Toxische Chefs So kontern Sie verbale Attacken im Job
Wer persönlich angegriffen wird, neigt zu einer emotionalen Reaktion. Wie bleibt man sachlich? Karriereberater Martin Wehrle nennt entwaffnende Sätze – und verrät drei Tricks, wie man sie souverän anwendet.
26.04.2023, 19.45 Uhr
Artikel zum Hören•6 Min
Foto: iStockphoto / Getty Images
Was tun Sie, wenn Sie persönlich angegriffen werden? Wenn Sie jemand diffamiert oder beleidigt, statt sachlich mit Ihnen zu sprechen?
Martin Wehrle
Martin Wehrle
Jahrgang 1970, war Manager, bevor er Karriereberater wurde. Er hat ein halbes Dutzend SPIEGEL-Bestseller geschrieben, heute erscheint: »Wenn jeder dich mag, nimmt keiner dich ernst.« An seiner Akademie bildet er Karrierecoaches aus.
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Schauen wir uns folgenden manipulativen Dialog an. Achten Sie darauf, mit welchen Mitteln der Geschäftsführer gegenüber seiner Mitarbeiterin agiert:
Die Mitarbeiterin sagt: »Ich möchte einen Betriebsrat einführen, der die Interessen von uns Mitarbeitern vertritt. Ein solcher Betriebsrat steht uns zu.«
Der Geschäftsführer antwortet: »Sie wollen doch nur Ihren eigenen Kopf retten! Sie standen schon zweimal kurz vor der Entlassung.«
»Was erlauben Sie sich! Das stimmt doch nicht. Ich setze mich für einen Betriebsrat im Namen der Kollegen ein.«
»Im Namen der Kollegen? Na, die werden sich bedanken! Sie sollten mal hören, was die über Sie sagen.«
»Ich bin fassungslos. Sie wollen meinen guten Ruf zerstören! Aber das wird Ihnen nicht gelingen.«
»Ich kann Ihren Ruf nicht mehr zerstören, das haben Sie selbst schon besorgt.«
»Jetzt passen Sie mal auf! Nicht ich bin das Problem, sondern Sie! Wir brauchen einen Betriebsrat, weil hier Verhältnisse wie im Wilden Westen herrschen. Ich erinnere nur daran, wie Herr Klein aus der Firma gemobbt wurde!«
»Klein wurde wegen Diebstahls entlassen. Das ist kriminell.«
»Kriminell war, dass man Herrn Klein einen Diebstahl unterstellt hat! Ich habe es nicht nötig, mich von Ihnen beleidigen zu lassen.«
»Merken Sie eigentlich, wie sehr Sie ins Schwitzen kommen? Aber mehr Schweißperlen auf der Stirn bedeuten nicht mehr Glaubwürdigkeit.«
Ein persönlicher Angriff soll Ihre Glaubwürdigkeit zerstören. Wenn es gelingt, Sie als unseriöse Person abzustempeln, rückt das Ihre Argumente ins selbe Licht. Der Angriff soll dafür sorgen, dass Sie den Pfad der sachlichen Argumentation verlassen. Sobald Sie in der rhetorischen Schlacht zurückschlagen, kann Ihr Gegner Ihnen genau das vorwerfen. Und der persönliche Angriff lenkt ab. Je mehr Sie damit beschäftigt sind, sich zu rechtfertigen und zu verteidigen, desto mehr vergessen Sie Ihr eigentliches Anliegen.
Warum funktionieren persönliche Angriffe so gut? Weil wir darauf mit Kampf oder Flucht reagieren. Ihr Blutdruck steigt, Ihr Atem beschleunigt, Ihr Herz rast los. Ihre Pupillen weiten sich, damit Sie die Gefahr fixieren können. Und Ihre Muskeln spannen sich an, damit Sie einen Angriff besser abwehren können. Zugleich fährt Ihr Gehirn das Denken zurück. In einer Millisekunde werden Sie vom zivilisierten Menschen zum Neandertaler mit Keule.
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Lassen Sie uns betrachten, wie der obige Dialog hätte verlaufen können, wenn die Mitarbeiterin innerlich ruhig geblieben wäre:
Mitarbeiterin: »Ich bin der Meinung, wir brauchen einen Betriebsrat… Ein solcher Betriebsrat steht uns zu.«
Geschäftsführer: »Sie wollen doch nur Ihren eigenen Kopf retten! Sie standen schon zweimal kurz vor der Entlassung.«
»Ich habe gerade gesagt, dass uns ein Betriebsrat gesetzlich zusteht. (Sie wiederholt ihre Botschaft, statt sich vom persönlichen Angriff ablenken zu lassen.) Und ich habe das Gefühl, Sie wollen durch Ihren persönlichen Angriff nur von dieser Tatsache ablenken. (Sie gibt dem Angreifer zu verstehen, dass sie seine Taktik durchschaut.) Noch einmal, auch im Namen der Kollegen: Wir haben einen Anspruch auf einen Betriebsrat.« (Sie lenkt den Blick wieder aufs Sachthema.)
»Im Namen der Kollegen? Na, die werden sich bedanken! Sie sollten mal hören, was die über Sie sagen.«
»Ich möchte mit Ihnen nicht darüber sprechen, was andere über mich sagen, sondern darüber, was Sie zu einem Betriebsrat sagen. Das ist jetzt mein dritter Anlauf.« (Sie lässt den persönlichen Angriff an sich abprallen, lenkt zur Sache zurück und bringt ihren Gesprächspartner in Zugzwang durch den Verweis, es sei bereits der dritte Anlauf.)
»Mündige Mitarbeiter können für sich selber sprechen. Wir brauchen keinen Betriebsrat.«
»Ich freue mich, dass Sie von mündigen Mitarbeitern ausgehen. In diesem Punkt bin ich ganz bei Ihnen.« (Sie hebt eine Übereinstimmung hervor, was inhaltlich und psychologisch geschickt ist – so wird aus einem Gegeneinander ein Wir.) »Aus meiner Sicht ist ein Betriebsrat nichts weiter als ein Sprachrohr für diese mündigen Mitarbeiter.« (Sie definiert den Gesprächsgegenstand, ein solches Framing kann eine Diskussion entscheiden.)
»Aber ein Betriebsrat kann auch ein Sammelbecken für Querulanten sein!«
»Dann lassen Sie uns darüber reden, wie unser Betriebsrat aussehen muss, um konstruktiv am Erfolg Ihrer Firma mitzuarbeiten. Ich habe da zum Beispiel folgende Ideen…« (Sie geht auf die Bedenken ein und bietet eine konstruktive Lösung an. Ab diesem Zeitpunkt wird ein vernünftiges Gespräch möglich.)
SPIEGEL-Bestseller-Autor Martin Wehrle
SPIEGEL-Bestseller-Autor Martin Wehrle Foto: IMAGO
Ich empfehle Ihnen drei Schritte, um persönliche Angriffe abzuwehren:
Erstens: Tun Sie alles, um die automatisch anlaufende Kampf-Flucht-Reaktion zu unterbrechen. Atmen Sie tief ein und aus. Kneifen Sie sich in den Oberschenkel oder beißen Sie sich auf die Lippe, um einen körperlichen Gegenreiz zu setzen. Und sagen Sie sich innerlich: »Ich bin ganz ruhig, ganz souverän. Das Problem hat gerade der andere, nicht ich!«
Zweitens: Lenken Sie das Gespräch auf das Sachthema zurück und springen Sie nicht auf die Provokation an. Sagen Sie Ihrem Gesprächspartner, dass seine persönlichen Angriffe Sie nicht von der Sache ablenken können. Wiederholen Sie diese Strategie hartnäckig.
Drittens: Sollte Ihr Gesprächspartner ausfallend bleiben, kündigen Sie an, das Gespräch zu verlassen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen, sobald dieses wieder »in einer sachlichen Atmosphäre möglich« sei. Tun Sie das dann auch!
Ein Satz, mit dem Sie perfekt auf persönliche Angriffe reagieren können: »Bitte kehren Sie auf unser Niveau zurück.« Das funktioniert aus zwei Gründen. Zum einen definieren Sie das Niveau, und zum anderen treten Sie als Sprecher einer Gruppe auf (»unser Niveau«). Das weckt in Ihrem Gesprächspartner die Urangst, sich von seiner Horde auszuschließen. Oft wird er seinen Ton zügeln und in der Sache einen Schritt auf Sie zukommen – um zu beweisen, dass er doch Niveau hat.
Dieser Artikel ist ein bearbeiteter Auszug aus Martin Wehrles neuem Buch »Wenn jeder dich mag, nimmt keiner dich ernst – Sagen, was man denkt. Bekommen, was einem zusteht« (Mosaik, 2023).