Das Land und seine Menschen lassen ihn nicht mehr los: Vor drei Jahren hat Sven Hunger, Schreinermeister aus Münsingen, einen Kinderspielplatz für ein Krankenhaus in Peru gebaut. Nach vier Wochen flog der Handwerker mit seiner Frau und den drei Kindern damals wieder nach Hause. Doch seine Reise – sie war durch eine Zufallsbegegnung mit einem Ehepaar aus Peru in Bad Urach entstanden – hatte etwas in ihm angestoßen.
»Was ich dort gesehen, gehört und erlebt habe, hat mich berührt«, sagt Hunger. Samuel Venegas Torres, einem Arzt, der sich um mittelose Patienten in den Anden kümmert, hat ihn tief beeindruckt. Seitdem verbringt der Münsinger mehrere Wochen im Jahr in Peru, gemeinsam mit Mitstreitern in Deutschland und der Schweiz unterstützt sein Verein Emaus-Uripa die Arbeit von Torres mit Spendengeldern.
Helfen in der Heimatstadt
Vor 20 Jahren hat Torres eine Poliklinik in der Stadt Uripa eingerichtet – auf 3 200 Metern Höhe in den Anden, »der Armenregion Perus«, wie Sven Hunger erläutert. Kommen kann jeder, unabhängig von seinen finanziellen Möglichkeiten, die bei den einfachen Bergbauern und Handwerkern ohnehin sehr begrenzt sind. Torres ist gelernter Zahnarzt, unterstützt wird er von seiner Frau Maxi, die Augenoptikerin ist, sowie Ärzten verschiedener Fachrichtungen und Pflegern. Torres betreibt nicht nur die Ambulanz in den Anden, sondern auch eine Dentalpraxis in der Hauptstadt Lima. Die Geschäfte laufen gut, er könnte in der Großstadt ein angenehmes Leben führen. Das machen viele so: »Mediziner verdienen in Lima um ein Vielfaches besser und haben oft kein Interesse an schlecht bezahlter Arbeit im Hinterland«, sagt Torres.
Doch Uripa, 850 Kilometer von Lima entfernt, ist seine Heimatstadt, sein Großvater und sein Vater waren hier Bürgermeister. »Die Berglandbewohner sind auf medizinische Hilfe angewiesen«, weiß der Arzt. Deshalb hat er sein Auto und ein Haus in Lima zu Geld gemacht und die Klinik in den Anden aufgebaut, bis heute investiert er einen großen Teil des Geldes, das er in Lima verdient, in sein soziales Projekt. Doch die Summe reicht kaum, um das Personal geschweige denn eine Sanierung und Erweiterung der Klinik zu bezahlen.
Mehr Behandlungsräume, eine kleine stationäre Abteilung und ein Wartezimmer, zeitgemäße Apparaturen für Augendiagnostik, Zahn- und Allgemeinmedizin, Labor: Die Liste ist lang. Hunger und sein Förderverein wollen dem peruanischen Arzt helfen, sie mithilfe von Spendengeldern abzuarbeiten.
Dass es bei dem Projekt längst nicht nur darum geht, Schmerzen zu lindern und Krankheiten zu heilen, wissen die Akteure sowohl auf peruanischer als auch auf deutscher Seite: »Die Lebensumstände in den Bergdörfern sind sehr bescheiden«, sagt Hunger. Seine Fotos zeigen Hütten aus Stein, Lehm und Holz, Planen ersetzen Fenster aus Glas. Nachts fallen die Temperaturen in den Anden oft unter den Gefrierpunkt. Das Leben ist einfach und beschwerlich, Arbeitsmöglichkeiten gibt es fast ausschließlich in der Landwirtschaft und im Handwerk.
Ein Mittel gegen die Landflucht
Deshalb, berichtet Sven Hunger, verlassen die Menschen ihre Heimat: Seit Jahren schwemmt die Landflucht Bewohner aus den ländlichen Gebieten nach Lima und andere Großstädte, an deren Rändern die Slums nicht aufhören zu wachsen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben und gut bezahlte Jobs erfüllt sich für die wenigsten.
Einen Ausweg aus dieser Sackgasse sehen der peruanische Arzt und seine Unterstützer in Europa in einer verbesserten Infrastruktur: »Ein Bauer kann seinen Lebensunterhalt sehr wohl alleine bestreiten – aber nur dann, wenn er gesund ist«, sagt Sven Hunger.
Bisher, berichtet er, hatten die Menschen in den Bergdörfern kaum Zugang zu medizinischer Versorgung. Keine Seltenheit, dass der nächste Arzt eine Tagesreise oder mehr entfernt war. Deshalb kommen Torres und sein Team zu den Patienten. Regelmäßig ziehen sie von Dorf zu Dorf und schlagen mobile Versorgungsstationen in öffentlichen Gebäuden auf. Die Termine der mobilen Einsätze gibt Torres’ Frau Maxi bekannt: Zur Poliklinik gehört auch eine kleine Radiostation. Die Kommunikation funktioniert. »Selbst in den abgelegensten Bergdörfern in Peru hat fast jeder ein Radio«, sagt Sven Hunger, der hofft, dass auch Menschen auf der Alb das Hilfsprojekt unterstützen. (GEA)
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