Hemmschwelle. Jede ärztliche Behandlung ist für diese Menschen ein Problem. Das Vertrauen zu offiziellen Stellen und Ärzten ist oft komplett verloren.
Niemand guckte blöd
»Diese Barriere wollen wir abbauen«, sagt Hempel, der sich mit seiner neuen Zahn-Manufaktur in Leipzig nun gerade auf die sozial Schwachen orientiert hat. Gelungen ist das zum Beispiel bei Stephan Helbig. Der 52-jährige gelernte Koch ist seit Jahren arbeitslos: »Vier, fünf Zähne fehlten. Ich habe mein Gebiss eigentlich gepflegt, aber dann war ich lange krank, hatte eine Not-OP, die Zähne wurde immer lockerer und fielen ganz aus.«
Von Bekannten hatte Helbig gehört, dass sie jahrelang für ihren Zahnersatz abzahlten. Um so interessierter war er, als er von Hempels Manufaktur in der Leipziger Eisenbahnstraße hörte. Er ging hin und ließ sich beraten: »Alle waren freundlich hier, niemand guckte mich wegen meiner schlechten Zähne blöd an.« Manufaktur-Chef Hempel beriet Stephan Helbig zunächst und empfahl ihm dann einen Leipziger Zahnarzt. Das war einer von etwa zehn, mit denen das Dentallabor zusammenarbeitet. Seit mehreren Monaten ist Helbig jetzt in Behandlung und sehr zufrieden, wie er sagt.
Aufgeschlossene Ärzte
Dr. Oliver Matthes gehört zu den Zahnärzten, die die Idee der Manufaktur unterstützen: »Ich finde den sozialen Gedanken gut.« Matthes hat selbst schon mal zwei Wochen in Nepal die Ärmsten der Armen kostenlos behandelt, findet aber wichtig, dass Ärzte nicht nur im Ausland helfen, sondern hier in Deutschland: »Wo es auch viel Not gibt.« Zwar gebe es in einigen großen Städten Projekte, wo Zahnärzte zum Beispiel Obdachlose kostenlos versorgen. Doch mancher Kollege würde einfach weggucken, das Elend nicht sehen. Oliver Matthes: »Zu mir kommen viele Zahntechniker, die eine Zusammenarbeit anstreben, aber diese Manufaktur ist anders.«
Beschäftigt sind in Uwe Hempels Dentallabor momentan neben dem Chef, der übrigens auch ein paar Jahre Zahnmedizin studiert hat, zwei Umschülerinnen. Demnächst fangen zwei Zahntechnikmeister, die beide aus der Arbeitslosigkeit kommen, und ein hörgeschädigter Praktikant an. Im Herbst werden zwei junge Frauen ihre Ausbildung als Zahntechnikerinnen beginnen. Betritt man die Räume in der Eisenbahnstraße 30, lächelt die Zahnfee von der Wand. Und so soll es auch sein. Wer hier arbeitet, ist mit Freude dabei, hat Spaß am Kontakt mit den Patienten. So wünscht es sich zumindest der Chef: »Ich muss mir meist die halbe Lebensgeschichte anhören, und ich muss sie als Menschen achten. Egal, wie sie aussehen oder riechen, das ist ganz wichtig.«
Der Zulauf seit der Gründung im Februar dieses Jahres ist groß. Etwa 80 Patientinnen und Patienten kamen bisher. Viel Arbeit, die Uwe Hempel nicht mehr schafft: »Deshalb stelle ich mehr Leute ein.« Auch jungen Menschen will er, der nach seiner Insolvenz sein Geld als Elektriker in Usbekistan verdiente, eine Chance geben.
Der direkte Kontakt mit den Patienten ist auch Uwe Hempel wichtig: »Genau das war die Idee hinter dem Konzept.« Als er vor etwa zwei Jahren an die Umsetzung ging, zog er extra von Dresden nach Leipzig: »Hier sind die Mitarbeiter in den Behörden aufgeschlossen, ich bekam zum Beispiel vom Arbeitsamt einen Mikrokredit.«
Für Leipzig sprach auch, dass es in der Stadt an der Pleiße aufgeschlossene Zahnärzte gibt. Gleichzeitig waren preiswerte Laborräume mitten im Armen-Brennpunkt Eisenbahnstraße günstig zu bekommen: »Mit Hilfe von Freunden und Bekannten konnte ich die Zahntechnikgeräte zusammenstellen. Auch der Ausbau der Räume und das Organisieren der Finanzmittel habe ich ihnen zu verdanken.« Insgesamt 20 000 Euro hat alles gekostet.
Doch auch Hempel stellt Rechnungen für seinen Zahnersatz. Wer krankenversichert ist und sehr wenig Geld hat, bekommt die Grundversorgung generell bezahlt. Schwieriger wird es bei Patienten, die Arbeit haben, aber nur wenig verdienen. Für die kann die Zahnbehandlung zur großen finanziellen Belastung werden. Ähnlich ist es bei Obdachlosen und (ehemals) Selbstständigen, die manchmal gar nicht krankenversichert sind. Probleme haben auch körperlich und geistig Behinderte. Das Geld, das sie aus der Pflegeversicherung bekommen, geht für die primären Kosten in den Einrichtungen drauf. Oft sind sie intellektuell gar nicht in der Lage, sich um ihre Zahnversorgung zu kümmern.
»Zahnfee« hilft
Für solche Fälle arbeitet die Manufaktur mit dem extra gegründeten Verein »Zahnfee« zusammen. Dessen Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. Sie kümmern sich um die Patienten, sprechen mit Krankenkassen und Behörden. Entweder geht es darum, überhaupt eine Krankenversicherung abzuschließen oder die finanziellen Belastungen für Kronen, Brücken und Gebiss erträglich zu gestalten. »So ein Verein«, sagt Uwe Hempel, »kann mehr Druck ausüben, die Patienten stehen mit ihren Problemen nicht allein da.« Und Bedürftige können ihrerseits etwas zurückgeben, etwa indem sie etwa Arbeiten für den Verein erledigen.
Manufaktur für sozialen und ganzheitlichen Zahnersatz; Eisenbahnstraße 30 in 04315 Leipzig
Tel.: 0341/4 96 97 30
E-Mail: gutezahnfee@web.de