Nachdem ich mein Staatsexamen abgeschlossen hatte, entwickelte sich schnell der Wunsch, vor dem Berufseinstieg noch einen zahnärztlichen Aufenthalt im Ausland absolvieren zu wollen.
Nachdem ich etwas recherchierte war schnell klar, dass der zahnärztliche Austauschdienst für meine Pläne der richtige Ansprechpartner war und so begann ich, mich auf dessen Internetpräsenz zu informieren und Erfahrungsberichte zu lesen.
Ich kontaktierte daraufhin einen ehemaligen Famulanten, um Einzelheiten über seinen Einsatz zu erfahren und er empfahl mir einen anderen, als den beim ZAD erwähnten Einsatzort.
Er schwärmte von seiner zweiten Famulatur, die er nach seinem Examen unabhängig vom ZAD gemacht hatte, weshalb es zu dieser online keinen Bericht gab.
Nach seinen Erzählungen zu seinem Aufenthalt auf den Philippinen war ich sofort begeistert.
Im Vergleich zu anderen Famulaturerfahrungen, von denen ich gehört hatte, schien diese nicht gelistete, zufällig entdeckte Möglichkeit alle positiven Aspekte in Einem zu vereinen und ein echter Geheimtipp zu sein.
Ich setzte mich direkt mit der genannten Kontaktperson in Verbindung und erhielt zu meiner riesigen Freude sehr schnell eine Zusage für den von mir gewünschten Zeitraum.
Ich erfuhr, dass die deutsche Krankenschwester Sabine 2008 auf den Philippinen ein Hilfsprojekt gestartet hatte, das fortan stetig beeindruckend größer und größer geworden war.
Sie leitet nun mit der Filipina Veronica, die wie sie Ordensschwester ist das Mabuhay St.-Francis of Assisi Primary Health Care Program in einer komplett vom Tourismus unerschlossenen, dörflichen Gegend des Landes und freut sich immer über helfende Hände von Medizinern und Zahnmedizinern.
Dabei betreut sie 4 Tage die Woche alle medizinischen Fälle, mit denen Patienten bei ihr Rat suchen, im Durchschnitt etwa 70 pro Tag!
Hier in Deutschland plante ich also alles für meine Reise.
Für die großzügige Menge an verschiedensten Dentalspenden, die ich auf Nachfrage erhalten habe bin ich der Karl-Hammacher GmbH, der Ivoclar Vivadent GmbH, der Henry Schein Services GmbH, der 3M ESPE AG, der Dentsply DeTrey GmbH, der Coltene/ Whaledent GmbH + Co. KG, der Dr. Jean Bausch KG, der lege artis Pharma GmbH + Co. KG, der Voco GmbH, der frasaco GmbH und der Müller & Weygandt GmbH (MW dental) zu großem Dank verpflichtet!!
Endlich auf den Philippinen angekommen, holte mich Sabine vom Flughafen der 30km von der Station entfernt liegenden Stadt früh morgens ab.
Der Tag begann dann nach einem gemütlichen Frühstück direkt mit einer Kreuz-&Quer Tour durch verschiedene Haushalte, da an meinem Ankunftstag die ‚Fiesta‘ einer der angrenzenden Gemeinden war, ein jährlicher Feiertag, der für jede Ortschaft an einem anderen Datum liegt und jedes Mal eine Riesensause ist :)!
Völlig selig von all den Köstlichkeiten und der Herzlichkeit der Einheimischen bin ich dann nach der langen Reise auch erstmal in einen 16h andauernden Schlaf gefallen.
Als ich am nächsten Tag die zahnärztlichen zwei Behandlungsräume genauer in Augenschein nahm und die Spenden einsortierte, habe ich mit Überraschen festgestellt, wie gut die Ausstattung vor Ort war! Es fehlte an so gut wie keinen Materialien, die Stühle hatten soweit keine fehlenden Funktionen und der Behandlungsraum hatte sogar eine Klimaanlage!
Voller Tatendrang erwartete ich also den nächsten Tag, einen Montag, an dem ich starte konnte. Dass eine deutsche Zahnärztin zu Besuch war, die ihre Dienste anbietet wurde nämlich bereits im Vorfeld über den Buschfunk verbreitet.
Die Behandlung der kommenden Wochen war dann Gold wert! Das Hauptaufgabengebiet bestand neben jede Menge Extraktionen vor allem aus Kompositfüllungen der Front- und Seitenzähne (fast ausschließlich okklusal). Unglaublich interessant waren vor allem aber auch all die Zahnanomalien, die man fleißig fürs Examen auswendig gelernt hatte und von denen man nun tatsächlich viele klinisch entdecken konnte, seien es jegliche überzählige Zähne, Zapfenzähne der OK Front, Form- und Zahnhartsubstanzanomalien oder enorme Fehlstellungen.
Dienstag und Donnerstag ist immer eine Zahnärztin aus der Region vor Ort, die jedoch nur Extraktionen vornimmt und daher liebevoll Dr. Pull genannt wird :). Da sie auf ihrem Gebiet einsame Spitze war, konnte man sie stets um Rat fragen und einmal kam es auch vor, dass ein Patient, dessen Zahn ich partout nicht entfernen konnte zu ihren ‚Sprechzeiten‘ wiederkommen musste (sie hat ihn tatsächlich auch nicht entfernen können ;).)
Ansonsten ist das Erfolgskonzept ganz einfach: learning by doing! Ich war positiv überrascht, wie schnell sich das eigene Geschick verbessert und was für tief abgebrochene Wurzelreste ich am Ende rausbekommen habe, deren Entfernung mich anfangs total überfordert hatte.
Für die Extraktionen stehen nämlich lediglich manuelle Hilfsmittel wie Heidemann, Hebel, Zangen und Krallen (dafür gibt es hiervon eine riesige Auswahl!) zur Verfügung, es ist jedoch nicht üblich, Knochen mit einer Fräse zu entfernen, oder den Zahn maschinell zu trennen, wie es in Deutschland bei hartnäckigen Zähnen der Fall wäre.
Genäht wird generell nicht, die Patienten erhalten nach der Extraktion stets eine antibiotische Abschirmung, deren Dosis gegebenenfalls (etwa bei einer MAV) verdoppelt wird.
Das Schockierendste waren wohl die Gebisszustände der Kinder- und Jugendlichen. Ihre Behandlung gestaltete sich besonders schwierig, da sie meist kamen, wenn es bereits zu spät war und der Zahn nicht mehr gerettet werden konnte. Dementsprechend waren auch die bisherigen Zahnarzterlebnisse und die darin begründet liegende Behandlungsangst der meisten Kinder.
Die Hauptgründe des Kommens der Patienten waren neben Zahnschmerz die Wünsche nach Frontzahnfüllungen und prophylaktischer Entfernung von Wurzelresten.
Leider galt jedoch auch bei ersterem, dass die Defekte meist schon sehr tief sind, wenn es die Patienten ästhetisch stört und sie sich so schließlich zur Restauration entscheiden. Zum Teil war es wegen der fehlenden Möglichkeit einer endodontischen Behandlung dann angezeigt den Zahn nach einer Eröffnung der Pulpa im stark Kariösen direkt entfernen zu müssen.
Besser zu retten waren die Zähne, auf deren Läsionen man die Patienten aufmerksam machte, wenn sie eigentlich aus einem anderen Grund zur Behandlung gekommen waren.
Viele kamen auch bereitwillig wieder, sodass ich zum Beispiel bei einem 13jährigen Patienten in mehreren Sitzungen insgesamt 14 Füllungen gemacht habe. Danach war sein Gebiss komplett kariesfrei und ich hoffe er hat durch all das Mundoffenhalten seine Lektion gelernt ;).
Ich behandelte wie Sabine immer Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag, solange, wie Patienten im Wartezimmer waren. Das hieß mal bis 13 Uhr und mal bis 19Uhr.
Mittwochs kamen zusätzlich meist noch Freunde und Bekannte zur Behandlung.
Die größten Herausforderungen waren ganz klar zum einen die erschwerte Diagnostik (es gab weder die Möglichkeit zu Röntgen, noch Kältespray) sowie zum anderen die Behandlung ohne Kofferdam oder Fäden und zum Teil ohne Assistenz.
Es sind zwar fast immer Volunteerhelferinnen vor Ort, die trotz einiger angeeigneter Vokabeln für die Übersetzung der Patientengespräche unerlässlich sind, diese übernehmen jedoch verschiedene Aufgabenbereiche, sodass sie nicht immer Zeit haben. Die Ladies sind zwar natürlich nicht geschult, dafür aber unglaublich liebenswürdig und bemüht! :)
Außerdem hatten die Behandlungsstühle so ihre Tücken, alles kein Drama, aber für uns deutsche doch eine kleine Geduldprobe ;).
Auf jeden Fall das perfekte Bootcamp, sodass die Behandlung mit der deutschen Technik und sämtlichen Hilfsmitteln jetzt wie ein Klacks laufen müsste ;).
Die Patienten waren dagegen wohl im Vergleich zu vielen Deutschen ein Segen. Sie kamen von weit her, geduldeten sich ewig im Wartezimmer und trauten sich kaum, irgendetwas an der Behandlungsart auszusetzen, sei es nur zuzugeben, dass die Füllung noch ein Stück zu hoch ist ;).
Insgesamt sind die Filipinos unglaublich lebensfrohe, warmherzige und respektvolle Menschen!
Den Rest der Zeit waren wir von Sabines Freunden viel zum Essen eingeladen, zu einer Hochzeit und zu Geburtstagen. Wo ich auch hinkam wurde ich mit offenen Armen und voller Begeisterung empfangen und die philippinische Bevölkerung ist mir sehr ans Herz gewachsen!
Außerdem hat Sabine mir immer liebend gern die Gegend rund um die Station gezeigt. In der nächstgrößeren Stadt ist auch alles erhältlich, was man so brauchen könnte. Northern Samar erinnert was Vegetation, Bauart und Verkehr betrifft an andere südostasiatische Länder, wie Thailand, Kambdscha und Vietnam, für Europäer immer wieder ein Erlebnis ;).
Die ‚Station‘ wie ich sie so häufig betitele besteht aus dem Haupthaus, in dem Sister Sabine und Sister Veronica wohnen, dem Gästehaus, in dem ich mit 2 Schlafzimmern, 2 Badezimmern, einem Wohnzimmer mit Kühlschrank und Spüle und einer riesigen Sonnenterasse luxuriös untergebracht war, einem Laborgebäude, dem Zahnklinikgebäude, das gerade erst fertig gestellt wurde, einem riesigen Obst-&Gemüsegarten und einem Pool. Außerdem gibt es noch kleinere Häuschen, in denen die 3 männlichen Filipinos wohnen, die Sabine&Veronica als fleißige Helferlein allround unterstützen.
Alles ist sehr stabil gebaut, man fühlt ich sicher, es gibt fließend Wasser und Strom (für die Gegend bei weitem nicht selbstverständlich ;).)
Man wird als Gast morgens, mittags und abends stets auf höchste Maß befriedigend mit Essen versorgt und es wird sogar die eigene Wäsche gewaschen. Alles in allem wird man also für einen Zeitraum Teil einer kleinen Familie :).
Wie bereits oben angedeutet, war der Einsatz für mich von großem persönlichem und beruflichem Wert! Alle meine Wünsche und Erwartungen an den Aufenthalt wurden erfüllt.
Ich kann diese Famulaturstelle nur wärmstens empfehlen! Zum einen, da die zahnmedizische Ausstattung für ein solches Land erstklassig ist und zum anderen, weil man so liebevoll untergebracht ist und fern ab von jeglichem Tourismus in das Einheimischenleben eintauchen kann.
Bei Fragen oder bei Interesse, Sabines&Veronicas Projekt und somit die Einwohner Nord-Samars unterstützen zu möchten meldet euch gern bei mir, ich stelle dann den Kontakt her!
Birte.loechelt@gmx.de