Wenn andere im Winter Ski fahren oder einfach nur vor dem kalten Wetter flüchten, ist der Ebstorfer Zahnarzt Moritz Ries im Süden Indiens im Bundesstaat Tamil Nadu unterwegs.
Dort genießt er aber nicht die Sonne, sondern hilft indischen Kindern im Rahmen der Arbeit des Vereins „German Dental Carehood International“ (GDCI) und behandelt kostenlos ihre Zähne.
„Als ich vor fünf Jahren damit anfing, war es ein Sprung ins kalte Wasser“, berichtet Ries. Zu dieser Zeit, als er noch in Hamburg lebte und arbeitete, habe er für sich nach einer Alternative gesucht. „Bei der Arbeit in Indien kann ich Kraft tanken für den Alltag in Deutschland“, sagt Ries, der nach seiner Rückkehr aus Indien vor fünf Jahren eine Praxis in Ebstorf übernahm.
Das asiatische Land sei ein eigener Kontinent für sich, als Europäer habe er sich sicherlich an einige Gegebenheiten gewöhnen müssen. Da sind zum Beispiel die Verkehrsregeln oder besser die fehlenden. Ries erzählt: „Anfangs habe ich mich noch starr im Auto festgeklammert. Heute schlafe ich hingegen während der Fahrt ein. Aber selber ans Steuer werde ich mich hier nie setzen.“ Er habe schon erlebt, dass Kokosnüsse zum Trocknen auf Straßen ausgelegt waren.
Bis zu 120 Patienten am Tag behandelt Ries, ausgerüstet mit Stirnlampe, Handschuhen Sonde und Mundspiegel, wenn er in Indien für zwei bis drei Wochen unterwegs ist. Dabei bewundere er vor allem die Disziplin der Kinder, die oft stundenlang ruhig im Schneidersitz warten, bis sie an die Reihe kommen. Da die ärmeren Kinder kaum Zucker zu sich nehmen, ist Karies bei ihnen eher selten. Daher sind die Zähne im Allgemeinen sehr gesund. Wenn aber ein Kind Probleme mit den Zähnen habe, seien diese meist in desolatem Zustand. Prophylaxe sei daher in dem Land am wichtigsten.
Eher gewöhnungsbedürftig war für den Zahnarzt der sehr große Respekt, der Ärzten in Indien entgegengebracht wird. „Man wird schon eher wie ein Halbgott behandelt und nicht wie ein normaler Mensch“, berichtet Ries. Das liege an dem offiziell abgeschafften Kastensystem, das aber noch in der Gesellschaft Indiens tief verwurzelt ist.
Dies sei auch eine der Schwierigkeiten, die Indien bei der Gesundheitsversorgung habe, die andere sei die Bürokratie. Krankenhäuser sind zwar mit modernen Computern ausgestattet, aber jede Behandlung werde von Ärzten noch handschriftlich notiert. Es würden sich ganze Papierberge auf den Schreibtischen der Mediziner bilden, schildert der Ebstorfer. Änderungen in den Krankenhäusern könnten nur in kleinen Schritten erfolgen, weil das Standesbewusstsein der indischen Ärzte sehr groß sei.
Manchmal frage er sich nach eineinhalb Wochen in Indien: „Warum mache ich das?“ Aber er fahre immer wieder dorthin. Ries zu seinem Motiv: „Ich mag die Leute, ihre Kultur und ihr Essen.“