von Dr. Philip Fischer/RBU, 13.07.2010
Ohne unsere ehrenamtlichen Einsatzkräfte, die engagiert in den Einsatz gehen um notleidenden Menschen zu helfen, wären die von humedica betriebenen Hilfsbemühungen nicht durchführbar. Darüber hinaus können gerade diese Menschen, die mit eigenen Augen gesehen, eigenen Ohren gehört und an sich selbst erfahren haben, wie die Situation in einem Einsatzland ist, am besten davon berichten.
Dr. Philip Fischer wurde nicht nur in seinem Fachgebiet, der Chirurgie, gebraucht. Foto: humedica
So auch Dr. Philip Fischer. Der Chirurg aus Bonn kehrte Ende Juni 2010 aus Haiti zurück, wo er mit humedica im Krankenhaus der Hoffnung für viele Patienten den Weg in die Zukunft ebnete. Er hat selber gesehen, gehört und gefühlt, und schreibt davon im folgenden Bericht:
„Am 21. Mai 2010 brach ein aus - inklusive mir - zehn Personen bestehendes Team nach Haiti auf, um die Hilfsbemühungen von humedica zu unterstützen. Für alle war es der erste Katastropheneinsatz. Die Zusammenstellung des Teams erwies sich dennoch als ideal.
Angefangen bei einem Anästhesisten, weiter über einen Internisten, einen Unfallchirurgen, einen Kinderarzt, eine Radiologin, bis hin zu Medizinstudenten und Pflegepersonal waren die medizinischen Kompetenzen weit gestreut.
So trat ein Grüppchen von uns im „Hôpital Espoir“, einem Kinderkrankenhaus das als Katastrophenklinik und Zelthospital umfunktioniert wurde, unseren Dienst an, während die zweite Gruppe eine mobile Klinik in Léogâne betrieb, dem Epizentrum des Erdbebens.
Verletzungen, die wir behandelten
Mutigen Schrittes übt diese Patientin das Gehen mit ihrer Prothese. Foto: humedica/Philip Fischer
Bereits beim Anflug auf Port-au-Prince sahen wir tausende von Zelten und Lager, in denen die Erdbebenopfer untergekommen waren. Die ersten zwei Wochen verbrachten wir damit, Platten, die zur Heilung der Knochenbrüche eingesetzt worden waren, sich dann aber infiziert hatten, wieder herauszuoperieren, Fixateure, die die gebrochenen Knochen fixierten, zu entfernen und eitrige Abszesse zu behandeln.
Nachdem die Menschen in der Umgebung davon gehört hatten, dass ein chirurgisches Team im Hôpital Espoir arbeitete, brachten sie uns fast täglich medizinische Notfälle: auf den Ladeflächen ihrer Autos liegend und in blutige Tücher eingehüllt. Die Ursache der Verletzungen war zwar nicht auf ein Erdbeben zurückzuführen, aber ebenso schlimm.
Wir versorgten die Verletzungen von Bauunfällen, gestürzte Kinder und Kopfplatzwunden. Wir stabilisierten Schwerstverletzte von Verkehrsunfällen im Schockraum. Wir stoppten Blutungen, sicherten die Atemwege und gaben Medikamente gegen die Schmerzen. Parallel zur Versorgung von Verletzten arbeiteten Physiotherapeuten an der Rehabilitation der Patienten.
Seelische Schmerzen liegen tief
Viele der Kinder, die ich getroffen habe, schienen auf den ersten Blick fröhlich und unbeschwert. Wollte ich sie dagegen untersuchen oder Fäden ziehen, schrien und weinten sie herzzerreißend.
Eine bei uns im Krankenhaus durchgeführte Untersuchung auf ein bestehendes posttraumatisches Belastungssyndrom zeigte, dass 71 Prozent der befragten Patienten darauf hindeutende Symptome aufzeigten. Zu den physischen Verletzungen und Infektionen kamen also auch noch die psychischen Belastungen hinzu.
Wie stark traumatisiert die Erdbebenopfer tatsächlich sind, ist ungewiss. Foto: humedica/Philip Fischer
Im Laufe der Wochen veränderten sich unsere Aufgabenfelder. Nachdem wir die akuten Infektionen versorgt hatten, gestaltete sich die Entlassung der Patienten als sehr problematisch. Aber verständlich, denn wohin sollten sie auch gehen?
Sie hatten ihre Häuser verloren, Kinder und Familienangehörige waren bei dem Beben ums Leben gekommen. Wir kümmerten uns um jeden Patienten, um ein Zelt und einen sicheren Platz zu finden. Viele Patienten kommen immer noch regelmäßig zur Physiotherapie in das Krankenhaus der Hoffnung.
Die Bevölkerung von Haiti wird die nächsten Jahre schwer mit den Verletzten und Amputierten des Erdbebens von 2010 zu kämpfen haben. Es mangelt an allem: an Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln, dauerhafter und auch spezieller ärztlicher Versorgung, an einem Dach über dem Kopf und an Bildung.
Dieses Land ist eines der ärmsten der Welt. Es braucht unsere Unterstützung.“
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