AZK und Henry Schein leisten Hilfe zur Selbsthilfe

#1 von carlos , 18.08.2010 22:21

Ein Flug von acht Stunden, über staubige Pisten zum Patienten – und alles ist anders: Das Behandlungsfeld wird mit einer Stirnlampe aus der Outdoor-Ausrüstung ausgeleuchtet. Sitzgelegenheit ist ein alter Zahnarzt-Klappstuhl aus Bundeswehrbeständen. Zugegeben, das ist schon Luxus – ein Beichtstuhl oder Klappstuhl aus Plastik mussten auch schon herhalten. Am Ende eines solchen Tages hat Dr. Hans-Joachim Schinkel aus Sömmerda schließlich zwischen 50 und im Extremfall über 100 Patienten behandelt und ist hundemüde, aber zufrieden. Sein Rücken schmerzt, schließlich steht der ergonomische Behandlungsstuhl zuhause in seiner Praxis, doch immerhin konnte er heute nicht nur Zähne und Wurzelreste entfernen, sondern auch mehrere Füllungen legen, denn die mobile Einheit funktionierte diesmal - ausnahmsweise.

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Dr. Hans-Joachim Schinkel, Gründer der AZK, im Einsatz in der Freiluftpraxis. Bisher haben mehr als 200 Zahnärzte, Zahnarzthelferinnen und Zahntechniker uneigennützig Hilfseinsätze in den kenianischen „Praxen“ absolviert.

Zwei bis drei Wochen seines Urlaubs verbringt Schinkel jährlich in Kenia. Einen Großteil dieser Zeit ist er mit sogenannten „Mobiles“ unterwegs, Fahrzeugen, mit denen er auf den kenianischen Pisten manchmal nur 5 – 10 Kilometer in der Stunde zurücklegen kann. Mit einem Generator, einem Steri, sterilisiertem Instrumentarium, Einmalspritzen, Handschuhen etc. und der besagten mobilen Einheit an Bord ist er gut ausgerüstet. Tatkräftige Unterstützung hat er durch einheimische Hilfskräfte, die in Assistenz und manchmal notwendiger Übersetzung immer hilfreich sind. Schinkel ist Gründer und 1. Vorsitzender der Arzt- und Zahnarzthilfe Kenya e. V. (AZK) und seit bald zehn Jahren an solche Einsätze gewöhnt. Doch sein Engagement geht über die Behandlungen von Einheimischen noch weit hinaus.

Der Einsatz der AZK ist vielfältig. Regelmäßig haben Schinkel und andere Mitglieder des Vereins wertvolle Mitbringsel im Gepäck: Behandlungseinheiten, Geräte, Materialien, aber auch kleine Geschenke. Die Besuche der Teams werden stets sehnsüchtig erwartet. In diesem Jahr hat sich in den Stationen in Kenia bei seiner Ankunft noch eine Nachricht wie ein Lauffeuer herumgesprochen: Der deutsche Techniker ist auch wieder da!

Auch Torsten Rauch, Dentaltechniker von Henry Schein, ist nicht zum ersten Mal in Kenia. Er gehört zu den Mitgliedern der „ersten Stunde“. Begleitet von einem der Zahnärzte des AZK hat er hier regelmäßig seinen Urlaub verbracht. Alle - mittlerweile acht - Behandlungsplätze wurden von ihm aufgebaut und bei Bedarf repariert. Neu ist, dass er inzwischen eine Woche Sonderurlaub dafür bekommt. Seit Henry Schein Dental Depot auf das Projekt aufmerksam geworden ist, unterstützt das Unternehmen die AZK außerdem mit kostenlosen Reparaturen von Hand- und Winkelstücken, sowie kostenlosen Lieferungen von Dentalmaterialien.

Rauch hatte zwei Wochen lang alle Hände voll zu tun. Sechs Zahnstationen hat der AZK in Kenia bisher eingerichtet! In diesem Jahr konnten Schinkel und Rauch zwei neue Behandlungseinheiten montieren. Die speziellen Einheiten werden alle mit Druckluft betrieben, damit sind sie für die in Kenia häufigen Stromausfälle weniger anfällig. Zum Teil schrottreife Geräte müssen abgebaut und durch die neuen Geräte aus Spenden ersetzt werden. In Kasarani wartet und repariert Rauch nicht nur sämtliche Geräte der Zahnstation, sondern auch zahlreiche Geräte des Krankenhauses. Er hat sich hier einen Ruf als technischer „Wunderheiler“ erworben und macht trotz der erschwerten Bedingungen fast alles möglich. Sogar Kühlschränke und Babybrutkästen werden ihm gebracht.

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Torsten Rauch, Dentaltechniker bei Henry Schein, montiert zusammen mit Einheimischen eine druckluftgesteuerte Einheit. Henry Schein unterstützt das Projekt außerdem mit kostenlosen Reparaturen von Hand- und Winkelstücken sowie kostenlosen Lieferungen von Dentalmaterialien.

Seit seiner Gründung 1999 hat der Verein in Kenia schon sehr viel umgesetzt. Neben der Arbeit von Deutschen vor Ort liegt der Schwerpunkt deutlich auf der Hilfe zur Selbsthilfe. So entstanden Zahnstationen, mobile Behandlungseinheiten, die zunehmend von einheimischem Personal bedient werden können, weil immer wieder auch Ausbildungen finanziert werden. Der AZK unterstützt die zahnärztliche und medizinische Versorgung in Armengebieten Kenias zugunsten der mittellosen Bevölkerung. Deshalb werden ständig Zahnärzte, Ärzte, Zahntechniker und Zahnarzthelferinnen gesucht, die vor Ort für mindestens zwei bis drei Wochen Hilfe leisten, d. h. in den eingerichteten kenianischen Zahnarztstationen und bei mobilen Einsätzen arbeiten und ausbilden (v. a. Zahnärztinnen und Zahnärzte). Bisher haben mehr als 200 Zahnärzte, Zahnarzthelferinnen und Zahntechniker uneigennützig Hilfseinsätze in den kenianischen Praxen absolviert.

Der Ansatz der „Hilfe zur Selbsthilfe“ hat auch Henry Schein überzeugt, so dass das Unternehmen spontan Hilfestellung zusagte und nun in mehreren Bereichen aktiv ist. Henry Schein unterstützt die AZK in der Bereitstellung von zahnärztlichen Materialien und Instrumenten sowie bei der Erhaltung der Behandlungsgeräte. Zudem setzt sich die AZK für die fachliche Ausbildung des Personals in den Stationen ein und baut Prophylaxeprojekte auf, um Zahnkrankheiten besonders bei Schulkindern zu vermeiden. Durch Gruppenprophylaxe, kontinuierliche Reihenuntersuchungen in Schulen, anschließende zahnärztliche Behandlung und Individualprophylaxe der Kinder in den Dental Units werden die Sensibilität für Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen erhöht, die Notwendigkeit einer adäquaten Mundhygiene vermittelt und damit zahlreiche Kinder vor den Folgeschäden der Zahnerkrankungen bewahrt.

Zwei wichtige Zusatzaufgaben sind dem Verein im Laufe der Jahre entstanden. Große Not und herzzerreißendes Elend und zeigte sich bei den AIDS-Waisen und -Witwen. Zwei Projekte wurden daher kurzfristig auf den Weg gebracht: zum einen das Patenschaftsprojekt, durch das inzwischen über 350 Waisenkinder durch deutsche Pateneltern unterstützt werden; zum anderen das Witwenprojekt, in dem über 800 AIDS-Witwen betreut werden. Bei ihrer Arbeit sind der Verein und seine ehrenamtlichen Helfer immer wieder auch den Unwägbarkeiten aus Politik, lokaler Mentalität und den Verhältnissen vor Ort ausgesetzt. Nach einem Einsatz berichtet Schinkel: "Erstaunlich war, dass zum ersten Mal in Kasarani Ordnung und Übersicht in den Schränken herrschte." Ein anderes Mal heißt es im Reisebericht: "Weiterhin wurde ein Zahntechniker eingestellt, da Frederick wegen der Unruhen als Luo unter den Kikuyus nicht in Nakuru weiterarbeiten konnte."

Damit die Bevölkerung auf Dauer von Einheimischen behandelt werden kann, finanziert die AZK auch teilweise die Ausbildung zum „Oral health worker“ und zum Zahntechniker. Eine geeignete Franziskaner Nonne studiert sogar mit Hilfe der AZK in Uganda Zahnmedizin. Vor Ort in den Zahnstationen sollen zunehmend diese Oral health worker zuständig sein. Anwärter durchlaufen in Kenia eine dreijährige lizenzierte Ausbildung, die dem Stand unseres früheren Dentisten entspricht. Anschließend dürfen sie zahnärztlich tätig sein, also Füllungen legen, Wurzelbehandlungen durchführen und Zähne ziehen. Ziel der AZK ist es, an allen Zahnstationen einheimische Oral Health Worker einsetzen zu können, so dass die deutschen Zahnärzte während ihrer Aufenthalte in Kenia nur noch zu Einsätzen auf den Mobiles fahren. Da hält das Abenteuer wieder Einzug in die Zahnarztpraxis – und die frische Luft auch! Der AZK ist per Mail zu erreichen unter: azk@zahnarzthilfe-kenya.de, im Internet unter: www.zahnarzthilfe-kenya.de. Auf der diesjährigen IDS erfuhr der Informationsstand, den Henry Schein der AZK auf dem eigenen Stand eingerichtet hatte, regen Zulauf. Viele Besucher nutzten die Möglichkeit, sich in persönlichen Gesprächen mit Mitgliedern der AZK über die Arbeit und das Projekt zu informieren.

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Bei jedem Aufenthalt haben die Mitglieder der AZK alle Hände voll zu tun. Bei dem Ansturm von Patienten wird auch parallel behandelt.

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