Was tue ich, wenn mein:e Freund:in in einer toxischen Beziehung steckt?

#1 von carlos , 10.02.2023 09:44

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RE: Was tue ich, wenn mein:e Freund:in in einer toxischen Beziehung steckt?

#2 von carlos , 10.02.2023 09:45

Wenn unsere Liebsten in einer toxischen Beziehung feststecken, ist das auch für uns nur schwer zu ertragen. Paarberater Eric Hegmann gibt Ratschläge, was wir als Freund:in tun können – und was nicht.

Sie sitzt dir nach langer Zeit wieder gegenüber, diese Verabredung hat sie mal nicht kurzfristig wieder abgesagt. "Gut siehst du aus", versuchst du das Eis zu brechen, dabei wisst ihr beide, dass du lügst.

Fahl und unglücklich wirkt sie, wahrscheinlich hat ihm mal wieder etwas an ihr nicht gepasst und sie haben sich lange gestritten. Wie kann sie nur mit so einem Mistkerl zusammen sein? Einem Menschen, der sie klein hält, ständig kritisiert, auf Schritt und Tritt kontrolliert und ihr den Glanz aus den Augen genommen hat? Und: Wie kannst du ihr aus dieser Beziehung heraushelfen?
Unsere Gesellschaft ist sensibler geworden

Wenn enge Freund:innen in einer Beziehung feststecken, die aus unserer Sicht eindeutig toxisch ist, ist das schwer auszuhalten auf mehreren Ebenen. Sicherlich, der Begriff "toxisch" wird in unserer Gesellschaft inzwischen ziemlich inflationär verwendet. Andererseits sind wir insgesamt als Gesellschaft sensibler geworden – nicht empfindlicher und schneller eingeschnappt, sondern aufmerksamer für Verhaltensweisen, die verletzend und grenzüberschreitend sind.

Mädchen, denen Jungs an den Haaren ziehen, sagen wir heutzutage nicht mehr allzu schnell: "Ach, der mag dich und weiß einfach nicht, wie er dir das sagen soll!" Genauso wenig verteidigen wir das Verhalten von "Bad Boys": Es ist nicht cool, emotional nicht verfügbar zu sein, die eigenen Bedürfnisse denen der Mitmenschen (und Partner:innen) vorzuziehen oder Konflikte zu lösen "wie ein Mann" (also mit physischer Gewalt).

Und doch landen immer noch so viele Menschen in Beziehungen, die wir nur als giftig beschreiben können. Es kann viele Gründe geben, warum wir selbst in so einer Partner:innenschaft landen, doch zumindest können wir kontrollieren, wie wir damit umgehen – wie ist es aber, wenn enge Freund:innen in einer augenscheinlich toxischen Beziehung gefangen sind? Was können wir als befreundete Person tun, was dürfen wir tun – und was vor allem nicht? Wir sprachen mit Paarberater Eric Hegmann darüber.
Was kann ich tun, wenn mein:e Freund:in in einer toxischen Beziehung ist?

GUIDO: Eine enge Freundin:ein enger Freund ist in einer neuen Beziehung. Wie gehe ich damit um, wenn ich den:die Partner:in nicht mag?

Eric Hegmann: Es ist natürlich schwer auszuhalten, jemanden in einer Verbindung zu sehen, die dieser Person nach der eigenen Einschätzung nicht guttut. Aber das Aushalten gehört vermutlich dazu. Bis zu dem Fall, der hoffentlich nicht eintritt, dass sich die Befürchtung bewahrheitet.
Warum übernehme ich Verantwortung für andere?

Aber grundsätzlich ist jeder für seine Emotionen selbst verantwortlich. Wenn ich Sorge verspüre, sollte ich dem nachgehen und mich fragen:

Was ist es genau, was mich beschäftigt?
Weshalb ist mir der Freund unsympathisch?
Was hat das mit mir zu tun?
Was hat das mit meinen eigenen Erfahrungen zu tun?

Denn alle Emotionen sind zunächst Echos vergangener Erfahrungen, die mich vor etwas warnen sollen. Warum also ist meine emotionale Warnanlage aktiviert? Weshalb verspüre ich Angst um meine beste Freundin? Und sinnvoll dabei ist zu bedenken: Warum springt die Alarmanlage meiner besten Freundin nicht an, obwohl sie doch diese Person erheblich besser kennt als ich?

Sorge und Hilfsbereitschaft sind wunderbare und fürsorgliche Gefühle. Sie müssen aber überprüft werden, sonst können sie auch übergriffig werden. Ich empfehle allen Caretakern immer wieder nachzufühlen: Weshalb übernehme ich Verantwortung für andere?

Nicht jede:r muss sich mögen. Was aber, wenn man merkt, dass sich der:die Freund:in in der Beziehung verändert und unter ständigen Problemen zu leiden scheint?

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RE: Was tue ich, wenn mein:e Freund:in in einer toxischen Beziehung steckt?

#3 von carlos , 10.02.2023 09:45

Zunächst ist das die Angelegenheit der Freundin, so schmerzhaft das sein mag, mitanzusehen. Gute Ratschläge sind auch Schläge, wenn man kein Mandat für sie erhalten hat. Wer anderen auch mit allerbesten Intentionen Tipps aufdrängt, der verletzt deren Autonomie. Dagegen wehren sich die allermeisten Menschen. Wenn wir uns verändern müssen, dann werden wir das nicht tun. Es hat noch nie funktioniert, andere zu verändern. Menschen verändern sich, wenn sie wollen, nicht wenn sie müssen.

In der Konsequenz heißt das: Der Freundin mitteilen, dass man erlebt, wie es ihr nicht gut geht und ihr anbieten, für sie da zu sein. Die eigene Schlussfolgerung, an der Veränderung sei der Freund verantwortlich, ist keine kluge Idee. Vor allem nicht mit dem Lösungsansatz, sie müsse etwas an der Beziehung verändern.

Wie spreche ich es an, wenn ich mir ernsthafte Sorgen um die Person mache?

Genau so: "Ich mache mir große Sorgen." Aber verzichten Sie darauf, die Gründe für ihr Verhalten wissen zu wollen, sondern fragen Sie. Seien Sie eine gute Zuhörerin, seien Sie für Ihre Freundin da, aber versuchen Sie nicht, den Job der Therapeutin oder eines Coaches zu übernehmen.

Mit dieser Rolle belasten Sie leicht Ihre Freundschaft. Wenn Sie beispielsweise den Eindruck haben, Ihre Freundin möchte etwas verändern, aber kann es nicht, dann raten Sie lieber zu externer Unterstützung. Die kennen Werkzeuge, um Ihrer Freundin nachhaltig zu helfen. Beispielsweise eine Paartherapie, die Ihre Freundin mit ihrem Partner macht.

Wie kann ich unterstützen, wenn ich merke, dass mein:e Freund:in nicht nur in einer schwierigen, sondern auch gefährlichen Beziehung steckt, also zum Beispiel dauerhafte Kontrolle, Eifersucht, Manipulation und Einschränkung ihrerseits im Vordergrund stehen?

Seien Sie für sie da, vielleicht fragen Sie, ob eine Paartherapie eine Option wäre. Vielleicht macht Ihre Freundin ja bereits eine. Da kann es sogar sein, dass Sie mit aktiven und direktiven Ratschlägen Schaden anrichten.

Stehen Sie an Ihrer Seite, hören Sie zu. Der Partner Ihrer Freundin, wenn er seine Partnerin liebt und die Beziehung bewahren möchte, wird sich sonst gegen Sie wenden, falls er befürchtet, Sie nehmen einen aus seiner Perspektive negativen Einfluss auf sie. Das würde für Ihre Freundin noch mehr Stress bedeuten, im schlimmsten Fall müsste sie sich entscheiden.

Was tue ich, wenn ich merke, dass der:die neue Partner:in versucht, unsere Freundschaft zu sabotieren, beispielsweise durch ständiges Anrufen und Kontrollieren während unserer Treffen oder gegebenenfalls sogar Verbote?

Nochmals: Sie wissen nicht, was zwischen den beiden wirklich passiert. Sie sind nicht dabei. Wenn der Partner sich gegen Sie wendet, dann vielleicht, weil er Sie als Bedrohung erlebt und seine Partnerin tatsächlich liebt. Nach meiner Erfahrung stehen die Chancen für ein Paar mit professioneller Unterstützung erheblich besser, als wenn Familienangehörige oder Freunde eingreifen. Das bedeutet nicht, dass Sie untätig sein müssen. Falls es tatsächlich gefährlich ist für Ihre Freundin, schaffen Sie für sie einen sicheren Raum oder helfen Sie ihr, einen solchen zu finden.

Eric Hegmann ist Paartherapeut, Single-und Parship-Berater und Gründer der Modern Love School.

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