einmal König von Tonga sein

#1 von carlos , 19.03.2017 13:49

Mit dem Gedanken einer Auslandsfamulatur beschäftigten wir uns spätestens nach dem Physikum. Zu Beginn des siebten Semesters und somit ein knappes Jahr vor der Reise wurden unsere Pläne zusammen dieses Abenteuer zu bestreiten dann konkret. [Weiterlesen ...] Die Homepage des ZAD beantwortet dank zahlreicher genereller Informationen über eine Auslandsfamulatur bereits eine Menge Fragen. Die Adressliste, insbesondere bezogen auf die eMails, bedarf leider einer Aktualisierung! Da einigen eMail-Anfragen die berühmte „not delivered-returned to sender“-Antwort folgte, beschlossen wir aufs Geradewohl eine Menge der Länder anzuschreiben. Viele akzeptierten die Anfrage und schickten Bewerbungsunterlagen mit. Hinsichtlich der Auswahl des Zieles ist es jedoch sehr hilfreich, sich die Erfahrungsberichte früherer Famulaturen durchzulesen. Vor unserem geistigen Auge sahen wir uns in einem Land mit niedrigeren Standards unter Palmen Zähne ziehen. Wir stießen auf einige Berichte aus Tonga – besonders erwähnen möchten wir den von Matthias Kelch von 2013. Der im Bericht erwähnte Dr. Amanaki antwortete umgehend auf unsere Email-Anfrage und nur wenige Tage später hatten wir eine Bestätigung des Ministry of Health des Kingdom of Tonga im Postfach. In den Semesterferien 2016 würden wir für knapp sechs Wochen nach Tonga gehen und hauptsächlich im Vaiola-Hospital arbeiten. Nun hatten wir ca. neun Monate Zeit zur Vorbereitung.

Umgehend suchten wir die Adressen verschiedenster Dentalfirmen heraus und fragten für Spenden an. Teilweise bekamen wir sofort Produkte zugesendet, andere wiederum sollten wir kurz vor der Abreise noch einmal anschreiben. Es lässt sich sagen, dass die Firmen sehr spendabel sind. Aus unserer Erfahrung lässt sich sagen, dass Dr. Amanaki und das Vaiola Hospital die Studenten hauptsächlich wegen der Spenden arbeiten lassen. Beide Seiten profitieren sehr gut von diesem Agreement. Bei den Spenden sollte man sich neben Hygiene- und Eigenschutzprodukten auf provisorische Füllungsmaterialien konzentrieren. Gerne versenden Firmen Hochglanz-Komposit-Packungen, deren Wert die letzendliche Anwendung im Vaiola jedoch nicht gerecht wird. Zur Arbeit an sich später mehr.

Um das Königreich Tonga auf dem Globus zu finden, dreht man diesen einmal um 180 Grad. Die Flüge ließen wir über ein Reisebüro buchen. Man sollte erfragen, ob es möglich ist, vor oder nach dem Aufenthalt in Tonga, noch ein paar Tage beispielsweise in Neuseeland oder Australien zu reisen. Unsere Flüge: Hin: Frankfurt – Singapur (8 Stunden Aufenthalt); Singapur – Auckland (11 Stunden Aufenthalt über Nacht am Flughafen); Auckland – Tongatapu. Rück: Tongatapu – Sydney (23 Stunden Aufenthalt; Hostel (!)); Sydney – Singapur (10 Stunden Aufenthalt, Besuch der Stadt); Singapur – Frankfurt.

Es lässt sich erahnen, dass die gesamte Flugreise recht anstrengend ist und man sich gerne zwei Tage zur Erholung und Eingewöhnung in Tonga gönnen sollte.

Unterkunft: In vielen Reiseberichten wird auf der Hauptinsel von Toni´s Guesthouse gesprochen. Eigene Recherchen ließen uns an dieser Unterkunft zweifeln und wir wählten das Backpacker´s Townhouse nahe dem Stadtzentrum von Nuku‘alofa. Das von der sehr freundlichen Tongaerin Yvette geführte Guesthouse hat den Flair einer Wohngemeinschaft mit vier Doppelzimmern im Haupthaus und einem zusätzlichen 8er-Dorm. Positiv in Erinnerung bleibt, dass die Gemeinschaftsräume, insbesondere die Küche, jeden Tag gereinigt werden. Die Terrasse im Innenhof lädt zu Gesprächen mit anderen Reisenden ein und Downtown ist nur fünf Gehminuten entfernt. Dieser Vorteil ist nicht zu unterschätzen, denn „ab vom Schuss“ zu sein, ist in Tonga nicht immer einfach, wenn es um so banale Dinge wie einkaufen und ein Bierchen trinken geht. An der Hauptstraße nicht weit von unserer Unterkunft nahmen wir jeden Morgen einen der lokalen, privaten gefahrenen Busse zum Vaiola-Hospital.

Leben auf Tongatapu

Tongatapu ist die flächenmäßig größte Insel des Königreiches Tonga und das Leben spielt sich hauptsächlich in der 30.000-Einwohner Hauptstadt Nuku‘alofa ab. Die Zeit auf der Hauptinsel sollte man hauptsächlich für den Erfahrungsgewinn im Vaiola Hospital nutzen, die typischen Katalog-Bilder von Südseeinseln wird man auf Rundreisen zu den anderen Inselgruppen Tongas finden.

Wir teilten unsere Zeit in Tonga folgendermaßen auf: 14 Tage Tongatapu, 18 Tage Rundreise Vava’u und Ha’apai, und wieder 10 Tage Tongatapu, davon verbrachten wir noch drei auf Eua.

In Nuku’alofa begegnet man sehr offenen und freundlichen Menschen. Das Lebensgefühl ist sehr „laid back“, die Familie steht im Mittelpunkt des Lebens und konkurriert nur noch mit der Tätigkeit des Essens. Dennoch darf man kein hohes kulinarisches Niveau erwarten, insbesondere die Städter lassen sich von der billigen, westlichen Plastik- und Importnahrung genauso wie von frittiertem verführen. Dieser Lebensstil, den schon die uniformierten Schulkinder annehmen, schlägt sich besonders in unserem Fachgebiet nieder. Neben dem Übergewicht der Mehrzahl der Bevölkerung begegnet man täglich Gebissen, die Opfer der hochkalorischen Nahrung sind. Leider bietet die Hauptstadt keinen Stadtstrand, an freien Tagen oder am Wochenende kann man per Bus oder Taxi Strände auf der Insel erreichen oder fährt per Boot auf die vorgelagerten Mini-Inseln und nutzt eines der Pauschalangebote. Diese Angebote sind besonders für Sonntage zu empfehlen, da dort das Leben stillsteht. Per Gesetz soll sich der Tonganer auf die Erholung, das Essen und die Kirche konzentrieren, weshalb Busse und Taxen stehen und Geschäfte geschlossen bleiben. Ein Besuch der Gotteshäuser wird in jedem Reiseführer empfohlen.

Das Dental-Departement des Vaiola Hospitals ist es erst seit wenigen Jahren in den recht modernen Gesundheitskomplex eingezogen. Im Behandlungsraum findet man 10 Behandlungseinheiten. Es gibt ständig besetzte für die Prothetik, Prophylaxe und Füllungstherapie, die von tongaischen ZahnärtInnen besetzt sind. Für die ausländischen Famulanten stehen ständig zwei, bis drei Einheiten zur Verfügung. Grundsätzlich wird man erstmal eingeteilt, die Patienten von ihren „lästigen“ schmerzenden Zähnen zu befreien. Leider sprechen wenige Patienten gutes Englisch, man kann aber für Übersetzungen und fachliche Fragen gerne auf die tongaischen Mitarbeiter zu gehen. Füllungen gibt man in den ersten Tagen an die einheimischen Zahnärzte ab, somit schraubt man die Zahl seiner Extraktionen schnell in die Höhe. Rasch gewöhnt man sich an den PA-Geruch, Skrupel legt man leider sehr schnell ab, denn nicht immer lassen die Indikationen zur Extraktion sich für uns 'Westler' komplett nachvollziehen. Gerne darf man aber auch Füllungen oder Wurzelkanalbehandlungen auf Nachfrage machen, es sollte einem aber bewusst sein, dass weder das Level der Hygiene mit dem unseren vergleichbar ist, noch sind immer alle Materialien vollständig oder griffbereit. Obendrein herrscht durch viele Spenden ein Mix an verschiedenen Werkstoffen und man ist zum Teil zum Experimentieren gezwungen.

Empfehlenswert ist die Teilnahme am Mali-Mali-Programm. Das von Japan finanzierte Projekt sorgt dafür, dass jede Schule der Insel einmal wöchentlich von Mitarbeitern des Dental-Departements besucht wird. Unter Anleitung putzen die Kinder auf dem Schulhof gemeinsam die Zähne und erhalten eine Ladung flüssigen Fluorids am Ende der Prozedur. Der hohen Zahl an jungen Patienten im Vaiola nach zu urteilen, sorgt diese Maßnahme für das einzige Zähneputzen pro Woche bei vielen der Teilnehmer. Dennoch berichteten uns die Mitarbeiter des Mali-Mali-Programms von einem positiven Effekt des Programms, welcher sich in den letzten Jahren abgezeichnet haben soll.



Vava'u

Nachdem wir die ersten zwei Wochen komplett im Vaiola gearbeitet hatten, beschlossen wir per Innlandsflug zu den Vava'u Inseln zu reisen. Mit einem Kleinflugzeug, welches seinem Namen wirklich alle Ehre macht und für Personen mit Flugangst nicht zu empfehlen ist, ging es zur ca. 50min entfernter Inselgruppe im Norden. Bei den Innlandsflügen ist unbedingt zu beachten, dass lediglich Reisegepäck von 15kg erlaubt ist (plus leichtes Handgepäck). Es empfiehlt sich ein großer Rucksack für das Insel-Hopping. Vom Flughafen aus, welcher aus einer Landebahn und Häuschen besteht, ging es für uns nach Neiafu, der einzigen Stadt Vava'us und von dort aus direkt weiter mit Taxi und Boot nach Mala-Island. Dort warteten wie im Vorfeld besprochen Marcus, Marius, Tim und Christopher auf uns, vier Zahnis aus Aachen, welche wir an unserem ersten Tag im Vaiola kennen gelernt hatten. Wir verbrachten bei besten Südseewetter 6 Tage auf Mala-Island, fuhren Kajak, schorchelten und genossen einfach die Idylle. Im Anschluss an diese 6 Tage ging es für uns für zwei Nächte nach Neiafu. Wir übernachteten im 'Backpackers Adventures', einer am Standard gemessenen verhältnismäßig teuren Unterkunft, aber leider hat man in Neiafu nicht viele Möglichkeiten unter zu kommen. Wir besuchten zwei Tage die Klinik in Neiafu und gaben auch dort mitgebrachte Spenden ab. Allgemein lässt sich sagen, dass man seine Zeit auf Vava'u und Ha'apai besser anders verbringen sollte, als in der Klinik. Möglichkeiten hierfür gibt’s auf jeden fall genug! In Neiafu gab es bis zum Mittag maximal 4 Patienten zu versorgen und wir wurden bereits um 11:00 Uhr nach Hause geschickt. In der Klinik gibt es 3 Behandlungsstühle, zwei Zahnärztinnen und wohlmöglich den einzigen ZahnarztHELFER weltweit. Gemessen am Bedarf verfügt die Klinik hier wirklich über genügend Materialien, dennoch sind sie auf Lieferungen aus Tongatapu angewiesen. Nach unserem Kurzaufenthalt in Neiafu ging es für zwei Nächte nach Ofu-Island, einer weiteren kleinen Insel, deren Besuch auf jeden fall empfehlenswert ist. Während unserer Zeit auf den Vava'u gingen wir zwei Tage mit Ricki Ticki, einem ausgewanderten Tauchlehrer aus Neuseeland, tauchen, welcher in Neiafu ein 'One-Man-Unternehmen' betreibt. Für alle tauchbegeisterten ist Ricki ein echter Geheimtip! Für ca. 70 Euro pro Tag gab es zwei Tauchgänge, Schnorchel-Stopps, einen kleinen Snack und einen erfahrenen und sympatischen Ricki – Ausrüstung inklusive. Wer mit großen Fischen rechnet ist als Taucher in Tonga sicherlich falsch aufgehoben, aber die Unterwasserlandschaft ist einzigartig!

Ha'apai

Die 51 Inseln der Ha'apai Gruppe sind mit Sicherheit die mit Abstand ruhigsten Inseln Tongas. Auf der Hauptinsel Lifuka befindet sich der Hauptort Pangai durch den eine einzige Straße führt an der sich neben drei Einkaufsläden das 'Mariners Café' befindet, welches man für Infos rund um die Inseln auf jeden fall aufsuchen sollte. Wir verbrachten eine Nacht im 'Evalonis Guesthouse' in Pangai bevor es weiter nach Uoleva-Island ging. Schon die 30 minütige Anreise per Boot war ein Südseeerlebnis der besonderen Art, einfach ein Traum. Auf Uoleva verbrachten wir zwei Nächte im 'Captain Cook Hideaway' einem kleinen Resort ohne Strom, dessen Inhaber Sonny uns sehr herzlich bewirtete. Einen Besuch von Uoleva möchten wir wirklich jedem ans Herz legen – Paradies pur! Der Strand wurde 2014 nicht umsonst zu einem der drei besten Strände der Welt gekürt. Unsere restliche Zeit verbrachten wir in der 'Matafonua-Lodge' im Norden, deren Besuch wir ebenfalls empfehlen möchten. Vom Standard her war Matafonua mit Sicherheit die beste, wenn auch teuerste, Unterkunft während unserer Zeit auf Tonga. Die Lodge hat eine sehr gute Präsenz auf Facebook, guckt euch dort einfach mal um, Bilder sagen oft mehr als 1000 Worte...


'Eua

Die Insel 'Eua liegt etwa 40km südöstlich der Hauptinsel Tongatapu und ist per Flugzeug (10min, 180 TOP) oder Fähre (3h, 20 TOP) zu erreichen. Wir entschieden uns für die Fähre und lernten den pazifischen Ozean von seiner weniger schönen Seite kennen. Nach 3h auf rauer See können wir jedem bescheinigen, dass die in die Innlandsflüge investierten 644 TOP gut angelegtes Geld sind, denn eine Fährtfahrt von Tongatapu nach Vava'u (ca. 23h) möchten wir uns auch nicht nur im Ansatz vorstellen! 'Eua ist auf jeden Fall eine Reise wert. Die Vulkaninsel ist landschaftlich ein Kontrast zum Rest Tongas. Djungel und Steilküsten prägen das Bild der Insel. Wir verbrachten 2 Nächte im 'Hideaway' direkt an der Küste und wanderten im Nationalpark mit seinen bis 800 Jahre alten Bäumen. Selbstverpflegung ist auf 'Eua ziemlich kompliziert, wenn auch möglich, man sollte dennoch überlegen sich für den Kurzaufenthalt nicht unbedingt selber Verpflegen zu müssen, das macht die Reiseplanung deutlich einfacher, da man für gewöhnlich mit nicht mehr als einem Rucksack auf die Fähre geht.

Abschließend möchten wir jedem empfehlen eine Auslandsfamulatur zu machen! Wir hatten unvergessliche Wochen auf Tonga und konnten zahnmedizinisch und persönlich einiges dazu lernen. Natürlich kam auch der Urlaubs-Faktor nicht zu kurz und es empfiehlt sich die Zeit am anderen Ende der Welt sinnvoll zu nutzen – wenn man schon mal dort ist ;) Aus diesem Grund sollte man genug Zeit einplanen, eine Aufteilung 3 Wochen Arbeit / 3 Wochen Urlaub ist angemessen, aber auch ausreichend. Wir stehen jedem, der eine Auslandsfamulatur auf Tonga macht, gerne für Rückfragen oder ähnliches zur Verfügung, unsere Adressen findet ihr unten.

Bedanken möchten wir uns ebenfalls bei den Firmen Haraeus Kulzer, Bausch Dental, Dentsply, Henke-Sass, Wolf GmbH, ESPE, Pluradent und Septodont welche unsere Reise durch Ihre Sachspenden unterstützt haben.

Übersicht Preisniveau Tonga (1 Euro = 2,5 TOP):

1 Woche 'Backpackers Townhouse' Tongatapu 350 TOP, Airport-Transfer Tongatapu 40 TOP, drei Innlandsflüge 644 TOP, Vava'u Ofu Island 90 TOP inkl. Transfer, Ha'apai Captain Cooks Hideaway 60 TOP, Kiste Ikale (Bier) auf Tongatapu 48 TOP, Fish&Chips Take Away Tongatapu 7 TOP, Sonnencreme 65 TOP, 3 Ananas auf Vava'u 5 TOP, Müsli Tongatapu 20 TOP, Eua 'Hideaway' inkl. Essen und Wanderung (2 Nächte) 135 TOP

Von Lukas Kneib und Joel Krümmelbein (Uni Marburg)
Organisation: Ministry of Health
Aufenthalt vom 27.02.2016 bis 02.04.2016

Joel Krümmelbein Lukas Kneib

joel-kruemmelbein@web.de LukasKneib@googlemail.com

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RE: einmal König von Tonga sein

#2 von carlos , 19.03.2017 13:49

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Tonga. Famulatur in Polynesien
auf nach Tonga!

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