Das Wesen der humanitären Hilfe ist, dass sie im Krisenfall schnell und unparteiisch agiert, unabhängig von politischen, militärischen oder wirtschaftlichen Interessen bleibt und sich allein am Bedarf der betroffenen Menschen orientiert.
Die Krisen in Syrien und in Somalia sind gute Lehrstücke dafür, welche Hürden sich dabei mitunter auftun und wie die Hilfe blockiert, vereinnahmt oder angegriffen wird - mit tödlichen Folgen für viele.
In Syrien sind medizinische Einrichtungen zum militärischen Ziel geworden. Hilfe für Kriegsverletzte wird als kriegerischer Akt interpretiert, die Neutralität von Krankenhäusern systematisch missachtet. Immer wieder werden Ärzte unter Druck gesetzt, verwundete Patienten auszuliefern - ein klarer Bruch des humanitären Völkerrechts.
In Somalia soll nach Vorstellung der Vereinten Nationen die humanitäre Hilfe in die politischen und militärischen Strukturen integriert werden. Was wie eine Erleichterung für die Zivilbevölkerung dieses gescheiterten Staates klingen mag, ist nichts anderes als ein Versuch, die Hilfe zu politisieren. In dem Land, in dem internationale Helfer die Bevölkerung wegen der schlechten Sicherheitslage heute schon kaum erreichen, wird dieser Schritt das Misstrauen gegen Hilfsorganisationen weiter erhöhen.
Das ist nicht verwunderlich, wenn sich die Menschen in einem Konfliktgebiet nicht mehr darauf verlassen können, dass die ihnen angebotene Hilfe weder an Bedingungen noch an Gesinnungen geknüpft ist. Der Handel von Hilfe gegen Kooperationsbereitschaft bringt sowohl die Hilfsempfänger als auch die Helfer in tödliche Gefahr.
Diese beiden Szenarien zeigen, wieso es gerade heute wieder so wichtig ist, auf die Grundprinzipien der humanitären Hilfe zu pochen. Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und ausschließliche Orientierung am Bedarf der betroffenen Menschen sind mehr als hehre theoretische Konzepte. Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen geraten leicht in den Verdacht des Sektierertums, wenn sie zeitgeistige Interpretationen der humanitären Idee - wie etwa die öffentlichkeitswirksame Vereinnahmung durch das Militär - kategorisch ablehnen.
Aber im Ernährungszentrum in Mogadischu, in der Klinik für vergewaltigte Frauen und Mädchen im Kongo oder im Feldspital vor Aleppo haben diese Grundsätze ganz konkrete Auswirkungen auf Gelingen oder Misslingen eines Hilfseinsatzes.
In Syrien arbeiten wir in drei klandestinen Krankenhäusern in von der Opposition kontrollierten Gebieten im Norden. Hartnäckig bemühen sich die Teams um eine Genehmigung, auch in den von der Regierung gehaltenen Teilen des Landes tätig zu werden - bisher ohne Erfolg. In der Praxis beweisen die medizinischen Teams ihre Unparteilichkeit Tag für Tag, indem sie jeden Menschen versorgen, der auf der Suche nach Hilfe das Krankenhaus betritt - ohne zu fragen, auf welcher Seite er oder sie steht.
Über diese und andere brisante Fragestellungen wird diesen Freitag beim 2. Humanitären Kongress (www.humanitaerer-kongress.at) in Wien zu diskutieren sein.