Bohren im Busch
Karin und Karl Haushofer sind nach Namibia gereist, um Menschen abseits der Großstädte zahnmedizinisch zu helfen. Hier schildern sie ihre Eindrücke.
Markt Schwaben/Grootfontein – „Ich schreibe diese Zeilen bei 30 Grad im Schatten in der Badehose am kleinen Pool unserer deutsch-namibischen Gastgeber“: Das klingt jetzt nicht wirklich danach, als ginge es um jemanden, der sich hierzulande im oberbayerischen Spätherbst an seinen PC gesetzt hätte. Nein, Karin und Karl Haushofer haben sich gemeldet. Gemeldet aus Grootfontein in Namibia, wo der Zahnarzt aus Markt Schwaben und seine Gattin als Arzthelferin gerade aufregende Zeiten in einem schweißtreibenden Ambiente erleben. Das Paar hatte sich, wie berichtet, freiwillig zu einem Dienst gemeldet, um jugendliche und erwachsene Namibier zahnärztlich zu behandeln.
Die Haushofers machen das im Namen der Organisation Zahnärzte ohne Grenzen (DWLF). Und für die hat man auch schon einen ersten Zwischenbericht verfasst, der schon jetzt einen eindrucksvollen Einblick gibt in das, was bislang schon alles passiert ist.
Am 19. November brach das Ehepaar zum Flug nach Namibia via Südafrika auf. Und erreichten, wenn auch mit Verspätung, das Ziel in der Kleinstadt im Herzen des Landes. Dort konnte man dann doch in aller Ruhe auspacken und die Arbeitsstätte in der 1,5 km entfernten Klinik besuchen. Einer Empfehlung von Kollegen folgend, bauten die beiden Schwabener auf einer Terrasse zur Probe schon mal den „Behandlungsstuhl“ auf. Haushofer schreibt: „Gut so, denn zwar ist es eigentlich gar nicht schwer, aber nur wenn man weiß, wie es geht... Wichtig ist dieses Utensil deshalb, weil in der Klinik nur ein fest installierter Behandlungsstuhl steht und es wirklich sehr zu empfehlen ist, mit zwei Teams parallel zu arbeiten, sonst geht nix vorwärts.“
Der 20. November ist der erste Behandlungstag. Hasuhofer: „Am Montagmorgen aufstehen, in die Praxis gehen, den Patienten im von der Mitarbeiterin vorbereiteten Behandlungsraum begrüßen und loslegen, wie man so zumeist von der Praxis gewohnt ist, das war einmal.“
Hier heißt es: Erst mal Stuhl aufbauen und mobile Einheiten in Gang bringen und die Instrumente sichten und orten.
Gegen 10 Uhr geht es dann los. In sein Tagebuch für die DWLF schreibt Haushofer: „Es ist nun wirklich nicht so leicht, mit den veralteten mobilen Einheiten zurecht zu kommen. Die Absaugung ist dürftig und soll eh nur kurz eingeschaltet werden. Die Wasserkühlung ist auch nur kurzzeitig verlässlich. Also Füllungen zu machen unter diesen Voraussetzungen, ist nicht so prickelnd.“ Aber die Experten aus Oberbayern geben ihr Bestes und können die 23 bestellten Patienten bis zum frühen Nachmittag „versorgen“.
21. November: Es läuft schon sehr viel runder am zweiten Tag. Da die Anzahl der Patienten nicht sehr viel größer wird (25) und man auch früher beginnt, ist man schon um 14 Uhr fertig. „Zur Belohnung kauften wir noch im Supermarkt ein und gönnten uns den ersten gemütlichen Grillabend“.
22. November: „Die Nachfrage steigt. Schon bei unserer Ankunft um 8.15 Uhr war die ,Zahnarztbank’ vor dem Wartezimmer mit sieben Personen besetzt... Zwischen 14 und spätestens 15.30 Uhr waren wir dann auch immer fertig... An diesem Mittwoch gingen uns auch die Instrumente aus, weil die Damen vom Steri wohl überlastet waren. Dies setzte sich auch am Donnerstag und Freitag fort. Wir führten dies auch auf das Fehlen von Oberschwester Sarkie zurück, wussten uns aber, so gut es ging, mit Mundspatel und dem, was halt noch da war, zu helfen. Afrikanische Improvisation halt, gezwungenermaßen“.
23. November: „Kindertag, warum auch immer. Es zeigte sich, dass die Kleinen in Grootfontein im Grunde nicht anders auf Zahnarztbesuche reagieren als die bei uns zu Hause. Manche ganz tapfer, manche überängstlich und verschreckt. Mein erster Patient, ein neunjähriger Junge, zitterte schon beim Hinsetzen am ganzen Leib, beruhigende Worte und unser Stoffelefant Dumbo halfen da nur wenig. Nach der ersten Mundöffnung und Einbringen des Mundspiegels gab es ein lautes Würgegeräusch, und in zwei riesigen Schüben entlud sich das ganze, aber auch wirklich ganze Frühstück... Putzen war angesagt, von weiteren Maßnahmen bei dem Jungen habe ich an diesem Tage abgesehen.“
Im weiteren Verlauf aber gibt es keine besonderen Ereignisse. Patienten jeden Alters und verschiedenster sozialer Schichten und ethischer Gruppen finden sich ein. Buschmänner und -frauen wie Angestellte im Ort, Gefangene aus dem Gefängnis von Grootfontein in Begleitung von zwei Polizisten wie ,feine Damen’ mit lackierten Fingernägeln. Ähnlich nur das Krankheitsbild: Meist abgefaulte Backen- und Weisheitszähne und große Frontzahnkaries. Es ist sowohl die Extraktion, noch schlimmer eine erforderliche Aufklappung bei oftmals sehr hartem Knochen eine Herausforderung an Mensch und Maschine. Letztere verweigert leider allzu oft und allzuschnell den Dienst, insbesondere die vollkommen unzureichende Absaugung bei den mobilen Einheiten ist ein echte ,Herausforderung’...“
24.11.2017: „Einsatz wie gehabt. Wir haben heute die zweite kritische dicke Backe bei einer Frau, ausgelöst von einem halb retinierten Weisheitszahn, der „Klassiker“...
Karl Haushofer berichtet am Ende seines Zwischenberichts: „Jetzt sind wir gespannt, was uns in der zweiten Woche beim Außeneinsatz erwartet.“ Jetzt, also in dieser Woche, geht ein nämlich wirklich in die Provinz. Erst in der kommenden Woche werden die Haushofers ihren Freiwilligendienst in Südwestafrika beendet haben.