Wann und welche Antibiotika sollten in der Zahnmedizin zum Einsatz kommen – und wie lange? Das erläuterte der Vizepräsident der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein bei einer interdisziplinären Fortbildung.
Laut letztem GERMAP-Bericht zu Antibiotikaresistenz und -verbrauch in Deutschland gehen 7 Prozent der humanmedizinischen Antibiotikaverordnungen auf das Konto von Zahnärzten, erläuterte Dr. Kai Voss, selbst niedergelassener Zahnarzt, bei einer gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung der schleswig-holsteinischen Heilberufskammern vergangene Woche in Kiel. Daten aus dem Jahr 2010 zufolge verschrieben die Zahnmediziner in 50 Prozent der Fälle Clindamycin – »das ist zu viel«, ordnete Voss ein. »Wir brauchen Antibiotika an bestimmten Stellen, doch ist hier Amoxicillin das Mittel der Wahl. Clindamycin sollte nur bei einer Penicillin-Allergie zum Einsatz kommen.«
Er stellte anhand der aktuellen Leitlinien vor, bei welchen zahnmedizinischen Eingriffen überhaupt Antibiotika verordnet werden sollen. Liegt zum Beispiel eine odontogene Infektion vor, also eine Entzündung am Zahn oder Zahnhalteapparat (Parodontium), kann unter Umständen sogar auf Antibiotika verzichtet werden. Bei Ausbreitungstendenzen soll ein Aminopenicillin gegebenenfalls mit Betalactamase-Inhibitor gegeben werden. »Damit bekommen wir in der bakteriellen Flora odontogener Infektionen eigentlich alles erschlagen«, so Voss. Auch bei chirurgischen Eingriffen wie der Entfernung von Weisheitszähnen oder Implantaten gibt es keine klare Empfehlung für (oder gegen) Antibiotika. »Wenn, dann gibt man eher vor der OP eine Einzeldosis«, berichtet der erfahrene Zahnarzt.
Bei einer Parodontitis kommt es auf das Alter und das Ausmaß der Läsionen an. Bei Patienten mit chronischer Parodontitis und einem Alter ab 56 Jahren sollte laut Leitlinie primär keine Antibiotikatherapie erfolgen, ebenso wenig bei einem geringeren Anteil parodontaler Läsionen. Bei Patienten unter 56 Jahren und mehr Läsionen gibt es eine Kann-Empfehlung. Bei Patienten unter 35 Jahren und aggressiver Parodontitis sollte adjuvant ein Antibiotikum gegeben werden. Erste Wahl ist hier der sogenannte Van-Winkelhoff-Cocktail: Amoxicillin 500 mg plus Metronidazol 400 mg jeweils dreimal täglich für sieben Tage. Falls der Zahnarzt ein orales Antibiotikum verordnet, seien sieben Tage im Übrigen die übliche Behandlungsdauer, so Voss auf Nachfrage der PZ.