Warum es dir so Angst macht, eine Beziehung zu definieren

#1 von carlos , 15.11.2022 11:19

Es gibt einige Sätze aus drei Worten, die lockere Beziehungen spontan implodieren lassen können – zum Beispiel „Ich liebe dich“, „Es funktioniert nicht“ und „Was sind wir?“. Und obwohl die Motivation hinter all diesen Sätzen total verständlich ist, reden wir uns trotzdem oft ein, wir sollten uns eigentlich damit zufrieden geben, eine Beziehung nicht weiter zu definieren – und das ist überhaupt nicht fair.
Wenn du dich regelmäßig mit jemandem triffst, ihr euch aber nie wirklich darüber unterhalten habt, was ihr euch voneinander wünscht oder wie ihr euer Verhältnis betrachtet, wirst du dich sicher früher oder später fragen, was ihr eigentlich füreinander seid. Warum tänzeln wir dann also trotzdem so unsicher um das „Was sind wir?“-Gespräch herum?

Warum ist es so gruselig, eine Beziehung zu definieren?
„Prinzipiell mögen viele Leute diese Unklarheit, weil sie sich sicherer anfühlt“, erklärt die Psychologin Dr. Kayla Knopp. Beziehungen waren früher linearer und durchliefen ganz klare „Verpflichtungsphasen“, erzählt sie. Man kam zusammen, verlobte sich, und dann wurde geheiratet. Heutzutage sind Beziehungen aber eben nicht mehr so einheitlich: Manche Paare wollen heiraten, andere wollen lieber etwas Lockeres, und die meisten fühlen sich irgendwo in der Mitte am wohlsten. Wir sind uns aber nicht immer sicher, in welche dieser Richtungen unsere Beziehungen hinauslaufen – also drücken wir uns komplett davor, ihnen einen Stempel zu verpassen, erklärt Dr. Knopp. „Es ist angsteinflößend, eine Entscheidung über die Beziehung zu treffen. Deswegen sind viele Leute dahingehend sehr nervös“, sagt sie.
Manche Paare schieben das „Offiziellmachen“ der Beziehung lange vor sich her, weil sie Angst davor haben, das Ergebnis dieses Gesprächs könnte ihnen womöglich nicht gefallen, meint Dr. Knopp und ergänzt, dass wir diese Angst am besten überwinden sollten. „Mein Argument dazu: Es ist immer besser, Bescheid zu wissen“, sagt sie. Ein Schlussstrich kann wehtun – aber zumindest investierst du dann keine weitere Zeit und Energie in etwas, das dir nicht passt, meint sie. „Das Ende dieser Beziehung ist kein Zeichen dafür, dass du versagt hast. Es ist auch nichts Schlimmes“, sagt Dr. Knopp. „Es bedeutet einfach, dass ihre Zeit vergangen ist.“

Wann sollte ich eine Beziehung definieren?
Das Gefühl, dazu bereit zu sein, euer Verhältnis näher zu definieren, macht dich nicht automatisch zu einem besonders fordernden, klammernden Menschen (solange du daraus kein Ultimatum machst!). Es heißt lediglich, dass du weißt, was du willst – und keine Zeit für etwas verschwenden möchtest, das dem nicht entspricht.

Dr. Knopp betont, dass es bei der Definition einer Beziehung nicht zwangsläufig darum geht, deren Monogamie zu etablieren. Das wird oft falsch verstanden. In diesen Gesprächen geht es eigentlich nur um zwei (oder mehr) Menschen, die herausfinden, wie ihr Verhältnis in Zukunft aussehen soll, erklärt sie. Selbst wenn sich die Monogamie in dieser Diskussion ergibt, könnt ihr euch immer noch gemeinsam dazu entscheiden, eben nicht monogam zu sein – und zum Beispiel eine offene Beziehung einzugehen.
So kontraintuitiv sich das auch anhören mag, aber: Besonders für nicht-monogame Paare ist es enorm wichtig, die Beziehung zu definieren, damit alle Partner:innen ein klares Verständnis dafür haben, wie ihr Arrangement aussehen soll, meint Dr. Knopp. Wenn ihr euch zum Beispiel dazu entschließt, eine offene Beziehung auszuprobieren, einigt ihr euch vielleicht darauf, keine Details über andere Partner:innen miteinander zu teilen. „Eine der Stärken nicht-monogamer Beziehungen ist oft eine bessere Kommunikation rund um die Erwartungen, die alle Beteiligten an die Beziehung haben“, sagt sie. Diese Themen ergeben sich nicht immer von selbst – und genau deswegen ist es so wichtig, diese Gespräche zu führen.
Auch für Paare, die schon in einer monogamen Beziehung sind, können sich diese Gespräche lohnen. Sie dienen aber einem anderen Zweck: Wenn Paare absichtliche, gemeinsame Entscheidungen rund um ihre Hingabe zueinander treffen, bevor sie gemeinsam einen großen Schritt wagen, kann sie das „vor einigen der negativen Konsequenzen bewahren, die diese Veränderung ansonsten womöglich hätte“, erklärt Dr. Knopp. Wenn du und dein:e Partner:in also zum Beispiel bald zusammenzieht, solltet ihr euch vorher ein wenig Zeit nehmen und darüber sprechen, wie ihr euch den weiteren Verlauf eurer Beziehung vorstellt. „Beziehungen mit solchen Gesprächen haben häufig viele positive Eigenschaften“, sagt Dr. Knopp.

Was sollte ich sagen, wenn ich die Beziehung definieren möchte?
Um sicherzustellen, dass euer Gespräch gut verläuft, solltest du deine Gefühle präsentieren, ohne dein Gegenüber dabei zu beschuldigen oder zu verurteilen. „Gute Kommunikationsfähigkeiten sind hier besonders wichtig und können dafür sorgen, dass ihr euch beide in einem Gespräch sicherer fühlt, das sonst auch bedrohlich oder angsteinflößend wirken könnte“, sagt sie. Nutze „Ich“-Sätze, anstatt immer mit „Du“ zu beginnen – und versuche, häufiger zu wiederholen, was dein Gegenüber sagt, um sicherzugehen, dass du seine:ihre Bedürfnisse auch richtig verstehst, rät Dr. Knopp.
Wenn du das Gefühl hast, dass euer Gespräch nirgendwohin zu führen scheint, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass ihr das Ganze erstmal verschieben solltet. Laut Dr. Knopp wünschen sich viele Paare, sie hätten die Beziehung schon früher definiert – das heißt aber nicht, dass man diese Diskussionen so früh wie möglich führen sollte. Und wenn du trotzdem Schiss davor hast, ein „Also, was sind wir?“ in den Raum zu werfen, geh das Ganze lieber so an: „Prinzipiell ist es immer besser, etwas zu entscheiden, anstatt keine Entscheidung zu treffen“, meint Dr. Knopp. Letztlich gilt aber natürlich: Es ist deine Beziehung – und deine Entscheidung.

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