Wer ist stärker von toxischen Merkmalen betroffen? Männer oder Frauen?
Toxisches Verhalten machte keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern – Männer und Frauen könnten gleichermaßen betroffen sein, so Verena Düttmann. Die Art und Weise, wie toxisches Verhalten gezeigt und erlebt wird, könne jedoch variieren. Männer zeigten beispielsweise eher dominantes und aggressives Verhalten, während Frauen eher subtilere Formen wie emotionale Manipulation nutzten.
Was ist am toxischen Partner so anziehend?
Manche Menschen verlieben sich immer wieder in „den Falschen“ oder „die Falsche“. Sie lassen sich wieder und wieder auf Beziehungen ein, die von Lieblosigkeit geprägt sind oder in denen sie entwertet und gedemütigt werden. Dafür gibt es laut Psychotherapeutin Düttmann mehrere Gründe. So würden toxische Menschen zu Beginn einer Beziehung oft ein Übermaß an Liebesbekundungen zeigen, auch „Love Bombing“ genannt.
Doch schon nach kurzer Zeit zeigten sich negative Dynamiken wie Abwertungen oder ständige Kritik, so die Expertin. „Das Wechselspiel von Verletzungen und anschließenden intensiven Versöhnungen kann leidenschaftlich und anziehend sein – regelrecht süchtig machen“, erklärt Düttmann. Solche Hochs könnten sich dann besonders hoch anfühlen, weil die Tiefs in toxischen Beziehungen besonders tief seien.
Wer häufig mit Menschen zu tun hat, die ihm oder ihr nicht gut tun, sucht vielleicht aber auch unbewusst nach einem Pendant, das sich so verhält, wie man es gewohnt ist: „Die Anziehung zu toxischen Menschen kann aus früheren Erfahrungen herrühren“, erklärt Psychologe Junker. Demnach würden Betroffene Partnerinnen oder Partner bevorzugen, die sich so verhalten, wie sie es aus ihrer Kindheit kennen – einfach, weil es ihnen vertraut ist.
Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Wahl nicht nur eine Frage der Gewohnheit ist. Vielmehr sei ein psychologischer Effekt für die toxische Partnerwahl verantwortlich, der in der Fachwelt als „Selbstbestätigung“ („self verification“) bekannt ist: Die Theorie besagt, dass Menschen Partner oder Partnerinnen suchten, die ihr Selbstbild bestätigen. So zeigte eine Studie aus den USA, dass sich Menschen mit geringem Selbstwertgefühl und unsicheren Bindungsstilen stärker zu potenziellen Partnern hingezogen fühlten, die ihr negatives Selbstwertgefühl bestätigten.
Auch interessant: Wann Kinder Kontakt zu toxischen Eltern abbrechen sollten
Warum verhalten sich Menschen toxisch?
Die Gründe für einen toxischen Beziehungsstil liegen oft tief in der Vergangenheit, etwa wenn die Beziehung zu den eigenen Eltern vergiftet war, erklärt Psychotherapeutin Düttmann. Dann könnten sich Menschen auch in anderen Beziehungen ähnlich toxisch verhalten. „Sie zeigen, was ihnen vorgelebt wurde und was ihnen vertraut ist. Sie kennen Beziehungen einfach nicht anders“, sagt Düttmann.
Auch ungelöste persönliche Konflikte, fehlende Bewältigungsstrategien für Stress oder Traumata könnten Gründe für toxisches Verhalten sein, ergänzt Psychologe Junker von der Online-Selbsthilfe-Plattform „couch:now“. In den meisten Fällen gehe es aber darum, Macht über andere auszuüben, etwa um eigene Unsicherheiten zu kompensieren. „Eine pauschale Bezeichnung als ‚toxisch‘ übersieht diese Hintergründe und die Möglichkeit der Veränderung“, so Junker.