Dental Volunteers“ in Uganda, August 2016

#1 von carlos , 22.01.2017 00:41

Luftpüster, Behandlungslampe, Absauganlage und nicht zuletzt ein verstellbarer Behandlungsstuhl – auf der Liste der für eine zahnärztliche Behandlung unbedingt notwendigen Materialien hätten wir noch vor zwei Monaten all diese Dinge mit Sicherheit aufgeführt. Und was hatten wir davon in Uganda, während unserer Auslandsfamulatur?

Ganz genau, wie es die Fragestellung natürlich schon vermuten lässt: Nichts!
Aber ganz der Reihe nach. Wir, das sind Eike, Jonas und Birk, allesamt Zahnmedizinstudenten der Uni Bonn. Anfang des Jahres beschlossen wir, nach dem 2. klinischen Behandlungskurs, eine Famulatur im Ausland zu absolvieren.

Nach kurzer Recherche war uns schnell bewusst: Das wäre genau das Richtige für uns, Eile ist jedoch geboten! Mindestens ein Jahr Planung und Vorbereitungszeit sei nötig, lasen wir in vielen Famulaturberichten. Dennoch ließen wir uns nicht entmutigen und schrieben viele Bewerbungen.

Dies sollte mit Erfolg gekrönt werden. Durch Frau Dr. Wagner, Vorsitzende der Organisation „Dental Volunteers“, bekamen wir endlich eine positive Rückmeldung: Es gäbe ein Projekt in Uganda und wir könnten dort im gewünschtem Zeitraum unterkommen. Nach unserer Zusage galt es nun Förderungen zu beantragen, Impfungen aufzufrischen, die Familie zu beruhigen, nebenbei das Semester zu Ende zu studieren und ganz besonders Spenden zu akquirieren. Die große Aufgabe am Projekt in Uganda war es nämlich, dass vor Ort kaum Material vorhanden war. Wir listeten also jegliches Equipment auf, welches wir für unsere Behandlungen benötigen würden, und schrieben etliche Spendenanfragen an Dentalfirmen. Erfreulicher Weise stießen wir mit unseren Bitten auf reichlich positive Resonanz und so sammelten sich in unserer WG, langsam aber sicher, alle benötigten Instrumente. Anfang August war es dann so weit: Mit 180 kg Gepäck, verteilt auf 12 Koffer und Taschen, ging es in den Flieger, auf ins Abenteuer.



Nach Ankunft in Kampala wurden wir von Truus abgeholt. Eine unglaublich herzliche und rüstige, pensionierte Krankenschwester aus den Niederlanden, welche vor einigen Jahren nach Uganda auswanderte und uns so durch ihre Kontakte an die jeweiligen Projekte vermitteln konnte. Als wir ihr unsere Planung für den ersten Tag vorlegten, durchgetaktet von Frühstück über Einkauf bis zur Fahrt zur ersten Behandlungsstation, wussten wir ihr wissendes Lächeln noch nicht zu deuten. Am folgenden Tag jedoch merkten wir: In Uganda ticken die Uhren anders. Allein der Einkauf in der nur wenige Kilometer entfernten Apotheke verschlang über eine Stunde in Kampalas ameisenhaufenhaft anmutenden Verkehr und drei weitere, um auf die bestellten Waren zu warten.



So konnten wir erst nach einem weiteren Tag in der Hauptstadt unsere Fahrt zum ersten Zwischenziel antreten, dem St. Francis Rehabilitation Centre in Pamba, Soroti, einem Heim für körperlich behinderte Kinder. Auch hier mussten wir wieder Erfahren: „Alles kommt anders als man denkt.“ Zunächst wusste niemand so recht wer wir sind und wofür wir überhaupt da waren. Nichtsdestotrotz wurden wir sehr herzlich von den Schwestern und Kindern empfangen und zunächst einmal zum Backen in der Bäckerei und in der Kinderbetreuung eingeplant. Bestimmt auch interessant! Allerdings brachte die zur späten Stunde eintreffende Oberschwester Margaret Licht ins Dunkle und wir konnten doch noch am nächsten Tag mit den Behandlungen durchstarten. Unsere Betten durften wir übrigens im Konvent der Ordensschwestern beziehen. Ohne fließend Wasser wurde auch dies zu einem Erlebnis. Geduscht wurde mit Regenwasser aus Kanistern, die klassische Regenwasserdusche. Am folgenden Morgen konnten wir also unser Behandlungszimmer in der Gesundheitsstation des Heimes einrichten.

Unser Raum war lediglich ausgestattet mit einer Liege, Stuhl und einem Schreibtisch, es benötigte also viel Improvisationsvermögen, um einen kleinen funktionierenden Arbeitsplatz herzurichten. Nach kurzer Eingewöhnung und nicht zuletzt mit ein bisschen Stolz auf unser erstes eigenes „Behandlungszimmer“ starteten wir mit dem Check-Up aller Kinder und Angestellten des Centres. Alle Patienten wurden in unserem Planungsbuch gelistet und so konnten wir die nächsten Behandlungstage grob durchstrukturieren. Besonders wichtig war uns auch das Einbringen der Mundhygiene-Schulung.

Kurzerhand wurde das Wartezimmer in eine Art Schulungsraum umfunktioniert, in der über die Grundregeln der Zahnhygiene aufgeklärt und die richtige Putztechnik demonstriert wurde. Im Anschluss durfte das gerade erlernte von den Kindern am großem Zahnmodell ausprobiert werden. Als Belohnung gab es natürlich Zahnbürsten und Zahnpasta.



Dass die zahnmedizinische Versorgung in Uganda sehr unterentwickelt, die Nachfrage aber extrem hoch ist, merkten wir besonders als das Patientenaufkommen zwischenzeitlich unerwartet hoch wurde, da der Priester in der Messe unser Kommen verkündet hatte und dem ganzen Dorf freie Behandlung versprach. Keine leichte Aufgabe, die Menschen trotz Schmerzen wieder nach Hause schicken zu müssen. Unser Ziel, jedem Kind im St. Francis Rehabilitation Centre eine kostenfreie Behandlung in unserer knappen Zeit zu ermöglichen, wollten wir gerne umsetzen. Nach 12 Behandlungstagen hatten wir etwas über 100 Kinder und Angestellte behandelt und konnten mit gutem Gewissen einen Abstecher in die Murchison Nationalparks machen.



Nach unserer Safari, bei der wir einen Großteil der „Big Five“ bestaunen durften, ging es mit Truus weiter nach Ococia, unsere zweite Behandlungsstation. Hatte man in Pamba schon manchmal das Gefühl, in einem abgelegenen Ort zu sein, bekam diese Bezeichnung hier noch einmal eine ganz neue Bedeutung. Nach Verlassen der asphaltierten Straße wurden 45 Minuten lang Schlaglöcher umfahren sowie Sumpflandschaften und Felder passiert bis dann irgendwann das Schild zum „St. Clare Health Centre“ erschien - „welcome to the bush“, wie Truus uns willkommen hieß.

Es zeigte sich schnell, dass wir in Ococia ganz andere Patienten kennenlernen sollten als in Pamba. Vorsorgeuntersuchungen gibt es nicht, Füllungen sind unbezahlbar. Kariöse Zähne faulen so lange vor sich hin, bis die Pulpa frei liegt und der Zahn extrahiert werden muss. Beziehungsweise müsste, denn die meisten haben keinen Zugang zu einem Zahnarzt oder könnten sich auch die Extraktion nicht leisten. Man kann sich nur ansatzweise vorstellen, was für Schmerzen die Menschen hier teilweise dauerhaft aushalten müssen.

Da in Ococia die wenigsten der Patienten englisch sprechen, waren wir sehr froh den Krankenpfleger Goeffrey als Übersetzer an unserer Seite zu wissen. Außerdem half uns Goeffrey bei der Patientenorganisation, um die täglich neu eintreffenden gerecht aufzulisten. Da der Andrang einfach viel zu groß war, mussten wir abends oftmals einige Patienten wieder nach Hause schicken und auf den nächsten Tag vertrösten. Da die Menschen aber teilweise stundenlange Fußmärsche hinter sich hatten um zu uns zu kommen oder sogar ein Motorradtaxi bezahlt hatten, hieß das nicht selten, vor unserem Behandlungszimmer auf dem Boden zu schlafen, um am nächsten Tag behandelt werden zu können. Als sich rumsprach, dass unsere Zeit in Ococia sich dem Ende neigt, wurde es immer lauter und unruhiger vor unserem Behandlungszimmers. Um Zeit zu sparen, verlagerten wir den obligatorischen Check-Up auf den Vorhof des Krankenhauses, nicht zuletzt um die Belagerung ein bisschen zu entspannen. Das dieses „Schauspiel“ zu einer willkommenen Abwechslung für viele auf dem Health Centre Gelände wurde, hatten wir ein wenig unterschätzt. Da die „Nurses“ im Krankenhaus von Ococia lediglich die medizinische Betreuung und nicht die Pflege durchführen, benötigt jeder Patient einen Familienangehörigen für seine Pflege. Reichlich Zuschauer also! Die Erfahrung einen Befund vor ungefähr 30 Schaulustigen zu erstellen, werden wir in Deutschland so schnell wohl nicht wieder machen dürfen. Nach fast 6 Wochen und nochmals 100 weiteren Patienten ging unser Abenteuer Uganda langsam aber sich dem Ende zu.



Oft saßen wir abends nach einem langen Behandlungstag zusammen und ließen den Tag Revue passieren. Besonders die Nachsorge der von uns behandelten Patienten bereitete uns Kopfzerbrechen, aber auch derer, denen wir nicht helfen konnten, eine Behandlung aber unbedingt erforderlich wäre. Beruhigt hat uns hier die Anwesenheit von Truus, die auch als eine Art Oberkrankenschwester in Ococia fungiert. Sollte es nach unserer Abreise unerwartet zu Komplikationen kommen, würde so der in Soroti ansässige und für uns als „Supervisor“ fungierende Zahnarzt helfen können.



Mit unglaublich vielen Erfahrungen, neuen Bekanntschaften und auch ein bisschen Wehmut nicht noch mehr Patienten in der kurzen Zeit helfen zu können, stiegen wir in den Flieger zurück nach Deutschland. Aber für noch mehr Behandlungen bleibt dann hoffentlich den nächsten „Dental Volunteers“ ausreichend Zeit!





Zu guter Letzt möchten wir noch den Zahlreichen Firmen danken, die uns so tatkräftig unterstütz haben: hu friedy, 3m, voco, J. Bausch, Nenedent, Hahnenkratt, DMG, Hammacher, MW Dental, Dentsply, Komet, Schleich, Etihad, Ivoclar Vivadent, Meisinger, Welch Allyn, Heine Optotechnik, Dental Kosmetik, DM Markt, Dürr Dental und Dentalogixx.

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RE: Dental Volunteers“ in Uganda, August 2016

#2 von carlos , 22.01.2017 00:43

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