Ersatzdienst in Ghana Im Land der händchenhaltenden Männer

#1 von carlos , 05.08.2010 16:48

Prügelstrafe an Schulen, geschmackloser Brei als Mahlzeit, Informatikkurse ohne Computer: Für Dorian Lohmann gab es während seines Auslandszivis in Ghana viel, an das er sich gewöhnen musste. Nur mal schnell in ein armes Land, davon hält er nichts. Erst ab einem Jahr bringe der Einsatz etwas.

"Mein Name ist Dienstag, weil ich an einem Dienstag geboren bin. Kwabena Ebo, haben viele Ghanaer mich genannt. Manchmal hieß ich auch Sonntag, also Kwesi. So werden Weiße oft genannt, weil sie den christlichen Glauben nach Afrika gebracht haben und damit auch den Sonntag als Feiertag. Damit nicht jeder siebte nur Kwabena oder Kwesi heißt, werden den meisten Kindern englische Namen gegeben.

Nach dem Abitur habe ich statt dem Zivildienst ein weltwärts-Jahr in Ghana gemacht. Das Freiwilligenprogramm ist von der Bundesregierung gefördert. Ich habe den Großteil der Zeit im kleinen Dorf Kissi in Zentral-Ghana verbracht. Wir waren vier Freiwillige und haben an verschiedenen Schulen unterrichtet. Außerdem haben wir den lokalen Jugendclub mitgeleitet.

Meine Schule lag im Nachbardorf Dompoase, jeden Morgen bin ich mit dem Fahrrad dorthin gefahren. Mein Gastvater, bei dem alle vier Freiwilligen untergebracht waren, war Leiter der Schule. Seine Familie ist wohlhabend und angesehen. Sie hat eines der schönsten Häuser im Dorf: Es ist aus Stein und die Wände sind verputzt. Es gibt Strom, in den Zimmern sind Ventilatoren angebracht.

Der wertvollste Besitz meiner Gastfamilie ist ein betoniertes Wasser-Reservoire. So hatten wir auch während der Trockenzeit genügend Wasser zum Duschen und Waschen. Zum Haus gehört auch ein abseits gelegenes Plumpsklo. Auch das ist nicht selbstverständlich. Viele im Dorf haben keine sanitären Anlagen. Die Duschen, die oft aus Palmblättern gebaut sind, werden wie vieles geteilt.

Die Kinder hatten noch nie ein Foto von sich gesehen

Meine Gastmutter und ihre Tochter haben jeden Tag für uns gekocht. Das Nationalgericht in Ghana nennt sich Fufu, es ist eine gummiartige Masse aus gestampften Manjokwurzeln und Kochbananen in scharfer Palmölsoße. Es ist ziemlich mächtig und schmeckt ohne Soße nach nichts.

Ich unterrichtete eine dritte Klasse in Informatik. Der Staat hat dieses Fach 2008 auf den Lehrplan gesetzt. Allerdings gab es in der Schule weder Strom noch Computer. Also habe ich aus dem Fach ein allgemeines Technikfach gemacht. Einmal habe ich meine Kamera mitgebracht und sie erklärt. Die Reaktion der Schüler war überwältigend. Sie sprangen auf und freuten sich, weil sie es so lustig fanden, sich selbst betrachten zu können. Viele hatten zuvor noch nie ein Foto von sich gesehen.

Außerdem unterrichtete ich Kunst, Musik und Französisch in höheren Klassen. Ich plante die Unterrichtsstunden, ließ Klassentests schreiben, zeichnete und sang mit den Schülern.

Befremdlich ist, dass viele ghanaische Lehrer ihre Schüler prügeln, wenn sie eine Antwort nicht wissen oder die Haare nicht ordentlich geschnitten sind. Ich habe viel mit den Lehrern darüber diskutiert, doch es war schwer, sie von meinem Standpunkt zu überzeugen. Manchmal wurden Kinder rausgeschickt, um einen Ast zu holen mit dem sie danach geschlagen wurden.

Ich habe die Kinder nie geschlagen. Das hatte den Effekt, dass ich Autorität auf andere Weise schaffen musste. Ein Freiwilliger gab mir den Tipp, Störenfriede ein wenig vorzuführen. Wenn einer den Unterricht aufhielt, holte ich ihn nach vorn und ließ ihn dort eine Weile vor der Klasse stehen. Erst fand er es in der Regel lustig, aber irgendwann wurde es unangenehm.

"Ich werde auch schon ganz weiß"

Anfangs war die Verständigung schwierig. In der dritten Klasse sprachen die Kinder noch kaum Englisch. Doch unser Gastvater gab uns abends Unterricht in Twi, der gängigsten Sprache in Ghana. Insgesamt gibt es etwa 48 Sprachen und Dialekte. Gegen Ende meines Aufenthalts konnte ich ein paar Marktfrauen beeindrucken und mit ihnen feilschen. Dann lachten sie und riefen oft 'Bruni!', was soviel wie 'Oh Weißer!' bedeutet. Dasselbe rufen auch Kinder auf der Straße und es ist meist nett gemeint.

Kleinere Kinder fingen manchmal auch an zu weinen, wenn sie mich sahen, weil ich ihnen als Weißer offenbar Angst machte. Andere fanden es faszinierend, dass die Farbe meiner Haut sich verändert, wenn man draufschlug oder fest drückte. Ein Mädchen im Jugendclub sagte einmal zu mir: 'Guck mal, hier werde ich auch schon ganz weiß' und zeigte mir ihre Handinnenfläche.

Das Jahr in Ghana hat mich verändert. Ich habe gelernt, selbständig zu sein. Dass ich von meiner Tätigkeit überzeugt war, motivierte mich. Ich würde jedem, der einen Freiwilligendienst macht, empfehlen, ein ganzes Jahr im Gastland zu bleiben. Denn erst dann lässt sich wirklich etwas bewegen, da man die Mentalität der Menschen besser kennt und versteht. So war es möglich, dass ich im zweiten Abschnitt meines Aufenthaltes in der Stadt Elmina einen Computerkurs für Polizisten halten konnte. Außerdem habe ich ein Benefizkonzert mit dem ghanaischen Musikstar Shasha Marley mitorganisiert.

Händchenhalten unter Männern

Ich habe erfahren, dass Ghanaer tolle Gastgeber sind, freundlich und offen. Wenn man als Fremder in ein Trotro steigt - das sind ausrangierte Kleinbusse aus Europa und den USA - steigen manche sogar aus, um Platz zu machen und nehmen dann den nächsten Bus.

An manche Verhaltensweisen musste ich mich allerdings auch gewöhnen. Zum Beispiel laufen gut befreundete Männer Hand in Hand umher. Man isst und reicht sich Gegenstände nur mit der rechten Hand. Zur Begrüßung gibt man sich die Hände und schnippst dabei mit den Fingern, indem man die Mittelfinger gegeneinanderdrückt, eine nette Mischung aus offizieller und persönlicher Begrüßung.

Neben all den schönen und interessanten Dingen, gibt es natürlich auch Schattenseiten. Obwohl Ghana als Vorzeigeland Westafrikas gilt, ist zum Beispiel Korruption ein großes Problem. Um darauf aufmerksam zu machen, habe ich an einem Wettbewerb der US-Botschaften zum Thema Demokratie teilgenommen. Zusammen mit einem Lehrer habe ich einen Kurzfilm in einer Schule gedreht, der auf ironische Weise darstellen soll, wie Korruption verlaufen kann.

Trotzdem ist Ghana fortschrittlicher als viele hierzulande glauben. Es ist ärgerlich, dass viele noch immer das Klischee eines unterentwickelten Landes vor Augen haben. Es gibt viele Touristen, reisen gilt als sicher. Und seit der WM und dank der Black Stars wissen auch ein paar mehr Leute, dass in Ghana ordentlich Fußball gespielt wird."

Der "Andere Dienst" dauert mindestens zwei Monate länger als der Zivildienst, also momentan elf Monate. Er muss vor Vollendung des 23. Lebensjahres angetreten werden und das friedliche Zusammenleben der Völker fördern. Die Tätigkeit soll in einer praktischen Arbeit im sozialen Bereich bestehen. Sie wird unentgeltlich und über einen staatlich anerkannten Träger abgeleistet.
Es gibt viele verschiedene Vereine, die Projekte in den unterschiedlichsten Ländern anbieten. Das Bundesamt für Zivildienst hat eine mit den wichtigsten Anbieter> erstellt. Die meisten Vereine haben eigene Webseiten, auf denen man häufig auch Erfahrungsberichte von ehemaligen Freiwilligen finden kann.
Im Gegensatz zum Zivildienst in Deutschland werden die Auslandsdienste nur selten bezahlt. In der Regel kommt der Trägerverein nur für Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung auf. Um die sonstigen Kosten zu finanzieren, muss man oft einen Förderkreis aufbauen. Das erfordert etwas Einsatz, ist aber durchaus machbar. Als Sponsoren eignen sich nicht nur die Familie und Bekannte, sondern zum Beispiel auch Bezirkspolitiker, ansässige Firmen oder gemeinnützige Vereine wie der Lions-Club.

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