Mut zur Abgrenzung!
An zwei Punkten macht sich in diesem Gespräch eine Unfähigkeit der Partner zur Abgrenzung bemerkbar: Es wurde kein Platz oder Zimmer bestimmt, wo der Mann die Sachen hinstellen darf, und es wurde kein Budget bestimmt, mit dem der Mann seiner Leidenschaft frönen kann, ohne auf Kosten der Bedürfnisse anderer Familienmitglieder zu leben. Auch das tiefer liegende Problem hinter der Aversion der Frau kommt zur Sprache: Der Mann kennt seine Mann-spezifischen Rechte und Aufgaben in der Familie nicht und weist einen Mangel an Fähigkeiten auf, die Bedürfnisse von Frau und Kindern zu berücksichtigen und zu befriedigen. Die Frau hingegen sollte die Fähigkeit entwickeln, eigene Bedürfnisse zu verwirklichen und ihn in dieser Zeit für die Beaufsichtigung der Kinder einzusetzen.
Auf der Unfähigkeit zur Abgrenzung basieren viele “Ehe-Spiele”, die nicht selten den Charakter eines “Ehe-Kriegs” annehmen können. Dieses Verhaltensmuster kann auf kindliche Prägungen der Partner hinweisen. Im Rahmen von Regelkreisen können in der Kindheit geprägte Verhaltensweisen sich mit dem Ehepartner wiederholen.
Frau H., deren Vater als Alkoholiker ihre Mutter und sie stark vernachlässigt hat, heiratet einen Mann, der im Laufe der Ehe Alkoholiker wird. Wie ihre Mutter richtet sie ihre Energie darauf, ihren Mann “vom Alkohol weg zu kriegen”. Die Mittel aber, deren sie sich bedient – Beschuldigungen, Beschimpfungen, Herabsetzen vor den Kindern, Nachbarn und Bekannten – erzeugen genau die gegenteilige Wirkung: Herr H. verliert jegliche Selbstachtung, verwirft seine guten Vorsätze und verfällt weiter dem Alkohol.
Jede Sucht kann nur angegangen werden, wenn sie von den Betroffenen erkannt wird. Dazu muss auch der Co-Abhängige, also die nicht süchtige Person, die ebenso wie der Süchtige in dem Negativen Regelkreis gefangen ist, erkennen, welche Funktion sie ausübt. Nach der Information über den vorliegenden Regelkreis kann das leichter fallen. Positiv daran ist: Da an dem tragischen “Spiel” immer (mindestens) zwei Personen beteiligt sind, reicht es, wenn eine Person “aussteigt” und das Spiel nicht mehr mitspielt, um einen grundsätzlich neuen Handlungsbedarf für den Partner zu schaffen.