Warum Safari-Chirurgie nicht funktioniert

#1 von carlos , 24.12.2017 00:23

Spaltkinder können heute relativ einfach operiert werden. Warum die Hilfe in vielen Ländern trotzdem nicht funktioniert, schildert Alexander Gross, Geschäftsführer der Deutschen Cleft Kinderhilfe.



Wie entwickelt sich die Hilfe für Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten weltweit? Welchen Beitrag leistet die Auslandshilfe? In welche Richtung sollte gearbeitet werden? Mit diesen Fragen setzt sich die Deutsche Cleft Kinderhilfe e.V. mit Sitz in Freiburg seit Beginn ihrer Tätigkeit im Jahr 2002 auseinander.

Dabei stehen sich fundamentale gegensätzliche Vorstellungen der Hilfe gegenüber. Die Deutsche Cleft Kinderhilfe positioniert sich hier klar und richtet ihre Hilfe auf ausschließlich nachhaltige Projektarbeit aus, in deren Rahmen die einheimischen Chirurgen, Ärzte, Therapeuten und Projektmitarbeiter im Zentrum stehen und die Entwicklungen bestimmen.
Die alten Konzepte behindern die Entwicklung im Land

Viele Organisationen und OP-Teams folgen immer noch dem Einsatz-Prinzip für ihre Auslandshilfe. Teams werden zusammengestellt, Partner im Ausland für das Auffinden von betroffenen Kindern gesucht und Krankenhäuser als Operationsstandort ausgewählt. Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit unterscheiden sich Einsätze oder „missions“ im Grad ihrer Anbindung an vorhandene einheimische Strukturen.

Die Bandbreite erstreckt sich von einmaligen chirurgischen Einsätzen („Safari-Chirurgie“), über wiederkehrende Einsätze mit Ausbildungskomponenten (die häufig nicht funktionieren), bis hin zu regelmäßigen Einsätzen mit dem Ziel, ein von Einheimischen getragenes Behandlungszentrum aufzubauen und zu etablieren. Doch auch dies scheitert häufig, weil den kulturellen und politischen Gegebenheiten im Projektland viel zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Fatal an diesen alten Konzepten ist, dass sie positive Entwicklungen in einem Land sogar behindern können - mit negativen Folgen für die Patienten.
Wenn OP-Teams "einfallen" - und Patienten ohne Nachsorge zurücklassen

In Indien fördert die Deutsche Cleft Kinderhilfe sechzehn Spaltzentren - unter anderem in Agra einer Millionenstadt südlich Neu-Dehli. Der leitende indische Mund-Kiefer-Gesichtschirurg dort, Dr. Gaurav Gupta, hat in acht Jahren 1.831 Operationen durchgeführt und betreut seine Patienten über viele Jahre umfassend – so wie es sein muss. Doch seine Arbeit ist heute extrem belastet.

Nicht weil ein anderes gut arbeitendes Zentrum Konkurrenz macht, sondern weil Operationsteams aus dem In- und Ausland „einfallen“, den aus sehr einfachen Verhältnissen stammenden Patienten Versprechungen machen und ihnen sogar direkt Geld anbieten. Gupta äußert sich eindeutig: „Operationseinsätze für Spaltpatienten müssen in Indien aufhören! Die Operationsqualität ist schlechter als in Zentren. Es gibt keine Nachbetreuung bei Komplikationen, von einer umfassenden Behandlung unter Beizug von Sprachtherapeuten, Zahnärzten und Kieferorthopäden ganz zu schweigen."

Die Deutsche Cleft Kinderhilfe kennt die Argumente der Organisationen und Chirurgen, die von der Einzelfallhilfe ausgehen und Einsätze nach wie vor für berechtigt halten. Sie steht diesen Einsätzen in stark unterversorgten Regionen und Ländern auch nicht völlig ablehnend gegenüber, aber eine wirklich positive Veränderung erreichen wir dadurch für ein Land und seine Lippen-Kiefer-Gaumenspalten-Patienten nicht.

Ein langfristig wirksames Konzept bedingt echte Partnerschaft, gute Beziehungsarbeit, kulturelles Verständnis und die intensive Beschäftigung mit regionalen privaten, gesellschaftlichen und politischen Kräften im Land. Nur dann können Anlaufstellen, chirurgische Projekte und später Spaltzentren erfolgreich aufgebaut werden.

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RE: Warum Safari-Chirurgie nicht funktioniert

#2 von carlos , 24.12.2017 00:23

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