Kritik an NGOs "Viele Hilfsprojekte bewirken wenig oder gar nichts"

#1 von carlos , 31.07.2019 22:42

Die US-Politikwissenschaftlerin Patrice McMahon kritisiert in einer Studie große internationale Nichtregierungsorganisationen: Diese seien im Westen "romantisch verklärt" worden - dabei sei deren Arbeit bisweilen sogar kontraproduktiv.

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RE: Kritik an NGOs "Viele Hilfsprojekte bewirken wenig oder gar nichts"

#2 von carlos , 31.07.2019 22:42

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RE: Kritik an NGOs "Viele Hilfsprojekte bewirken wenig oder gar nichts"

#3 von carlos , 31.07.2019 22:42

Patrice C. McMahon ist Professorin für Politische Wissenschaften an der University of Nebraska-Lincoln. Sie forscht zu den Bereichen humanitäre Angelegenheiten, internationale Friedensbildung, NGOs und US-Außenpolitik. Ein Impuls für die Studie "Das NGO-Spiel" waren auch ihre eigenen Erfahrungen in Mittel- und Südosteuropa: In den Neunzigerjahren studierte sie zeitweise in Polen und arbeitete später beim German Marshall Fund. Nach der Jahrtausendwende begann sie, in der Westbalkanregion zum Thema Zivilgesellschaft zu forschen.

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RE: Kritik an NGOs "Viele Hilfsprojekte bewirken wenig oder gar nichts"

#4 von carlos , 31.07.2019 22:42

SPIEGEL ONLINE: Sie haben eine Studie veröffentlicht, in der Sie die Arbeit großer westlicher NGOs als intransparent, ineffektiv und kontraproduktiv beschreiben. Woher kommt diese harsche Kritik?

McMahon: Ich habe kein Anti-NGO-Buch geschrieben, das möchte ich ganz klar betonen. Was ich aber sagen will: Viele Jahre lang wurden Nichtregierungsorganisationen im Westen romantisch verklärt. Das hängt vor allem mit dem Umstand zusammen, dass zivilgesellschaftliche Organisationen und Akteure entscheidend zum Fall der kommunistischen Diktaturen in Osteuropa beitrugen und den demokratischen Übergang prägten. Sie wurden als leuchtendes Beispiel gesehen. Ich meine jedoch: Wir brauchen heute mehr Skeptizismus und Realismus gegenüber NGOs.

SPIEGEL ONLINE: Warum?

McMahon: Große internationale NGOs, seien es bekannte Hilfs- und Entwicklungsorganisationen, seien es Stiftungen reicher US-Milliardäre, sind sehr mächtig. Sie verfügen über sehr viel Geld, manchmal über mehr als die Staatshaushalte der Länder, in denen sie arbeiten. Zum Teil kommt das Geld von Regierungen, die vor zwei, drei Jahrzehnten angefangen haben, bestimmte internationale Entwicklungsaufgaben an NGOs auszulagern. Indirekt verfolgen diese NGOs damit die Interessen der geldgebenden Regierungen. Zum Teil ist aber auch unklar, woher das Geld kommt, mit dem diese Organisationen arbeiten, oder wofür genau sie es einsetzen. Zudem bewirken die Projekte dieser NGOs oft nur wenig oder gar nichts von dem, was sie versprechen. Das gilt vor allem für abstrakte Projekte wie Friedensmissionen. Für meine Studie habe ich dazu vor allem Fälle in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo untersucht.

SPIEGEL ONLINE: Was haben Sie dort vorgefunden?

McMahon: Nach den Kriegen in den beiden Ländern in den Neunzigerjahren haben große westliche, internationale NGOs dort viel Geld, Zeit und Energie in Projekte im Bereich Menschenrechte, Frauenrechte oder interethnische Versöhnung investiert und dabei auch zahlreiche örtliche NGOs eingebunden. Das waren Bereiche, die den internationalen Geldgebern oder diesen Organisationen zu der Zeit wichtig erschienen, Themen, die auf der politischen Agenda des Westens standen und in Mode waren. Anzeichen für Veränderungen oder für Ergebnisse gab es aber wenig. Irgendwann verschwanden diese großen NGOs wieder und damit auch die vielen kleinen örtlichen Partner.

SPIEGEL ONLINE: Können Sie Beispiele nennen?

McMahon: Ich war nach der Jahrtausendwende immer wieder in Mostar, einer Stadt, die ein Symbol der ethnisch-nationalen Trennung in Bosnien-Herzegowina ist. Dort leben in der einen Stadthälfte fast nur Kroaten, in der anderen Bosniaken. Es gab nach Kriegsende eine Reihe von NGOs, die ethnisches peace building betrieben, aber die meisten existierten eigentlich nur auf dem Papier. Sie waren stark damit beschäftigt, Fonds zu akquirieren, sie nahmen an regionalen Treffen oder internationalen Konferenzen teil, doch in der Stadt selbst haben sie kaum etwas bewirkt.
Zur Studie

Für ihre Studie untersuchte Patrice McMahon Projekte und Aktivitäten von Nichtregierungsorgansiationen in Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Polen im Wesentlichen für den Zeitraum von 2000 bis 2010. Dazu interviewte sie NGO-Mitarbeiter in den drei Ländern. Außerdem wertete sie Daten internationaler NGOs, der US- und anderen westlichen Regierungen sowie internationalen Gremien wie der Uno aus und verglich so Projekte, deren Finanzierung und Ergebnisse. McMahon erhebt keinen expliziten Anspruch darauf, dass die Schlussfolgerungen ihrer Untersuchung weltweit gültig sind, sie hält sie jedoch für symptomatisch und geht in ihrer Studie auch kurz auf Beispiele aus Afrika und Asien ein.

SPIEGEL ONLINE: In Ihrem Buch behaupten Sie auch, dass große internationale NGOs mitunter einen regelrecht schädlichen Einfluss haben. Was meinen Sie damit?

McMahon: Sie fokussierten sich in Bosnien-Herzegowina oder im Kosovo häufig auf die von mir genannten Themen, während andere wichtige Bereiche von ihnen überhaupt nicht beachtet wurden und örtliche NGOs oder Initiativen deshalb keine oder nur wenige Chancen hatten und haben, eine Finanzierung zu bekommen. Das betrifft ganz praktische Bereiche wie Bildungsprojekte für arme Menschen und für Roma, die Durchsetzung von Frauenrechten im Alltag, gesunde Ernährung oder Umweltschutz. In Brcko hatte ich Kontakt mit einer örtlichen NGO-Mitarbeiterin, die ich einmal fragte, warum es keine Umweltorganisationen in der Stadt gebe. Sie antwortete mir, bei internationalen NGOs stünde Umweltschutz in Bosnien-Herzegowina nicht auf der Agenda. Insgesamt fehlt es den großen, internationalen NGOs oft an dem Hintergrundwissen, um die Lage vor Ort gut beurteilen zu können oder relevante Arbeit zu leisten.

SPIEGEL ONLINE: Böse große internationale NGOs versus gute lokale Zivilgesellschaft?

McMahon: Nein, es ist natürlich viel nuancierter. Ich sage nicht, dass die großen NGOs oder Stiftungen schlechte Dinge tun. Sie haben sicherlich gute Absichten. Aber im Ergebnis des Umstandes, dass lokale NGOs häufig von ihnen abhängig sind, setzen sie die Prioritäten und bringen lokale Akteure oft unabsichtlich, manchmal auch absichtlich von dem ab, was diese mit begründeter Expertise für wichtig und relevant halten.

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RE: Kritik an NGOs "Viele Hilfsprojekte bewirken wenig oder gar nichts"

#5 von carlos , 31.07.2019 22:43

SPIEGEL ONLINE: Sie sagen, große internationale NGOs seien sehr mächtig. Was genau ist gefährlich daran?

McMahon: Niemand hat die NGOs in irgendwelche Positionen gewählt. Sie haben Macht, weil sie Geld haben, und das allein ist schon ein Anlass zur Sorge. Es geht um eine Milliardenindustrie. Ich möchte wissen: Stimmt es, dass sie gute Absichten haben, bloß weil sie das behaupten?

SPIEGEL ONLINE: Jetzt klingen Sie ein wenig wie Ungarns Premier Viktor Orbán, der unliebsame Zivilorganisationen drangsaliert.

McMahon: Ich bin absolut keine Anhängerin seiner Politik. Mein Punkt ist: Wir müssen internationale NGOs als wichtige Akteure ernster nehmen und auch Rechenschaft von ihnen einfordern. Das halte ich für legitim, auch wenn es Orbán oder Jaroslaw Kaczynski in Polen fordern. Die einstige Annahme, dass NGOs an sich gut sind und alles, was sie machen gut ist, stimmt einfach nicht mehr. Denken wir nur an NGOs, die Islamismus, Anti-LGBT-Ideen oder Ähnliches propagieren.
George Soros
REUTERS

George Soros

SPIEGEL ONLINE: In Ungarn gab es strenge Transparenzbestimmungen für NGOs, schon lange bevor Orbán mit Kampagnen für mehr Transparenz bei zivilen Organisationen begann. Zudem stellte er die Open Society Stiftung (OSF) des US-Börsenmilliardärs George Soros in den Mittelpunkt seiner Kampagnen. Ausgerechnet die OSF ist aber ein Beispiel für eine recht transparente internationale Stiftung.

McMahon: Mir ist das Vorgehen gegen Soros ein Rätsel, denn in der Tat ist die OSF ein Beispiel für eine Stiftung, die so arbeitet, wie man sollte: Sie hat sehr viele Experten in den Ländern, in denen sie arbeitet, beschäftigt Einheimische und schaut sehr genau hin, was man wie unterstützen muss. Aber nicht alle Stiftungen sind so. Und gerade in den USA hat die Zahl der Wohltätigkeitsorganisationen sehr stark zugenommen.

SPIEGEL ONLINE: Mit welchem Ergebnis?

McMahon: Tja, genau darüber machen sich Kritiker Sorgen: Ist das, was die großen Stiftungen machen, im Interesse der Öffentlichkeit? Diese Superbürger wissen nämlich nicht unbedingt, was für jeden das Beste ist. Ein anderer Kritikpunkt zum Beispiel an der Bill and Melinda Gates Foundation lautet: Die Stiftung unterstützt international nicht nur arme Menschen, sondern ihre Tätigkeit kommt auch den Interessen großer Konzerne zugute, indem sie eine neoliberale Wirtschaftspolitik mitträgt. Ich selbst habe nicht viel über die Gates-Stiftung geforscht, aber ich habe den Aufstieg von NGOs in den USA untersucht und weiß, dass die Kritik an der unverhältnismäßigen Rolle, die große Philanthropen in einer Vielzahl von Politikbereichen in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt spielen, zunimmt.

SPIEGEL ONLINE: Was konkret fordern Sie von NGOs?

McMahon: NGOs sollten sich registrieren lassen und sollten im Detail veröffentlichen, woher das Geld kommt, das sie haben - und wohin es geht. Die chinesische Regierung gibt zum Beispiel sehr viel Geld für zivile Organisationen aus. Nehmen wir das Konfuzius-Institut, das von der chinesischen Regierung finanziert wird und das über sehr viel Geld verfügt: In den USA möchte man wissen, wofür dieses Geld ausgegeben wird. Dasselbe dürfen umgekehrt auch die ungarische oder polnische Regierung beanspruchen, wenn es um US-amerikanisches Geld geht. Ich bin ganz klar dafür, dass NGOs weiterhin ihre Rolle als Kontrolleure von Regierungen und staatlichen Institutionen wahrnehmen. Mir geht es einfach um Transparenz und Rechenschaftspflicht.

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