Als «Mallorca der Karibik» wird es betitelt, das Ferienziel für Freunde von All-inclusive-Buffets, Sandstränden und azurblauen Wellen. Trotz Corona hat die Dominikanische Republik im vergangenen Jahr Rekordzahlen geschrieben.
Die ganze Welt des Tourismus ächzt unter Corona. Die ganze Welt? Nein, eine Destination in der Karibik hat sich von der Pandemie nicht aufhalten lassen. Sie hat nach einem kleinen Einbruch 2020 im letzten Jahr sogar Rekordzahlen geschrieben: die Dominikanische Republik. Während Flüge nach Kuba oder Jamaica während Corona markant zurückgegangen sind, wurden alleine im Dezember 15 Prozent mehr Flugtickets für die Dominikanische Republik gebucht. Bis Ende 2021 kamen fast fünf Millionen Gäste.
Das Land ist ein Paradies für Freunde von All-inclusive-Buffets, Sandstränden und azurblauen Wellen. «Reif für die Insel» ist, wer hierherkommt auf der Suche nach Freiheit und zwei Wochen Auszeit vom Alltag. Dass die Dominikanische Republik ihre Karten ganz auf die Besucher setzt und mit einer Charmeoffensive um diese wirbt, ist vor allem Pragmatismus. Laut Regierungsvertretern sind hier über 90 Prozent der Angestellten im Tourismussektor geimpft, in den Hotels herrscht Maskenpflicht, das tropische Klima soll sein Übriges tun gegen die Virenverbreitung.
Eine Insel, zwei Kulturen
Landeanflug auf Punta Cana, ganz im Osten der Insel. Während der Airbus das Karibische Meer überfliegt, die Stewardessen die Pappbecher abräumen und draussen undurchdringliche Nacht heraufdämmert, leuchtet in der Kabine der Umriss von Hispaniola auf den Bildschirmen.
Inseln sind eigenartige, zweideutige Gebilde mit ihren eigenen Gesetzen und Stimmungen, fernab der übrigen Welt. Sie schaffen eine Verbindung von Erde und Wasser, vereinen das Land und die See. Ebenso könnte man sagen: Inseln trennen die Gegensätze. Inseln sind Sehnsuchts- und Zufluchtsorte. Fast so, als würden die Uhren mitten im Wasser anders ticken.
200 Kilometer
Kartengrundlage: © Openstreetmap, © Maptiler
NZZ / sm.
Hispaniola ist eine besonders bemerkenswerte Insel. Hier haben sich die Gräben zwischen einheimischer Tradition und modernem Tourismus, zwischen den Verlierern und den Profiteuren der Globalisierung deutlich manifestiert. Auf der kleineren, westlichen Seite liegt Haiti, ein bitterarmes Land, von der Natur durch Erdbeben, Überschwemmungen und Wirbelstürme ebenso geplagt wie von Gewalt und Korruption. Die politische Lage in diesem in vieler Hinsicht verlorenen Staat ist äusserst instabil, nicht erst seit letzten Juli Präsident Jovenel Moïse unter bis heute ungeklärten Umständen erschossen wurde. Auf dem Human-Development-Index von 2020 belegt Haiti Platz 170 von 189.
Ganz anders hingegen präsentiert sich der östliche Nachbar, die Dominikanische Republik. Sie nimmt den Löwenanteil einer Fläche ein, die nur wenig grösser ist als Bayern. Von einem Brudervolk kann keine Rede sein: Zwei Kulturen bewohnen das einstmals fruchtbare Hispaniola, mit unterschiedlichen Sprachen, Tänzen, Sportarten. Durch die gewalttätige, zumeist von Grossmächten bestimmte Geschichte wurden sie noch weiter getrennt. Während die eine Hälfte der Insel Hunger leidet, wird die andere von Charterflügen voller partyfreudiger westlicher Touristen angesteuert.
«Ah, du fliegst auf das Mallorca der Karibik?», bekommt zu hören, wer auf die Dominikanische Republik reist. Das ist eine der Vorstellungen, die dem Land zuweilen vorauseilen: Karibikfeeling, aber nicht zu teuer und manchmal ein bisschen grell, Sand, Saufen und Sextourismus in der Sonne. Unschön abgekürzt: «Dom Rep». Doch das Image vom schnellen Massentourismus will das Land ablegen. Qualität und Zuverlässigkeit sollten sich etablieren, sagt Carlos, der optisch der Zwillingsbruder des «The Fast and the Furious»-Schauspielers Vin Diesel sein könnte. Er ist vor Ort für das Tourismusministerium des Landes tätig.