Toxische Beziehung: „Wir wiederholen, was wir kennen“
Besonders Menschen, die in der Kindheit oder Jugend ähnliche Bindungsdynamiken durch ihre Familien erlebt haben, suchen das später in einer Partnerschaft. Wer mit emotional abwesenden, impulsiven oder unberechenbaren Bezugspersonen aufgewachsen ist, erlebt später ähnliche Muster als vertraut. „Wir wiederholen, was wir kennen. Und nicht, was uns guttut“, so Anne Johne, „das nennt man auch Trauma Bonding“. Deshalb fühlen sich toxische Beziehungen eben nicht nur intensiv an, sondern auch wie eine Form von Zuhause.
„Eine toxische Beziehung ist ein bisschen wie eine Droge. Am Anfang gibt es einen Rausch an Dopamin (das Love Bombing), dann kommt der Entzug“, erklärt Anne Johne. Der plötzliche Rückzug oder die Abwertung des Partners bringt Verwirrung und Schmerz – und den Wunsch, das vorherige Hochgefühl wiederherzustellen. „Also bleibt man. Nicht, weil man liebt, sondern weil man abhängig ist.“ Die Expertin nennt dieses Phänomen auch den „unsichtbaren Käfig“. Weil Betroffene nicht gehen, obwohl sie es in der Theorie könnten.
Dazu kommt: Gaslighting. Wenn Betroffene das Verhalten der toxischen Person ansprechen, reagieren diese mit Manipulation, sagen Dinge wie „Das ist nur deine Wahrnehmung“, „Du reagierst über“. Meist verhalten sie sich dann wieder liebevoll, sodass die andere Person ganz verwirrt ist, dem toxischen Gegenüber glaubt und es wirklich auf die eigene Wahrnehmung schiebt. „Betroffene glauben sich irgendwann selbst nicht mehr. Sie können nicht differenzieren, was falsch und richtig ist, weil ihnen permanent gespiegelt wird, dass sie selbst falsch sind“, so Anne Johne. „Toxische Partner*innen brauchen jemanden, der für sie mitfühlt – und mitdenkt. Deswegen sind vor allem empathische Menschen empfänglich für diese Dynamiken.“
Toxische Beziehung: Betroffene empfinden oft Scham
Wer über längere Zeit so einer Beziehung ausgesetzt ist, empfindet häufig – statt Wut oder Abgrenzung – Scham. „Wut ist ein nach außen gerichtetes Gefühl. Die darf also nicht sein, denn das könnte zum Bruch der Beziehung führen“, erklärt Anne Johne, „Wenn ich mich schuldig fühle, habe ich eine Pseudokontrolle. Dann kann ich bleiben. Und kann die Situation vielleicht noch ändern. Also geht alles nach innen: Schuld, Scham, Depression.“