Was ist der Default-Effekt?
Der Begriff "default" ist Englisch und bedeutet "Vorgabe" oder "Voreinstellung": Wir neigen dazu, den Dingen ihren Lauf zu lassen, wie sie sich von selbst ergeben – beziehungsweise wie sie vorgegeben und voreingestellt sind. Als kognitive Verzerrung gilt der Default-Effekt durch unterschiedliche Studien und Statistiken als belegt.
Anzeige
Eine beeindruckende Untersuchung veröffentlichten Forschende zum Beispiel 2011 im "Journal of Medical Ethics". Bei den Versuchspersonen handelte es sich um Eltern von sehr früh geborenen Kindern, die sich für oder gegen eine Wiederbelebung im potenziellen Ernstfall entscheiden mussten. In der Versuchsgruppe, die als Option "Wiederbelebung" wählen konnte, entschieden sich 80 Prozent für diese Variante. In der Gruppe, die "sterben lassen" angeboten bekam, lehnten dies nur 39 Prozent ab – das heißt, nicht einmal halb so viele Menschen ersuchten aktiv eine Wiederbelebung, wenn sie nicht das vorgegebene Angebot war.
Eine denkwürdige Statistik, in dem der Default-Effekt sichtbar wird, betrifft zudem den Bereich Organspenden: In Ländern, in denen der Organspendeprozess so geregelt ist, dass Menschen grundsätzlich als Organspendende behandelt werden und widersprechen müssen, sofern sie nicht damit einverstanden sind, belassen es rund 99 Prozent bei einer Zustimmung. Ist die Verfahrensweise umgekehrt, das heißt müssen sich Personen in einem Staat aktiv als Organspendende registrieren, pendeln die Quoten der Organspendewilligen zwischen vier und 28 Prozent. Diese Zahlen deuten an, dass ein Großteil der Menschen nicht aus Überzeugung Organspenderin oder Nicht-Organspender sind – sondern weil sie die bequemste Option wählen, die Default-Option.
Haben wir einmal vom Default-Effekt gehört, werden uns in unserem Alltag zahlreiche Beispiele auffallen, in denen er unsere Entscheidungen beeinflusst: Wenn wir eine Website öffnen und mit einem leichtfertigen Klick die empfohlenen Cookies oder Push-Nachrichteneinstellungen akzeptieren. Wenn wir einen Flug buchen und das angepriesene Plus-Paket auswählen, bei dem wir gegen eine Zuzahlung bevorzugt behandelt werden, sollten wir den telefonischen Service in Anspruch nehmen. Wenn wir uns mit einer Freundin verabreden und sie direkt mit einem Restaurantvorschlag einsteigt. Und womöglich auch, wenn wir einen Beruf wählen, den unsere Eltern sich für uns vorgestellt haben. Wenn wir entscheiden können, wo wir leben möchten, und in die geerbte Wohnung ziehen. Wenn wir heiraten und Kinder bekommen, weil das so üblich ist. Gewiss muss nicht jede Entscheidung, bei der wir den naheliegenden, vorgezeichneten Weg einschlagen, eine reine Default-Handlung sein. Doch vermutlich sähen viele Biografien anders aus, würde es den Default-Effekt nicht geben.
In gewisser Weise greift der Effekt übrigens auch, wenn wir aus Gewohnheit handeln und uns so verhalten, wie wir uns immer verhalten haben: In diesem Fall wählen wir schließlich die Option, die in unserem Gehirn voreingestellt ist.