Die Malteser Migranten Medizin (MMM) hat seit ihrer Gründung im Jahr 2001 mehr als 15.000 Menschen medizinisch betreut. Knapp 60 Prozent der Patienten leben ohne gültige Aufenthalts- genehmigung in Deutschland. Mittlerweile gibt es elf MMM-Sprechstunden in Augsburg, Berlin, Darmstadt, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Köln, München, Münster, Osnabrück und Stuttgart.
Malteser bieten Hilfe für Menschen ohne Krankenversicherung
Wenn es im Rücken zwickt oder im Hals kratzt, gehen wir zum Arzt. Fachliche Hilfe im Krankheitsfall ist dank Krankenversicherung für uns selbstverständlich. Doch was ist mit den Menschen, die diese Absicherung nicht haben – weil sie sich keine leisten können oder weil sie sich illegal in Deutschland aufhalten?
Laut Schätzungen leben in der Bundesrepublik etwa eine Millionen Menschen in der Illegalität und rund 100.000 Deutsche haben keine Krankenversicherung. Für diese Menschen sorgt die Malteser Migranten Medizin (MMM). Die Gefahr, als Illegaler entdeckt zu werden, ist bei jedem Arztbesuch groß. Die Angst, abgeschoben zu werden, wiegt oft schwerer als die Schmerzen.
Welcome, Bemvindo, Shalom – jeder ist willkommen
Bei Dr. Herbert Breker und seinen Kollegen von der MMM Köln muss niemand Angst vor Abschiebung haben. Jeden Donnerstag unterbricht der Internist seinen wohlverdienten Ruhestand. Für vier Stunden berät der pensionierte Chefarzt in einem Nebenhaus des Kölner Malteser-Krankenhauses St. Hildegardis Patienten, die sonst nie zum Arzt gehen – natürlich anonym. Nur Name und Herkunftsland werden abgefragt. Schon das Schild vor dem Warteraum zeigt, dass die Migranten Medizin für jeden offen ist, der in Not ist: in 22 verschiedenen Sprachen steht dort "Willkommen".
Gemeinsam mit vier Ärzten und einer Gesundheitshelferin behandelt Breker ehrenamtlich Tumorerkrankungen und Gelenkschmerzen, berät Schwangere und chronisch Kranke. Zehn bis 15 Patienten kommen pro Woche in die Sprechstunde. "Meist sind sie jünger und schwerer erkrankt als Patienten einer normalen Arztpraxis", weiß Breker aus Erfahrung. Aus Angst vor der Abschiebung warten viele sehr lange, bis sie sich einem Arzt anvertrauen.
Die Mediziner sind nicht verpflichtet, Patienten ohne Aufenthaltsgenehmigung zu melden - außer, es geht um eine hochansteckende Krankheit. Das ist zum Glück selten. "Oft kommen Menschen, die schlimme Gelenkschmerzen haben, weil sie zum Beispiel als Putzkräfte körperlich hart arbeiten", erzählt Breker. Einer der häufigsten Gründe für Frauen, sich an die MMM zu wenden, ist eine Schwangerschaft.
Bindeglied zwischen Patienten und Ärzten
Heute hat noch kein Patient in dem kleinen Warteraum Platz genommen. Das Team hat Zeit, die Bestände zu sichten. Victoria Faran-David ordnet die Medikamente. Die gelernte Apothekerin aus Nigeria lebt seit neun Jahren in Deutschland. Immer noch ist ihre Ausbildung hier nicht anerkannt. Durch ein Praktikum im Rahmen ihrer Weiterbildung als Gesundheitspflegerin kam sie zur Migranten Medizin. "Wenn ich hier arbeite, bleibe ich wenigstens am Ball und habe mit Medikamenten zu tun", sagt die 40-Jährige. Ihr Traum: Sie will auch in Deutschland als Apothekerin arbeiten.
Bis ihr Aufenthaltstitel ihr das erlaubt, sammelt sie bei den Maltesern Erfahrung. Doch auch wenn es sich anzubieten scheint, als Dolmetscherin sind ihre Dienste nur selten gefragt. Die meisten Patienten können Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch oder Niederländisch – Sprachen, die auch das MMM-Team beherrscht – oder sie bringen ihren Dolmetscher selbst mit.
Eine wichtigere Funktion hat Faran-David als "Bindeglied" zwischen Migranten und Ärzten. Schon manchem Patienten konnte sie die Angst vor der unbekannten Untersuchung nehmen. "Viele Afrikaner sagen beim Verabschieden: Vielen Dank, Schwester", erzählt sie lächelnd und zählt die Tablettenpäckchen.
Ein Malteser-Arzt untersucht einen Afrikaner
© Malteser
Ohne Angst vor Abschiebung können sich Patienten bei der MMM untersuchen lassen.
Immer auf der Suche nach Spenden
Die Medikamente, die Faran-David sortiert, sind Musterexemplare aus Arztpraxen. Ein großer Vorteil, denn viel Geld steht dem Team nicht zur Verfügung. Die laufenden Kosten tragen die Malteser, Ausgaben für Personal fallen dank des ehrenamtlichen Engagements nicht an. Das Ultraschallgerät im Sprechzimmer war eine Spende des Krankenhauses, das Stethoskop hat Breker selbst beigesteuert.
Trotzdem ist die MMM ständig auf Spendensuche. Denn Geld wird allenthalben gebraucht: Muss ein Patient stationär aufgenommen werden, berechnet das Krankenhaus die Behandlung. Ein Leistenbruch beispielsweise kostet 1500 Euro. Geld, das die Patienten nur schwer auftreiben können, auch wenn viele im Familien- und Freundeskreis Spenden organisieren. Hier springen die Malteser ein und finanzieren Operationen und Krankenhausaufenthalte.
Der Mann, der gerade das Wartezimmer betritt, sieht nicht so aus, als müsste er ins Krankenhaus. Sein Händedruck ist fest, seine Augen wirken wach. Faran-David begrüßt den Patienten, der angibt, dass er aus Amerika stammt. Im Sprechzimmer warten bereits Breker und seine ebenfalls pensionierte Kollegin Frau Dr. Rönsberg. „Nur Tennisspielen, das wäre mir zu langweilig“, schmunzelt der ehemalige Chefarzt und wendet sich seinem neuen Patienten zu.